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Komanauten

Reise durch das Unterbewusstsein

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Kooperative Brettspiele sind gerade sehr beliebt. Während Zombies, Orks und Stormtrooper weiterhin ungebrochen hoch im Kurs stehen, zeigt Jerry Hawthorne seit mehreren Jahren, dass anspruchsvolle Spiele auch jenseits solcher Klischees funktionieren. Mit Komanauten wagt er sich noch einen Schritt weiter. Hier spielen wir uns durch Schwarz-Weiß-Filme, Comicbücher, Nachrichtenübertragungen und Westernstädte, und das alles am gleichen Abend …

Dr. Martin Strobal liegt im Koma. Und das ist nicht nur für Strobal eine sehr beängstigende Situation, sondern gleich für die ganze Welt. Denn der Herr Doktor hat mit dem Möbiusband ein „Perpetuum Mobile“ erschaffen, das unbegrenzt Energie erzeugen kann, allerdings auch jüngst ein schwarzes Loch ausgelöst hat. Das ist nun im Begriff, die Welt zu verschlingen. Was liegt also näher, als mit Hilfe von Sci-Fi-Technologie in die Traumwelten von Strobal geschleust zu werden, um ihn aufzuwecken? Und was liegt noch näher, als dazu Personen auszuwählen, die eine Affinität zu seinen Grundemotionen haben? Nun gut, so einiges wäre vielleicht näher liegender, aber wir tun gut daran, diese etwas absurde Metastory zu akzeptieren, und uns auf die abenteuerliche Reise einzulassen, da uns sonst ein äußerst innovatives Spielerlebnis durch die Finger gleiten würde …

In Strobals Geist

Lassen wir uns also noch etwas auf die Geschichte von Strobal ein. Ein nicht näher bestimmtes Ereignis hat ihn ein Koma versetzt, das nun die Welt bedroht, da er natürlich der einzige ist, der das genannte schwarze Loch schließen kann. Um ihn zu wecken gilt es, seine „Inneren Dämonen“ (ID) – grob gesagt, seine Laster und Ängste – zu besiegen, die ihn im Koma halten. Auch das ist natürlich eine höchst absurde Idee. Die wird jedoch auf geschickte Weise genutzt, um eine abwechslungsreiche, aber doch stimmige Spielwelt zu erzeugen.

Es sind ganze elf verschiedene Dämonen, die in Strobal schlummern, und mit je einer Erinnerung aus Strobals Leben assoziiert sind. Die Angst ist mit der Kindheit in seinem Elternhaus verbunden, in Washington D.C. hatte er mit Scham zu kämpfen und anderswo lauert das Misstrauen. Genaueres soll nicht weiter vorweggenommen werden, die Laster werden vom Spiel jedenfalls großartig umgesetzt. Denn alle elf Komazonen arbeiten aktiv mit der Stimmung des jeweiligen Dämons. Spielen wir uns durch einen Ort, bekommen wir durch die Handlung und Stimmungstexte Einblicke in Strobals Geschichte und Emotionswelt, die deutlich passender sind, als es zuerst den Anschein haben dürfte, denn in allen Komazonen stoßen wir auf wiederkehrende alte Bekannte, die mit der Zeit an Farbe und Tiefe gewinnen. Stück für Stück erhalten wir so Einblicke in seine Lebensgeschichte und Gedankenwelt, die sich auch nach mehreren Spielen nie vollständig schließt, aber beständig erweitert. Die gewöhnungsbedürftige Leitgeschichte erlaubt es so, extrem abwechslungsreiche Missionen mit einer zusammenhängenden, nichtlinearen Geschichte zu verbinden.

