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Neues aus der Feendrachenhöhle 1

Unerwarteter Besuch

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur Sonstiges

Neulich, ich hatte es mir gerade im Kaminsessel gemütlich gemacht und schmökerte in meinem Lieblingsdrachenroman, klingelte es an der Tür. Ich hatte keine Lust mich zu bewegen, folglich hatte ich auch keine Lust zur Tür zu gehen und diese zu öffnen. Ich blieb, der Schwerkraft entsprechend, an meinem Platz.

Es läutete erneut, eindringlicher. Mit einem kurzen missmutigen Fauchen sah ich von meinem Buch auf. Ich überlegte. Es konnte der Postbote sein. Die Elfen aus dem mysteriösen Wäldchen von nebenan bestellten gerne irgendwelchen Firlefanz bei den Amazonen und ließen sich das dann paketeweise nach Hause liefern. Aber immer wenn die Sendung eintraf, waren die Elfen unterwegs, in irgendwelchen Abenteuern, oder unsichtbar, oder was weiß ich wo. Jedenfalls nicht da. Was soll ich sagen? Jeder weiß, dass eine gute Nachbarschaft die Grundlage für den Frieden in den eigenen vier Wänden ist, also nehme ich die Sendungen an. Denn im Gegensatz zu den Elfen bin ich so gut wie immer da. In meiner Feendrachenhöhle. Wo sollte ich auch sonst sein.
   Gerade war ich bei dem Gedanken an die letzte Sendung angekommen, bei der mir vom geflügelten Boten ein Nashorn vor der Höhlentür mit den Worten: „Danke fürs Entgegennehmen, ich werf gleich noch ‘ne Schatzkarte ein“ abgeladen worden war, da klingelte es ein drittes Mal.
   Frustriert erhob ich mich und schlurfte behäbig zur Tür. Unterwegs fiel mein Blick auf die ungewaschenen Juwelen, die in der Spüle lagen. Und auch die Wollmäuse tanzten schon länger Samba über den Höhlenboden.
   ‚Was solls’, dachte ich, während ich am Eingang angekommen war. Ich erwartete schließlich keinen Besuch.
   Langsam öffnete ich die quietschende Tür.
   Da stand ein Mensch. Genauer, ein Menschenmädchen.
   „Ja?“, fragte ich verwundert.
   „Aha“, sagte das Mädchen. „Wusste ichs doch, es gibt Drachen!“
   „Äh“, war alles was mir zu dieser Feststellung einfiel.
   „Hallo, mein Name ist Kai“, sagte Kai. „Alle haben gesagt, dass es keine Drachen in echt gibt. Das wollte ich selbst sehen. Und da bin ich und da bist du.“
   Ich schnaubte einmal kurz und etwas Rauch kam aus meinen Nüstern. Wir Drachen haben das manchmal. Die Menschen denken immer, dass sei ein gefährliches Zeichen, von wegen dass wir gleich Feuer speien würden oder so. Aber eigentlich liegt das daran, dass wir Drachen zur nervösen Lunge neigen. Und immer wenn wir in Stress geraten, entfleucht uns eben solch ein ungewollter Rauchrülps. Das ist wie bei Menschen das Sodbrennen oder wenn man mal ganz kräftig einen…
   „Darf ich reinkommen“, sagte Kai und stapfte, mit auf den Rücken verschränkten Händen an mir vorbei, in das Innere meiner Höhle. Ich war, muss ich zugeben, einigermaßen verblüfft. Mit solch einer Portion Unerschrockenheit und, nun ja, Respektlosigkeit hatte ich nicht gerechnet.
   Kai sah sich langsam aber sehr gründlich in meiner Feendrachenhöhle um. Ich war ein wenig nervös, weil ich hoffte, sie würde die Berge von ungeputzten Juwelen sowie die aufdringlichen Wollmäuse übersehen. Letztlich fiel ihr Blick auf meinen Sessel und das Buch, das ich dort offen zurückgelassen hatte. Interessiert ging sie darauf zu und blätterte darin herum. 
   „Wieso liest ein Drachen ein Buch über Drachen?“, fragte sie dann.
   „Wieso lesen Menschen Bücher über Menschen?“, konterte ich, wie ich fand, schlagfertig zurück. Aber da hatte ich die Rechnung ohne Kai gemacht.
   „Das ist was vollkommen anderes“, sagte sie mit Bestimmtheit, setzte sich in meinen Sessel und ließ die Beine baumeln. „Schließlich schreiben die Menschen die Sachen über Drachen für Menschen. Nicht für Drachen.“
   Diese Logik erschloss sich mir nicht wirklich.
   „Du machst aber ein langes Gesicht“, sagte Kai kritisch.
  „Ich habe ein langes Gesicht“, gab ich ein wenig verschnupft zurück. Ich nestelte ein Tuch von der Wand und tupfte mir die Nüstern, um die Rauchwölkchen zu unterdrücken. Dieses Kind machte mich nervös.
   „Ich meine ja nur, dass Drachen meistens nicht so gut in den Geschichten wegkommen. Sie werden gepiesackt und erstochen und…“
