Nachdem die Bogenschützin Chada und der Krieger Thorn sich schon im Basisspiel einen Namen gemacht haben, geht ihr Abenteuer nun im Silberland weiter. Dort steht eine Reise vom Norden in den Süden an, nach der sie mit Hilfe der Zwerge die Überfahrt zurück nach Andor wagen wollen, um nach allen bestandenen Aufgaben die Heimat wiederzusehen. Allerdings ist ihr Weg nicht nur von zahlreichen Gefahren gesäumt, zu allem Übel sitzt den beiden ein unheimlicher Feind im Nacken, der sie auf Schritt und Tritt verfolgt.
So reicht es nicht, dass Chada und Thorn ihren Blick auf den vorausliegenden Weg richten, auch der bereits beschrittene Pfad bedarf sorgsamer Überwachung. Denn sollte der „Fluch“ es schaffen, die beiden einzuholen oder sogar an ihnen vorbei zu ziehen, ist es aus mit Helden und Spiel.
Gleich am ersten Abend, nachdem das Spiel auf heimischem Küchentisch angekommen war, haben wir uns mit einem schwungvollen Köpper in die Action gestürzt und sind erst weit nach der Geisterstunde wieder daraus aufgetaucht. Das lag zum einen an der wirklich spannenden und immer wieder wandelbaren Spiel-Szenerie, zum anderen aber auch an einigen Verständnisunsicherheiten, was die Regeln betraf. An mancher Stelle hätte man vor allem die Unterscheidungen zwischen aktuellen Nebelkartenstapeln, dem Vorrat, dem nicht mehr ganz so aktuellen Nebelkartenstapel und sonstigen Karten etwas deutlicher machen können. So manches Mal haben wir uns erst im Stapel und dann im Ton vergriffen, was dem Spielvergnügen aber spätestens nach dem Einführen von Hausregeln keinerlei Abbruch mehr getan hat.
Wenn auch der Reim nicht so richtig funktioniert, so klappt doch die Flexibilität innerhalb der Missionen von Chada & Thorn wunderbar. Aus sechs Zwischen-Etappen-Karten werden jeweils zwei gewählt, die dann durch unterschiedliche Kombinationen immer wieder neue Spiel-Wege eröffnen. Auch die Nebelkarten, die eine ordentliche Auswahl an Gegnern bieten, tragen zur bunt-düsteren Abwechslung bei. Zudem gibt es einige Möglichkeiten, den Schwierigkeitsgrad selbst zu bestimmen, indem man Freunde-Karten weglässt oder die Norm um ein oder zwei Zwischen-Etappen-Karten erweitert. Und wenn man das Spiel als Basis für Erweiterungen eigener Ideen ansieht, wird der Kreativität und der Lust auf eigene Umsetzungen kaum eine Grenze gesetzt. Und so trug es sich zu, dass ich mitten in der Nacht aufwachte und schlaftrunken feststellen musste, dass mein gesamter Körper mit kleinen Zettelchen bedeckt war, weil mein Freund etliche verschriftlichte Ideen für neue Charaktere und Ausrüstungsgegenstände im Bett verbreitet hatte. Seitdem nenne ich ihn gerne auch mal Mr. Post-It-Man.
Chada & Thorn ist – vor allem für den schmalen Preis – ein Must-Have für Andor-Fans. Die kleinen Schnitzer, die man zur perfekten Umsetzung vielleicht hätte ausmerzen können, werden spätestens durch die Angebote auf der Webseite und die Flexibilität wieder wettgemacht. Mit der kompakten Größe ist es auch für Urlaub, Cons oder Warteschlangen ein prima Begleiter. Und besonders begeistert bin ich – wieder mal – von dem spielbaren Tutorial.
Die Legenden von Andor – Chada & Thorn
(KOSMOS, 2015)
45 Minuten, 2 Spieler, ab 10 Jahren
Webseite: Chada & Thorn