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New Angeles

Politik in der Welt der Megakonzerne

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

New Angeles liegt fest in der Hand der Großkonzerne, die weniger das Wohl der Bevölkerung als ihren eigenen Profit im Blick haben. Im spannenden Semi-Kooperativen Brettspiel für 4–6 Spieler geht es um genau dieses Dilemma. New Angeles verbindet dazu Städteplanung mit knallharten Verhandlungen, vor dem Hintergrund des faszinierenden Android-Universums.

New Angeles – Eine Stadt versinkt im Chaos

Schon der Titel verrät, dass sich das Spiel völlig auf die größte und bevölkerungsreichste Megapole der zukünftigen Erde konzentriert: New Angeles. Die um die Bedeutung des Weltraumlifts Beanstalk organisierte Megastadt bietet mit seiner geopolitischen Bedeutung den passenden Hintergrund für den wilden Machtkampf der Großkonzerne. Dieser Hintergrund basiert auf dem Android-Universum, der vor allem durch Netrunner Living Card Game sowie dem anspruchsvollen Android Brettspiel bekannt ist. Die Designer konnten damit auf fast unbegrenztes Artwork, bereits bekannte Charaktere und eine ausgefeilte Spielwelt zurückgreifen.

Die insgesamt verhältnismäßig positiv gezeichnete Cyberpunkwelt geht auf den Grundkonflikt zwischen menschlicher Arbeit auf der einen und Androiden sowie Klonen auf der anderen Seite zurück. Damit werden für das Genre typische Grundkonflikte in einer spieltauglichen Welt umgesetzt und Charaktere und Konzerne mit Wiedererkennungswert eingeführt. Auf dem Spielbrett kommt hier insbesondere der Konflikt zwischen menschlicher und technischer oder geklonter Arbeitskraft zum Tragen. Stadtteile werden durch Androiden ausgebeutet, was bei der Bevölkerung zu Protest oder gar Streik führt. Die berüchtigten Unruhestifter von Menschen zuerst! wiegeln dabei sogar zum Maschinensturm auf und legen so ganze Stadtteile lahm. Zusätzlich noch von Krankheiten geplagt steht New Angeles kurz vor dem Abgrund und das Eingreifen der Föderation droht. Aber dazu später mehr …

Konzernwelt

Die Welt lohnt einen intensiven Blick und gehört zu den durchdachtesten und ikonischsten Brettspielwelten überhaupt. Sich in die Welt näher hineinzuversetzen ist jedoch nicht nötig, um an New Angeles Freude zu haben. Die kleinen eingestreuten Storyfetzen und Kurzbeschreibungen im Regelheft machen deutlich, dass hier einiges mehr im Hintergrund steht, für das eigentliche Spiel sind sie aber relativ unerheblich. Wichtig ist für die Spieler letztlich nur, dass die Welt maßgeblich durch rücksichtslose Konzerne kontrolliert wird. Die Spielerinnen und Spieler schlüpfen in die Rolle von Klonhersteller Jinteki (‚Jinteki heißt Mensch‘), dem deutschen Androidproduzenten Haas-Bioroid, dem gentrifizierenden Weyland-Konsortium oder dem Medienkonzern NBN. Zusätzlich dürfen auch der den Mond ausbeutende Melange Mining-Konzern und das Sicherheitsunternehmen Globalsec kontrolliert werden. Als Konzernbosse stehen wir dabei vor dem Dilemma, dass wir unsere eigenen Taschen füllen wollen, aber gleichzeitig dafür sorgen müssen, dass die Stadt nicht gänzlich im Chaos versinkt. Das hat keine philanthropischen Gründe, sondern liegt schlicht und ergreifend daran, dass funktionierende Produktionsstätten essentiell sind und die Angst vor dem Eingreifen des Staates herrscht.

Spieltechnisch führt das zu einem gelungenen semikooperativen Erlebnis. Jeder Konzern will das größte Stück vom Kuchen haben, muss aber gleichzeitig darauf achten, dass die Bäckerei nicht enteignet wird. Erschwerend kommt dabei noch hinzu, dass das nicht für alle Konzerne gilt. Einer ist vom heimlichen Wunsch nach dem Eingreifen des Staates getrieben und gewinnt als Föderalist, wenn die Stadt im Chaos versinkt. Es ist also (höchstwahrscheinlich) ein Verräter am Spieltisch.

Der Spielplan ist übersichtlich aufbereitet, das Material hochwertig. Quelle: Fantasy Flight Games


Angebot und Nachfrage

Aber der Reihe nach. New Angeles ist in zehn Stadtteile eingeteilt, die jeweils eine oder zwei von fünf Ressourcen produzieren. Davon abgesehen unterscheiden sie sich eigentlich nur durch die Nähe zur „Wurzel“ des Beanstalks, die besondere Probleme macht, wenn sie von Gefahren heamp-img layout="responsive" height="1" width="1"esucht wird. Davon abgesehen können die Stadtteile von unterschiedlichen Zuständen betroffen sein. Eine Startaufbaukarte bestimmt, welche Stadtteile produzieren, vom organisierten Verbrechen kontrolliert werden, aufgewertet wurden oder von Krankheiten befallen sind. Weitere Ereignisse werden diesen Zustand im Spielverlauf verschlimmern, während wir als Konzerne versuchen, das Elend zu verwalten.

