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Kingdom Come: Deliverance

Wenn Geschichte eine Geschichte erzählt

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Kategorie: Games

Wir schreiben das Jahr 1403: Kaiser Karl IV., einstiger Herrscher über Böhmen, hinterlässt das prachtvolle Land nach seinem Tod seinem Sohn Wenzel IV., der seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Wenzels Halbbruder Sigismund will dies nicht akzeptieren und beansprucht den Thron für sich. Mittels einer Intrige entführt er den jungen Wenzel und überrennt das Land mit einer Armee blutrünstiger Kumanen (Angehörige eines kriegerischen Reitervolks). Dabei lässt er Dörfer und Burgen vernichten, deren Herrscher dem gestürzten Wenzel ihre Treue schworen.

Dadurch fällt auch das kleine Örtchen Silberskaliz in die Hände von Sigismunds Truppen. Bauern und Händler, Frauen und Kinder werden von Söldnern abgeschlachtet. Machtlos muss Heinrich zusehen, wie seine Eltern dem Schwert eines kaltblütigen Ritters zum Opfer fallen. Die wenigen Menschen, die es in die Burg geschafft haben, sind innerhalb der Burgmauern gefangen, bis die Kumanen einen Weg hineinfinden und kurzen Prozess mit ihnen machen werden. Heinrich schafft es nicht mehr in die Burg. Er flieht mit einem Pferd und warnt die benachbarte Siedlung vor den plündernden Horden Sigismunds.

Was der Spieler bis zu diesem Zeitpunkt an Atmosphäre erlebt, ist nicht weniger als eines der immersivsten Rollenspielerlebnisse der jüngeren Zeit. Die Dialoge mit den Dorfbewohnern werden durch erstklassige Synchronisation glaubwürdig. Weder übertriebene Höflichkeit wie in den Elderscrolls-Spielen noch ausufernde Gossensprache wie bei Elex ziehen die NPCs zu sehr ins Extrem. Dadurch sorgte Kingdom Come: Deliverance bereits vor seinem offiziellen Erscheinen für offene Münder.

Unterstützer des Projektes durften das böhmische Mittelalter in einer frühen Alpha-Version bereits seit Ende 2014 betreten. Trotz der noch fehlenden Hintergrundgeschichte begeisterte Kingdom Come: Deliverance früh durch seine herausragende Grafik: idyllische Dörfer, Burgen und Klöster, deren Innenarchitektur ebenso faszinierte wie die äußere Fassade und Wälder, die in keinem Spiel zuvor solch authentische Ausmaße boten.

Die Warhorse Studios setzten es sich zum Ziel, das Mittelalter so realistisch wie möglich abzubilden. Dazu zählt nicht nur die realistische Grafik, sondern auch eine geografisch korrekte Nachbildung Böhmens auf Basis alter Karten und Aufzeichnungen.

Kein Held

Trotz der drastischen Einleitung ist Heinrich alles andere als ein strahlender Held. Das wird bereits vor der dramatischen Wendung des Prologs deutlich. Nahezu ohne nützliches Talent ausgestattet, scheitert er bei den kleinsten Dingen wie Boxkämpfen, Schlossknacken und Redegewandtheit, wenn er diese Talente nicht fleißig trainiert. Je öfter ein Talent eingesetzt wird, desto besser wird Heinrich darin. So müssen vor dem ersten Schwertkampf mehrere Stunden in das Schwertkampftraining investiert oder zumindest Unterstützung geholt werden.

Das Kampfsystem erweist sich hierbei als äußerst knifflig. Zielloses Angreifen führt schnell zum Tod. Stattdessen müssen wir den Gegner genau beobachten, um zu schauen, aus welcher Richtung sein Schlag erfolgt. Erst so lässt es sich geschickt parieren und einen Gegenschlag ausführen. Ziehen wir uns im Kampf Verletzungen zu, müssen wir bis zum Ende des Kampfes ausharren, um Bandagen anzulegen. Warten wir zu lange, verbluten wir.

Schläge gegen gepanzerte Stellen beeindrucken die Gegner wenig, Schwachstellen müssen gefunden werden. Hoher Rüstschutz hat allerdings auch seinen Preis. Sind wir selbst von Kopf bis Fuß in Stahl gekleidet, sehen wir nicht viel durch das kleine Visier unseres Helmes und sind zudem auch noch träge. Unsere Ausdauer, die übrigens mit reduzierter Gesundheit ebenfalls weniger wird, ist schnell verbraucht und lässt uns unsere Deckung öffnen. Kämpfe gegen mehrere Gegner sind daher im frühen Spiel zu meiden.

Generell sind Kämpfe in Kingdom Come: Deliverance eher die Ausnahme. Mit erhöhter Redegewandtheit kann Heinrich vielen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen oder aus dem Verborgenen handeln. Es ist zum Beispiel möglich, sich zu verkleiden und Gegenstände zu sabotieren, um sich so einen Vorteil für die Zukunft zu verschaffen.

Keine Gnade für Perfektionisten

Da jedes Handeln Konsequenzen mit sich bringt, verlaufen Haupt- und Nebenmissionen oftmals mit überraschendem Ausgang, jedoch nicht immer mit einem Game Over. Sofern wir nicht selbst sterben, geht das Leben in Böhmen weiter, selbst wenn wir ein Missionsziel vergeigen. Eine besondere Erwähnung verdient dabei das Speichersystem. Für Perfektionisten kann es eine schmerzhafte Erfahrung werden, da zwischen den offiziellen Speichermöglichkeiten oft Stunden vergehen können. Anfangs gab es nicht einmal die Möglichkeit, beim Beenden des Spiels zu speichern, dies wurde dank eines Patches mittlerweile behoben. Allerdings wird dieser Speicherstand nach dem Neuladen umgehend wieder gelöscht, sodass das Beenden des Spiels keinen Vorteil mit sich bringt.

Für schnelles Zwischenspeichern gibt es den teuren Retterschnaps, den Heinrich später selbst brauen kann. Allerdings verändern sich mit der Einnahme dieses Gebräus einige Statuseffekte. Neben positiven Nebeneffekten, wie einer zeitweise besseren Ausstrahlung, gesellen sich nach zu häufigem Konsum Alkoholismus und ein lästiger Kater dazu.

Spätestens hier merkt man, wie viel Wert die Warhorse Studios auf Details gelegt haben. Denn das äußere Erscheinen und die natürlichen Bedürfnisse erzeugen einen Effekt auf das Umfeld und uns selbst. Waschen wir uns lange nicht, beginnen wir zu müffeln und werden gemieden. Hunger, Durst und Müdigkeit zerren an Heinrichs Befindlichkeit und verringern seine Ausdauer. Wer à la Skyrim 80 Käseräder vertilgt, um sich zu heilen, wird für die nächsten Tage zwar satt sein, aber auch träge und ungeschickt. Zudem sind wir danach alles andere als geheilt.

Aber auch die Erzählung selbst weist uns in die Schranken. An vielen Stellen scheitern wir, weil wir es sollen, zum Beispiel wenn uns eine Räuberbande auflauert oder weil wir verraten werden. Heinrich schreibt die Geschichte Böhmens nicht neu. Er ist lediglich ein Zeitzeuge, der seine eigene dramatische Geschichte erlebt und dabei an realen Ereignissen teilnimmt, ohne ihren Ausgang zu verändern.

Der Mangel an Einflussmöglichkeiten verschafft allerdings auch Einblicke in die Motivation der Charaktere, und wir bemerken immer wieder, dass es kein Gut und Böse gibt, sondern nur Perspektiven und Reaktionen, die dem Zeitgeist der Epoche entsprechen.

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