Dabei wird zuerst die Abwechslung groß geschrieben. Die Abenteuer stehen allesamt für sich und kommen sogar mit ganz eigener Aufmachung daher. Wie schon erwähnt, können wir uns auch einmal in einem Noir-Film befinden und bekommen es dann natürlich auch mit schwarz-weißen Spielplänen und farblosen Gegner zu tun. Selbst unsere zufällig zugewiesenen Avatare entstammen diesen Welten und sehen dementsprechend jeweils anders aus, ohne dabei aus einem übergreifenden Rahmen zu fallen. Solche Vielfalt lässt sich natürlich nicht mit Miniaturen darstellen. Während Hawthorne in seinen Vorgängerspielen großes Lob für die eingesetzten Miniaturen geerntet hat, musste hier mit Pappaufstellern gearbeitet werden. Das ist thematisch sinnvoll und optisch so gut umgesetzt, dass uns beim Spielen nichts gefehlt hat. Überhaupt ist es dem Artwork gelungen, äußerst klar auszufallen und bei aller Vielfalt einen durchgängigen Stil zu wahren.

Durch das Abenteuerbuch

Was machen wir aber in Strobals Kopf genau? Ganz grundsätzlich ist Komanauten ein missionsbasiertes Abenteuer- bzw. Kampfspiel. Wir verkörpern Avatare, die in einer der elf Komazonen ein Ereignis aus Strobals Erinnerung nachspielen. Dazu kommt ein bereits aus Herr der Träume bekanntes Abenteuerbuch, in dem sich je Doppelseite ein Spielplan und eine Seite Sonderregeln und Ereignisse befinden. Im Kern untersuchen wir interessante Orte, finden hilfreiche Gegenstände und suchen nach Hinweisen auf den „Obersten Inneren Dämon“. Natürlich ist das kein einfaches Ablaufen von Orten, sondern Strobals Unterbewusstsein versucht, sich gegen unseren fremden Einfluss zu erwehren. So müssen wir den Hindernissen in der Traumwelt selber begegnen, indem uns Ereignisse vor gewisse Schwierigkeiten stellen. So erproben wir, um etwa eine Tür zu öffnen, ein Hindernis zu überwinden oder eine Person zu überzeugen. Wird unsere Präsenz entdeckt, wenden sich seine Gedanken außerdem in Form von feindlichen Avataren gegen uns. Je nach Zone haben wir es stimmig mit Polizisten, wütenden Bürgern, Kampfrobotern, Gangstern oder natürlich den epischen Dämonen selber zu tun. Sind die Gegner einmal aufgeweckt, gilt es noch schnell die wichtigsten Punkte zu erreichen, während man sich der Schar erwehrt. Mal mit, mal ohne Kampf, können wir so eine Schlüsselaufgabe lösen, die auf die Folgeseite verweist, in der uns eine weitere Szene innerhalb der gleichen Komazone erwartet. So entfalten sich elf kleine Minigeschichten über mehrere Seiten, die höchst abwechslungsreich gestaltet sind, und in Erinnerung bleiben.

Diese Minigeschichten sind voneinander unabhängig, aber in eine übergreifende Erzählung eingebettet. Anders als in klassischen Abenteuerspielen werden wir nicht mehr oder weniger gradlinig durch die Zonen geführt, sondern wählen fünf zufällige Orte bzw. Misisonen aus, die bereist werden können. Die müssen nun nicht alle einfach durchgespielt werden, sondern zum Gewinnen muss vielmehr der zuvor heimlich bestimmte, „Oberste Innerer Dämon“ gefunden und besiegt werden. Die meisten Orte dienen uns also erst einmal nur als Hinweisgeber auf den obersten Dämon und damit assoziierten Ort. Zuerst suchen wir daher Hinweismarker und nehmen Kontakt mit dem geheimnisvollen, aber viel verratenden „inneren Kind“ auf, brechen diese Komazonen aber üblicherweise früh ab, um zum Ort des entscheidenden Dämons zu gelangen. Dabei kommt ein innovativer Hinweismechanismus ins Spiel. Zu jedem Dämon existieren fünf individuelle Hinweiskarten, die Dank eines Zahlencodes zu Beginn des Spiels herausgesucht und langsam freigespielt werden. Die Texte der Karten geben dann Einblicke in die Traumwelt von Strobal und weisen indirekt auf den obersten Dämon hin. Das gelingt erstaunlich gut. Die Texte sind so offen formuliert, dass auch nach mehreren Karten nicht eindeutig geklärt sein muss, ob es nun etwa auf Misstrauen oder Scham hinausläuft. Hier hilft es, dass uns im Spielverlauf ab und an kleinere Dämonen erscheinen, die wir dann als obersten Dämonen ausschließen können. Dadurch ergibt sich ein echtes, zufallsgesteuertes Investigationselement, das in der Form gänzlich neu ist.

