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Klunga und die Ghule von Köln

Ein Örben-Fäntäsie-Verzällcher

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Kategorie: Literatur

"Ich erinnere mich noch genau, wie erstaunt du warst, als sich unter deinen Füßen eine ganz neue Welt auftat. Du hattest nicht damit gerechnet, dass unter der Stadt, die du so gut zu kennen glaubtest, noch etwas ganz anderes lag." (S.305) Urban Fantasy bietet zahlreiche Möglichkeiten, um Realität und Phantastik miteinander verschmelzen zu lassen. In Klunga und die Ghule von Köln konstruiert Adam Hülseweh nicht nur eine ganz eine urbane Mythologie, sondern verlegt diese auch noch ganz explizit an einen realen Ort.

Der Künstlername Adam Hülseweh steht dabei für das kreative Duo Ina Elbracht und Alexander Schmalz. Während sich erstere maßgeblich für den Text verantwortlich zeigt, steuert letzterer geschichtliche Expertise, Plotideen und einen erstklassigen Buchsatz bei. Als Dritter im Bunde tritt dann noch Daniel Bechthold hinzu, der dem Werk seinen individuellen Pinselstrich verleiht.

Überhaupt wird Originalität im Buch groß geschrieben. Auch wenn es einen recht klassischen Konflikt zwischen Vampiren und Ghulen gibt, der sich erwartungsgemäß verborgen vor den neugierigen Augen der Kölner*innen im Untergrund abspielt, entwickelt die Geschichte schnell eigene Züge. Entstehung und Eigenschaften der Ghule sind ebenso originell wie der seltsame Vampirkult. Dem Buch – so viel darf vorweggenommen werden – gelingt es, eine phantastische Erzählung zu präsentieren, die mit Klischees und Erwartungshaltungen arbeitet, aber immer für eine Überraschung gut ist. Und während mich die nichtmenschliche Belegschaft von Köln zwar überzeugt aber persönlich weniger reizt, zieht das Buch mit einem einzigartigen und umwerfenden Schreibstil in den Bann. Aber der Reihe nach ...

 Köln ist omnipräsenter Schauplatz

Alle Wege führen nach Colonia

Sowohl der Untertitel als auch das vom Kölner Dom geprägte Cover lassen keinen Zweifel daran, dass der Schauplatz des Romans alles andere als zufällig gewählt ist. Ja, der Untertitel verspricht uns sogar auf Kölsch ein “Örben-Fäntäsie-Verzällcher” zu sein. Mit Klunga fügen Elbracht und Schmalz ihrer Heimatstadt ein weiteres seiner vielen Denkmäler hinzu. Das mag man belächeln, wird aber so überzeugend umgesetzt, dass es schnell zur Selbstverständlichkeit wird. Der Kölner Schauplatz und seine Geschichte sind so akkurat recherchiert und omnipräsent, dass man den Kölnbezug absurderweise fast schon wieder vergisst. Es ist einfach klar, dass dieses Werk so nur in Köln spielen kann. Auch wer der Stadt nichts abgewinnen kann, wird also nach ein paar Seiten heimisch werden. Trotz gelegentlichem Mundart und detaillierten Ortsbeschreibungen ist der Kölnbezug nicht aufdringlich und – vor allen Dingen – kein Sightseeing, sondern substantiell ausgearbeitet.

Das Buch geht bis zurück in die römische Antike

Wenn ich von Colonia schreibe, ist das übrigens kein Zufall. Das Buch erstreckt sich in einer Handlung über fast 2000 Jahre. Also von der Zeit als römische Kolonie bis zur Gegenwart, bzw. dem Jahre 2009. Das die große Zeitspanne abgedeckt werden kann, liegt an Zweierlei. Zum einen sind zahlreiche der Charaktere unsterblich, leben also gerne einmal 500 oder eben 2.000 Jahre und zum anderen ist das Buch wie ein Mosaik aufgebaut. Statt einer Narrative folgen wir etwa vier Strängen: Der antiken Versklavung eines Ghuls, der aus gutem Grund nicht Boss genannt werden will; einem von selbigem beständig verspotteten Hitlerjungen und Flakhelfer; dem Bau der Riphahn-Oper und schließlich dem Versuch, selbige abzureißen. 