Das Management der unterschiedlichen Zustände macht die eine Hälfte des Spiels aus und wäre schon in einem vollkooperativen Spiel keine ganz einfache Aufgabe. Kaum eine unserer möglichen Aktionen kommt ganz ohne Nachteile aus und es muss gut überlegt werden, welche Aktion wir wann durchführen wollen. Dabei bleibt wenig Zeit. Die Konzerne haben üblicherweise 3 Aktionen, bevor ein neues Ereignis einschlägt und immerhin 6, bis der jeweils wechselnde Bedarf der Stadt gedeckt werden muss.

Das Management ist von den Grundprinzipien her einfach. Im Kern werden Marker und Figuren verschoben und entfernt. Die sind aber jeweils miteinander vernetzt. Wird ein Stadtteil beeinflusst, der einen Krankheitsmarker enthält, steigt das Bedrohungslevel der Stadt. Wird in einem Stadtteil produziert – er wird also ausgebeutet –, steigt das Protestlevel des Stadtteils. Findet sich dann sogar noch eine Menschen zuerst!-Figur im Viertel, eskaliert das schnell zur völligen Zerstörung der dortigen Produktionsmittel. Die Regeln für das Stadtmanagement sind letztendlich simpel, brauchen aber doch etwas Einarbeitungszeit.

Insbesondere die Rundenstruktur, also wann Bedarf bestimmt und befriedigt wird und wie viele Aktionen bis zum Ereignis zur Verfügung stehen, erschließt sich erst nach ein paar Zügen, ist dann aber plausibel und wird gut vom Spielmaterial visualisiert. Während die Grundregeln keine großen Überraschungen enthalten, ist die Ereignisphase innovativ gelöst. Unterschiedliche Rückseiten geben Auskunft darüber, für welche Probleme die Bedrohung steigen wird, und die Ereignisse geben selbst die kommende Rundenzahl bis zum nächsten Ereignis an. Auch wurde versucht, die Ereignisse und Nachfragen thematisch einzubetten, das geht jedoch am Spieltisch etwas unter, da letztlich doch nur Zustände zugewiesen werden.

Am Verhandlungstisch

Der zweite Teil und das Herzstück des Spiels ist die Verhandlung. Jede Aktionsphase unterbreitet jeweils der Startspieler oder die Startspielerin einen Vorschlag, wie mit den Problemen und Anforderungen der Stadt am besten verfahren werden soll. Zur Verfügung stehen dabei Aktionskarten aus fünf unterschiedlichen Kategorien, wobei die Konzerne jeweils andere Kartenzusammensetzungen ziehen. Die Aktionskarten erlauben es beispielsweise zu bestimmen, welche Stadtteile produzieren, einzelne Krankheiten zu heilen und Aufstände zu bändigen oder dem organisierten Verbrechen Einhalt zu gebieten. Fast alle Vorschläge kommen dabei mit weiteren Nachteilen daher und selten ist die beste Verfahrensweise eindeutig auszumachen. Darüber hinaus gibt es Verhandlungsvorschläge, die einzig dem Zweck dienen, den Konzernen Geld in die Taschen zu spielen und nichts am Zustand der Stadt ändern.

Wurde der Hauptvorschlag gesetzt, können die Konzerne reihum bessere oder eigennützigere Gegenvorschläge unterbreiten, wobei vorhergehende Gegenvorschläge mit Kosten übertrumpft werden dürfen. Hatte jeder Konzern – also Mitspieler – die Gelegenheit, einen Vorschlag oder Gegenvorschlag zu unterbreiten, geht es reihum an das Bieten. Alle Konzerne, die keinen der beiden finalen Vorschläge unterbreitet haben, können ihre kostbaren Handkarten nutzen, um einen der beiden Vorschläge zu unterstützen. Hier setzt dann das Verhandlungsmoment an. Die Spieler können sich gegenseitig durch Kapitalzahlungen, Verschenken von Vorteilskarten oder losen Versprechungen dazu motivieren, einen der beiden Vorschläge zu unterstützen, was manche der Karten ganz unmittelbar herausfordern. So können auch für die Stadt gänzlich unproduktive Vorschläge durchkommen. Der Eigennutz wird noch einmal durch das Verteilen von Vorteilskarten befeuert. Wer eine Abstimmung gewinnt, bekommt mächtige Beraterinnen oder Berater zur Seite gestellt, die für weitere Aktionen, Geld und Verhandlungsmasse sorgen. Im Verlauf des Spiels sammelt sich so ein ganzer Fuhrpark an schlagkräftigen Unterstützern an, der zum Schluss hin etwas unübersichtlich werden kann.