Dieses zweistufige Spiel – erst nach Hinweisen suchen, dann den Endgegner bekämpfen – sorgt für ein modulares und immer wieder neues Erlebnis. Pro Partie werden wir zwei, drei oder vielleicht auch vier der elf Orte besuchen, aber selten mehr als eine Zone ganz durchspielen. Das ergibt durch die abwechslungsreichen Missionen ein enormes Wiederspielpotential. Auch wenn man die Hinweiskarten und Nummern theoretisch auswendig lernen kann, bleibt der Wiederspielwert durch vage genug gehaltene Karten lange bestehen.

Kampagne oder Einzelspiel?

Um wiederkehrende oberste Dämonen zu vermeiden, bietet das Spiel außerdem einen Kampagnenmodus an. Ganz im Stil von Legacy-Spielen liegt dazu sogar ein Stickerset bei, um den Kampagnenfortschritt zu dokumentieren. Mit einem Legacy-Spiel hat Komanauten aber ansonsten nichts gemein und die Sticker sind kaum mehr als ein Gimmick. Im Endeffekt sortieren wir im Kampagnenmodus einfach die bereits besiegten Inneren Dämonen aus und können das eben durch Sticker markieren. Stift und Zettel tun es aber genauso. Außerdem spielt uns jeder besiegte Innere Dämon im Kampagnenmodus einen kurzen Zusatztext frei. Negativ formuliert ist der Kampagnenmodus also reine Augenwischerei, positiv formuliert, überzeugt Komanauten aber genau dadurch, dass es den auch nicht nötig hat. Durch den modularen Spielaufbau lässt sich das Spiel immer wieder neu und in immer anderen Besetzungen spielen. Wir verpassen keinen Handlungsabschnitt, wenn wir eine Partie nicht mitspielen, und können jederzeit wieder einsteigen. Dennoch baut sich für Vielspieler eine tiefergehende Handlung auf. Wie bei einer Fernsehserie freuen wir uns darauf, die liebgewonnenen Charaktere wiederzutreffen und noch ein kleines Detail mehr aus Strobals Leben zu erfahren. Vielleicht kommen wir diesmal endlich zur letzten Seite seines Wohnhauses, oder besuchen endlich einmal die kleine Westernstadt in seinem Kopf? Gerade in Zeiten von umfangreichen Kampagnenspielen ist das eine wohltuende Abwechslung. Wir müssen keine feste Zahl von Partien spielen, können die Gruppenzusammensetzung frei variieren und haben dennoch das Gefühl in einer Geschichte voranzukommen oder zumindest tiefer einzutauchen. So bewegt sich Komanauten weg von der klassischen linearen Erzählung und präsentiert seine Geschichte in einer dem Medium entsprechenden Form. Gerade weil man ohne Buchhaltung, Vorwissen und Stufenanstiege in die Traumwelten absteigen kann, dürfte Komanauten immer mal wieder seinen Weg auf den Spieltisch finden.

