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NECROSTEAM: Eine Cthulhupunk-Anthologie

Das deutsche Lovecraft-Steampunk Crossover

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Kategorie: Literatur

Mit Cthulhu und Steampunk hat sich die Kurzgeschichtensammlung NECROSTEAM: Eine Cthulhupunk-Anthologie, herausgegeben und illustriert von Phantastik- und Science-Fiction-Urgestein Detlef Klewer, gleich zwei Nischengenres fernab des deutschen Mainstreams ausgesucht, die beide jedoch eine leidenschaftliche und treue Fangemeinde haben. Zwar ist das Interesse an Lovecraft/Steampunk-Crossover innerhalb dieser Communities schon immer stark gewesen; man denke nur an das Pen-&-Paper-Rollenspiel Cthulhu by Gaslight oder die Kurzgeschichtensammlung Steampunk Cthulhu des amerikanischen Rollenspielverlags Chaosium. Allerdings gingen deutschsprachige Fans meist leer aus – bis jetzt. NECROSTEAM ist eine Kurzgeschichtensammlung, die zwar wenig wirklich Innovatives zu bieten hat, aber dennoch zu unterhalten weiß.

Die Welt des 19. Jahrhunderts ist gezeichnet durch bedeutende technologische Entwicklungen, wissenschaftlichen Fortschritt, bahnbrechende Erkenntnisse der Archäologie und natürlich Kolonialismus. Für die Mächtigen ein glorreiches Zeitalter; für die weniger Glücklichen dagegen eine Welt voller Rassismus, Sexismus und Ausbeutung. In dieser zwiegespaltenen Welt erwachen uralte, gottgleiche Wesen, tauchen finstere Kulte nach längst vergessenen Geheimnissen und streben prometheische Forschende nach den Dingen, die der Menschheit besser verborgen bleiben sollten. Das ist Necrosteam: Eine Cthulhupunk-Anthologie.

Der Gesamteindruck

Insgesamt 16 Beiträge zählt die Sammlung, verfasst von mal mehr, mal weniger bekannten Namen der deutschen Phantastik und Science-Fiction. Was bei der Lektüre auffällt: Die meisten Erzählungen orientieren sich eher am Steampunk-Genre oder am Lovecraftschen Horror; Geschichten, die beide Elemente absolut gleichwertig behandeln, gibt es kaum. Das ist aber kein Nachteil der jeweiligen Beiträge; vielmehr dürfen die Lesenden sich auf Steampunk mit Lovecraft-Würze und vice versa freuen. Schade ist allerdings, dass wenige der enthaltenen Beiträge wirklich Neues wagen: Auf der Steampunk-Seite haben wir die klassischen Luftschiffe und humanoiden Roboter; in puncto Cthulhu treten die üblichen Großen Alten (wenn auch in abgewandelter Form) und finsteren Kulte auf. Sicherlich sind diese Elemente nicht nur altbekannt, sondern mit gutem Grund auch altbewährt. Dennoch bleiben viele der Steampunk-Elemente damit eher auf einem ästhetischen Niveau, während im Bereich des Cthulhu-Horrors der kosmische Horror, der die Geschichten H. P. Lovecrafts eigentlich auszeichnet, meistens oberflächlich bleibt. Der Grat zwischen Gesellschaftskritik und Nostalgie, zwischen reiner (Tentakel-)Ästhetik und echtem Steampunk sowie echtem kosmischen Horror ist schmal; nicht immer glückt den Beiträgen in NECROSTEAM diese Gratwanderung.

Spannend wäre ein Vor- oder Nachwort des Herausgebers Detlef Klewers gewesen, in dem er beispielsweise seine Herangehensweise an das Cthulhupunk-Crossover darlegt, die Inspiration für diese Anthologie und seine Illustrationen erläutert, oder auch in einigen Sätzen auf die problematischeren Aspekte von sowohl Steampunk als auch Lovecraft eingeht. Allerdings kommt die Sammlung auch ohne einen derartigen Text aus, stellt stattdessen die einzelnen Kurzgeschichten in den Vordergrund und überlässt es eben diesen Beiträgen, wie und ob sie sich zu Themen wie Kolonialismus positionieren.

Jeder einzelne Beitrag wird durch Detlef Klewer mit je einer ganzseitigen Illustration stimmungsvoll unterlegt. Die gewählten Farben sind mal kräftig, mal gedeckt düster. Ebenso sind die Motive mal deutlich und realistisch, dann wieder geheimnisvoll und abstrakt. Stets machen sie beim Lesen Lust auf mehr.

Hier meine Top 3 der enthaltenen Beiträge:

David Grade, "NECROSTEAM"

Diese Erzählung bildet den Auftakt der Anthologie und legt direkt beeindruckend vor. Die Geschichte entführt die Lesenden in den Ruhrpott des Deutschen Kaiserreichs. Stimmungsvoll und opulent beschreibt Grade die giftige, rußige Luft des Kohlenpotts, die erschreckenden Lebensbedingungen der dort Ansässigen und die düsteren Geheimnisse unter Tage. Per Luftschiff werden Berta von Babelsberg und der Ich-Erzähler von Berlin in den Ruhrpott eingeflogen. Sie sollen zum einen herausfinden, wie es um die Kohleproduktion steht; zum anderen sollen sie im Geheimen ermitteln, ob es im Kohlenpott Anhänger der rebellischen "Steamstorma" gibt. Dabei begegnen den Beiden überall die augenlosen, mechanischen Dampfmänner, die die Menschen stets zu beobachten scheinen…

Sophia Rosenberger, "Der Krieg der Universitäten"

Die Universitäten Cambridge und Oxford konkurrieren seit je her, versuchen stets, die andere Institution zu übertrumpfen. Zeitgleich mit der Krönung Victorias beginnt auch die plötzliche Blüte Cambridges. Mühelos bringt die Universität eine bahnbrechende Errungenschaft und Erkenntnis nach der anderen hervor – darunter auch der mysteriöse Æther. Verzweifelt versucht Oxford, die verhasste Konkurrentin einzuholen und schickt dafür den Wissenschaftler Gabriel Lockley auf eine Expedition. Der findet tatsächlich die Spuren des uralten Æthers – doch der Preis für die Entdeckung ist hoch.

Detlef Klewer, "Eiszeit"

Wenig kosmischer Horror, dafür aber unterhaltsame Steampunk-Abenteuer bietet Klewer in dem letzten Beitrag der Anthologie. Kurz vor der Weltausstellung 1851 erfährt Queen Victoria von einem geplanten Anschlag auf das Empire: Wettermanipulation! Im Auftrag der Queen wird James Frobeshire losgeschickt, um die Mächte hinter dem geplanten Anschlag zu finden. Frobeshires Ermittlungen führen ihn in den berühmten Crystal Palace, wo er schon bald auf hochentwickelte Wesen aus der Antarktis trifft, die nun das Empire zu kolonialisieren drohen… Die Erzählung ist kurzweilig, unterhaltsam und stellt doch einige kritische Fragen zum Thema Kolonialismus und Frauenbilder. Auch wenn der Lovecraftsche Horror etwas zu kurz kommt, kann dieser Beitrag dennoch mit seinen historischen Anspielungen (u.a. auf die verschollene Franklin-Expedition) und dem Erzählstil überzeugen. Ein würdiger Abschluss der Kurzgeschichtensammlung!

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