Links liegt das Hauptangebot, dem ein Gegenvorschlag entgegengestellt werden kann. Der gewinnende Konzern wird Jackson Howard als Vorteil beanspruchen können. Quelle: Fantasy Flight Games

Wichtigstes Element für den Wettstreit sind aber sicher die unterschiedlichen Gewinnziele der Konzerne. Die bestimmen sich nicht über die Konzernkarte, sondern durch die geheime Zuweisung eines Konkurrenzkonzerns. Es gewinnt also nicht notwendig der Konzern mit dem meisten Kapital, sondern jeder Konzern, der seinen Konkurrenten übertrifft. So kann es mehrere Gewinner geben, aber immer mindestens einen Verliererkonzern. Als besondere Würze kommt zudem der Föderalist hinzu, der das Ziel hat, die Bedrohung in die Höhe zu treiben, bis der Staat eingreift. Da somit ein Spielziel mehr als Konzernspieler im Spiel ist, weiß man nie, ob wirklich ein Föderalist im Spiel ist, was die Unsicherheit noch einmal erhöht.

Als ob das nicht genug wäre, kommt jeder Konzern mit einer sepzifischen Geldbelohnung für bestimme Aktionen daher und es wird für jede Nachfragephase ein geheimes Investitionsziel gewählt, dass noch einmal motiviert, den Bedarf zu decken oder bestimmte Zustände zu verbessern oder zu verschlechtern. So kommt New Angeles schnell in Fahrt und wird noch ein kleines bisschen unruhiger.

Am Spieltisch

Grundprinzip von New Angeles ist die Mischung aus Stadtplanung von oben und politischer Verhandlung. Beide Elemente greifen weitgehend gut ineinander, das Städtemanagement ist aber etwas zu komplex, um sich ganz auf die politischen Intrigen konzentrieren zu können. Das mag gewollt sein, führt aber zu einem gemischten Spielgefühl, das weder dem Stadtplanungs- noch dem Intrigencharakter ganz gerecht wird. New Angeles ist insgesamt äußerst schwer berechenbar. Schon um die Stadt zu kontrollieren, kommen viele kleine Faktoren zusammen. Durch die teils wilden Verhandlungen und unklaren Ziele der Beteiligten wird das noch einmal potenziert. Obwohl in unseren Testspielen immer im letzten Zug das Chaos bzw. die Föderation gesiegt haben, waren die letzten entscheidenden Geldbewegungen schwer zu überblicken. Sieg oder Niederlage wirkten daher wenig absehbar und die Föderation konnte letztlich passiv dabei zusehen, wie sich die anderen Konzerne gegenseitig zerfleischt haben.

Die engen Punkteverteilungen am Ende und das haarscharfe Bedrohungsmoment zeigen aber, dass hier insgesamt ein gutes‚ vielleicht etwas enges Balancing der Spielelement vorliegt, das jedoch in den entscheidenden Phasen durch die vielen beteiligten Faktoren kippen kann. Was bleibt, ist ein intensives, aber auch investitionsreiches Spielerlebnis. New Angeles braucht etwa 3–4 Stunden Spielzeit und gute Regelvorbereitung. Denn die Regeln sind, wie gesagt, nicht sonderlich schwer, aber haben doch manche Kniffe, die durch nicht immer optimale Kartentexte erschwert werden. So wird beispielsweise das Verschieben von Zuständen als feststehender Ausdruck eingeführt, dass das aber nicht für das Verschieben von Androidenmarkern gilt, wird auf den Karten nicht weiter erwähnt.

Auch die Aufteilung in Regel- und Referenzhandbuch konnte nur bedingt überzeugen. Will man besagtes Verschiebeproblem beantworten, reicht es beispielsweise nicht, im Abschnitt über das Verschieben nachzuschauen, sondern es erklärt sich nur, wenn man in die Androidenmarker-Regeln schaut. Hier wäre ein hilfreicher Hinweis oder anderer Terminus nützlich gewesen. Nimmt man das Spiel nicht zu leicht, lassen sich solche Probleme aber umgehen. Man muss sich nur bewusst sein, dass ernsthafte Vorbereitung vonnöten ist und man New Angeles nicht locker aus der Schachtel spielen kann.

Zuletzt muss das gute Spielmaterial lobend erwähnt werden. Das Artwork greift auf die anderen Produkte der Android-Linie zurück, was bei Fans für Wiedererkennungswert sorgt und ansonsten für eine überzeugende und konsistente Optik sorgt. Der opulente Spielplan gibt ein gutes Gefühl für die Stadt und ist hilfreich aufgebaut. Ansonsten stechen die drei Einheitentypen – Organisiertes Verbrechen, Menschen zuerst! und Prisec Sicherheitsroboter – hervor. Die hätten zwar auch als Marker ausgereicht, so ist aber klar, welche Einheiten durch Prisec vertrieben werden und die Übersichtlichkeit wird erhöht, indem eine zweite Marker-Reihe vermieden wird. Außerdem sind die Modelle schön anzusehen, da sie fast Tabletop-Standard erreichen und sich das Orange des Plastiks gut in die futuristische Optik einfügt.

Dieser Stadtteil produziert dank des Androidenmarkers 3 Credits, die jedoch vom Organisiertes Verbrechen-Modell abgezweigt werden. Der Krankheitsmarker erhöht die Bedrohung, wann immer der Stadtteil beeinflusst wird. Quelle: Fantasy Flight Games

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