   „Was kann ich denn nun für dich tun?“, unterbrach ich hastig.
   Kai zuckte mit den Schultern.
   „Ich wollte einfach mal schauen, wie ein Drache so wohnt.“
   „Tja“, sagte ich und machte zwei, drei Schritte in den Raum hinein. „Wir wohnen wie und wo es uns gefällt. Wir Feendrachen nehmen ganz gern mal eine leerstehende Höhle, die lässt sich gut temperieren. Im Sommer ist sie angenehm kühl und im Winter kann man sich einheizen, wie man möchte.“
   „Aha“, machte Kai, doch sie schien nicht so beeindruckt, wie ich erhofft hatte. „Ist ein bisschen unordentlich hier. Du räumst nicht gern auf, was?“
   Ich starrte Kai an. Drachen mögen Kinder, alle Arten von Kindern. Kleine Kinder, große Kinder, innere Kinder – es ist vollkommen egal. Und nein, wir haben sie nicht zum Fressen gern, wie ein paar Spitzfindige jetzt ach so klug behaupten werden. Kinder sind die Art von Mensch mit denen sich Drachen am Ehesten abgeben, weil sie normalerweise nicht an uns herummäkeln. Wir sind ihnen nicht zu groß, zu klein, zu hässlich, zu gefährlich oder zu ausgedacht und eigentlich so gut wie nie wollen Menschenkinder uns töten. Es sei denn sie haben sich in irgendwelche Starallüren verrannt und möchten tatsächlich Ritter werden. Doch die Zeiten sind, dem großen Drachen sei Dank, schon seit dem Mittelalter vorbei. Heutzutage werden solche Fantasien ja medial kanalisiert, in Büchern oder Filmen oder Computerspielen, was zwar zu spät für die meisten meiner Art kommt, mir aber einen ruhigen Alltag beschert hat. Ja, Kinder sind angenehme Zeitgenossen. Wie gesagt normalerweise.
   Dieses Exemplar aber war offenbar von einer ganz anderen Sorte.
   „Sag mal“, setzte ich an, den Drachen raushängen lassend. „Hast du eigentlich gar keine Angst vor mir?“
   „Nö“, sagte Kai. „Du bist ganz schön nett.“
  „Hm“, machte ich. Was sollte ich auch sonst dazu sagen? Kai war nicht die erste, die mir das an den Kopf warf. Unter Drachen war Nettsein nicht unbedingt ein Kompliment, aber, und das wusste ich, unter Menschen meistens schon.
   „Und ich finds toll, einen echten Drachen zum Freund zu haben.“
   ‚Bitte was?‘, durchfuhr es mich wie ein Blitz. Drachen waren nie mit Menschen befreundet. Diese Sache, dass Drachen mit Menschen und Menschen mit Drachen zusammen… nein, das gab es nicht. Das denken sich die Menschen immer gerne aus. Aber diese Art von Beziehung gehört ins Reich der Phantasie. Das musste ich diesem Kind so deutlich wie möglich erklären.
   „Moment mal“, war aber alles, was ich herausbringen konnte, denn schon stieß ich wieder Widerwillen einige hektische Rauchwölkchen aus.
   „Genau“, bekräftigte Kai ruhig ihr eben Gesagtes, während sie mich komplett ignorierte und sich von meinem Sessel erhob. „Und wenn ich wiederkomme, dann fände ich es toll, wenn wir was zusammen machen würden.“
   „Wenn du wiederkommst? Was zusammen machen?“, fragte ich ziemlich dümmlich verdattert. „Was sollen wir denn zusammen machen? Wir können nichts zusammen machen.“
   „Klar können wir“, sagte Kai als wäre es das Normalste von der Welt und war nebenbei bei der Tür angelangt. „Schließlich wohnst du hier und ich weiß jetzt, dass es dich gibt. Also können wir was zusammen unternehmen.“
   „Äh“, machte ich protestierend und hob meine Klaue zum Einspruch. Doch es nützte nichts.
   „Jetzt hab dich mal nicht so, ich werd dich schon nicht beißen“, kicherte Kai.
   „Ich darf doch sehr bitten“, regte ich mich auf und musste dabei aussehen wie ein Schornstein mit Verstopfung. Was Kai noch mehr kichern ließ.
   „Na das wird schon werden“, meinte Kai winkend. „Die Zeiten haben sich schließlich geändert. Das ist ganz normal, dass wir beide Freunde sind.“
   „Aber“, versuchte ich hilflos einen letzten Widerstand. „Wir können nicht miteinander befreundet sein. Ich bin ein Drache und du bist ein Menschenmädchen.“
   „Und?“, sagte Kai mit großen Augen. „Das ist doch kein Grund. In welcher Zauberwelt lebst du denn?“
   Und damit verließ Kai mich. Ich blickte ihr lange hinterher und stieß von Zeit zu Zeit Rauchwölkchen aus. Irgendwann war sie in der Ferne verschwunden.
   „Hallo“, sprach mich jemand von der Seite an. „Ich habe hier eine Streckbank, würden Sie die entgegennehmen?“

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