Regeln

Neben aller gewöhnungsbedürftigen, aber auf seine Weise genialen Handlungsideen, ist Komanauten aber natürlich zuvorderst ein Spiel, das dementsprechend auch durch seine Regeln überzeugen muss. Hier wird sich wiederum auf das bereits genannte Herr der Träume gestützt. Wie auch in diesem indirekten Vorgänger steht, bzw. liegt, hier ein Würfelbeutel im Mittelpunkt, aus dem je Zug zufällig Würfel gezogen werden. Die bestimmen, welche Aktionen möglich sind, ob wir die Bedrohung erhöhen oder Klarheit hinzugewinnen. Das funktionierte schon beim Herrn der Träume und gelingt auch bei Komanauten äußerst gut. Ob man seine geplante Aktion durchführen kann, hängt letztlich immer etwas vom Ziehglück ab, und gerade in spannenden Phasen fiebert man mit, ob die gefürchteten schwarzen Würfel gezogen werden, und so unsere Gegner auf den Plan bringen, oder ob wir noch einen Zug in Ruhe handeln können. Kleinere Neuerungen, wie besonders markierte Bedrohungswürfel, die nur bei verdächtigen Avataren aktiviert werden, oder ein Würfel, der eine Sonderplatzierung auslöst, runden das bereits bewährte Prinzip ab. Trotz neuer Würfel und Sonderregeln fühlt sich Komanauten sogar etwas gradliniger als der Vorgänger an. So wurden etwa die Bewegungsregeln im Vergleich zum Vorgänger etwas vereinfacht und wir dürfen uns nun etwa ohne Würfelwürfe bewegen. Dank „Fokussieren“ können wir außerdem zwei gezogene Würfel gegen einen bereits abgelegten austauschen, um eher an Würfel einer gewünschten Farbe zu kommen.

Das Grundprinzip beweist sich als innovativ und ebenso flexibel wie belastbar. Dadurch, dass das Würfelziehen alle Parameter steuert, fühlt sich unsere Komareise flüssig an, und die durch Würfelfarben eingeschränkten Optionen führen zu interessanten taktischen Entscheidungen. Ein paar Probleme bleiben aber auch bei Komanauten bestehen. Die Gegneraktivierung und -platzierung ist wie auch im Vorgänger wenig intuitiv. So müssen wir am Anfang der Runde  Bedrohungswürfel setzen, die wir aber erst am Ende der Runde unter bestimmten Bedingungen auslösen. Zu allem Übel füllen sich Gegner nun auch noch zu Rundenbeginn auf, was zu einigem Blättern im Regelheft führen und – schlimmer noch – unplausible Situationen erzeugen kann. Manchmal ist es besser, einen Gegner nicht zu besiegen, da er im nächsten Schritt eh wiederkäme, was nur selten der gewünschte Effekt sein dürfte. Meiner Begeisterung über das Grundprinzip zum Trotz, ist Komanauten stellenweise sperrig. Das liegt vor allen Dingen an den sehr knapp gehaltenen Grundregeln. Komanauten hat das eigentliche Regelwerk auf großzügig genutzte zehn Seiten reduziert. Dafür wurde natürlich an Beispielen und Klärungen gespart, was den Einstieg trotz aller Kürze eher erschwert als erleichtert. Viele Regeln werden – so die Idee – erst im Abenteuerbuch erklärt, wenn sie wirklich nötig werden. Was ein Zustand ist, erfahren wir erst, wenn wir ihn ziehen. Sonderregeln für Bewegungen kriegen wir da erklärt, wo wir sie brauchen und dank Regelkarten funktioniert das auch meist ganz gut. Komplizierter wird es etwa, wenn es an den Missionsablauf geht. Grundsätzlich finden sich alle Informationen zum Ablauf auf der Buchseite des jeweiligen Spielplans, wann eine Begegnung genau ausgelöst wird und ob Proben zwingend sofort durchgeführt werden müssen, bleibt aber manchmal etwas unklar. Auch wie es genau weitergeht oder wann wir die Suche nach dem „Obersten Inneren Dämon“ auslösen, erschließt sich erst, nachdem ein oder zwei Komazonen durchgespielt wurden. Tatsächlich erklärt sich alles im Spielverlauf von selbst, eine überlesene Regel oder ein übersehenes Detail kann aber in Sackgassen führen, die sich dann nur über Spoiler lösen lassen. Ein paar allgemeine Worte über den Ablauf einer Mission und ein FAQ würden dem Spiel also sehr gut tun. Auch wenn streng genommen alles erklärt ist, kann schnell eine Regel oder ein Ausgang übersehen werden und dann zu einigem Frust führen.

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