Alle vier Stränge kulminieren in der Gegenwart, wobei die Zusammenführung am Ende etwas konstruiert wirkt und dadurch an Fahrt verliert. Während der Jahrtausende alte Konflikt zwischen Vampiren und Ghulen sowie die Geschichten der Ghulwerdung der Charaktere durchweg begeistern, ist der Konflikt um die Riphahn-Oper etwas dünn. Hier fehlen vielleicht die historische Distanz und der Kitzel des Unbekannten. Ohne Abstriche können dafür die schrulligen Charaktere überzeugen. Die leicht überzeichneten Figuren sind lebendig in Farbe gesetzt und wachsen ans Herz. Selbst eher alberne Figuren wie die hypersensible Verschwörungsesoterikerin Gitti werden liebevoll und differenziert in Szene gesetzt, auch wenn einem das Lachen in Anbetracht jüngerer Verschwörungswellen etwas im Halse steckenbleiben kann. Ebenso übrigens wie der auf den ersten Blick völlig durchgedrehte Jean Klingelpütz, der weit mehr ist als eine Anspielung auf einen Hobbythekmoderator, sondern sich im Laufe der Zeit als tragische Existenz entpuppt.

Gitti beim Bohnensortieren

Kölner Unikat

Was den Humor des Buches angeht, sollte man überhaupt ein paar Worte verlieren. Auf den ersten Blick präsentiert sich Klunga auch durch die Illustrationen etwas skurril bis albern. Genauer hingelesen täuscht dieser Eindruck jedoch. Das Buch kommt ohne erzwungenen Humor, Witze oder allzu plumpe Anspielungen auf historische Persönlichkeiten aus. Zwar musste ich öfter während der Lektüre loslachen, aber das Dank des Elbracht’schen Sprachwitzes und ihrem Blick für die Absurditäten des Alltags. Ja, wer schwere Kost sucht, wird nicht ganz warm mit dem Buch werden, aber es ist an keiner Stelle Klamauk und eine durchweg niveauvolle Reise.

Etwas überraschend dürfte dafür der Gewaltgrad ausfallen. Schon die ersten Seiten fallen mit einer makaberen Folterszene ins Haus und eine als Leseprobe ausgegliederte Ritualszene kann sich mit manchem Horrorwerk messen. Das wäre vielleicht auch neben dem etwas schwächeren letzten Teil meine einzige Kritik. Nicht dass es blutig wird, sondern dass die Stimmung der Szenen des Buches etwas stark ausschlagen kann und das Wechselspiel aus Humor, Ernst und Blutbad nicht immer zueinander finden will.

Zuletzt soll die erstklassige Textgestaltung nicht vergessen werden. Daniel Bechthold steuert zahlreiche Innenillustrationen bei, die sich durch Vor-Ort-Recherche, ganz eigenen Pinsel- btw. Tuschestrich und düster-grotesken Humor auszeichnen. Die zahllosen Zeichnungen lockern den Text deutlich auf und bieten Orientierung fürs innere Auge. Auch wenn ich mich mit figürlichen Innenillustrationen immer schwer tue, finden hier Text und Bild gut zueinander. 

Beeindruckt bin ich schließlich auch vom Lektorat und Buchsatz. Der Band ist nahezu fehlerfrei und könnte in der Gestaltung problemlos in einem großen Verlag erschienen sein. Nur wer den Verlag sucht, wird merken, dass es sich hier um ein ambitioniertes Self-Publishing-Projekt handelt. Die damit einhergehende  Freiheit schlägt sich nicht nur in manchen unkonventionellen Ideen nieder, sondern auch in einer weiterführenden grafischen Gestaltung der Seiten. So krabbeln Kakerlaken in einem Daumenkino über die Seiten und kleine Jahreszahleinschübe helfen dabei, den Überblick zu halten. So wurde die Freiheit des Formates ohne Qualitätseinbußen genutzt.

Die Kölner Unterwelt wird von Daniel Bechthold stimmig in Szene gesetzt

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