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Kamui

„Cosplay gab mir Selbstvertrauen und neue Ziele“

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Kategorie: Cosplay

Svetlana Quindt, in der Szene besser bekannt als Kamui, ist eine der nahmhaftesten deutschen Cosplayerinnen. Für Zauberwelten konnte Carsten Bar ihr zwischen Convention und Werkstatt ein wenig Zeit abknöpfen, um aus dem Cosplay-Nähkästchen zu erzählen.

Zauberwelten: Wieso hat es Dich gerade zu den Blizzard-Titeln, vor allem World of Warcraft, gezogen?

Kamui: World of Warcraft (WoW) ist seit zehn Jahren eine meiner großen Leidenschaften, dadurch haben mich natürlich auch andere Titel gepackt. Hauptgrund ist jedoch die Tatsache, dass mich dieses Spiel erst richtig für Cosplay begeistert hat. Die Idee, meinen eigenen Charakter zum Leben zu erwecken, war einfach zu verlockend, und WoW wurde der Grund dafür, dass ich mich für Rüs­tungs- und Waffenbau begeistert habe.

ZW: Welche Titel aus Spiel, Film oder Romanwelten ziehen Dich noch an?

Kamui: Derzeit arbeite ich an Xena, die eins meiner ersten großen Idole war. Auch Nova aus Starcraft oder die weibliche Verkörperung von Thor aus dem Marvel-Universum stehen auf der Liste. Generell mag ich starke weibliche Charaktere, da ich mich mit ihnen identifizieren kann und sie oft ein interessantes Design haben. Wenn dann noch Waffen und Rüstung dabei sind, bin ich Feuer und Flamme für ein Projekt.

ZW: Wie wichtig ist Dir die Rolle eines Charakters, den Du cosplayen willst?

Kamui: Ich muss zugeben, dass ich einen Charakter nicht lieben muss, um ihn als neues Projekt zu wählen. Ich bin meistens zuerst vom Design begeistert und lerne erst in zweiter Linie die Figur kennen. Allerdings habe ich meinen eigenen Charakter aus World of Warcraft bereits in fünf verschiedenen Rüstungssets wieder und wieder dargestellt – das war doch ein wenig obsessiv. Ich brauche aber wie gesagt die starken Figuren, mit einer süßen Prinzessin oder einem Schulmädchen könnte ich mich zum Beispiel gar nicht anfreunden.

ZW: Ich wage die kühne These, dass Dein gutes Aussehen zu Deinem Erfolg beigetragen hat. Ist das Teil Deiner Professionalität und lässt Du Schokolade links liegen?

Kamui: Tatsächlich habe ich mich eigentlich niemals als hübsch empfunden. In der Schule hatte ich mehr auf den Rippen, wurde gehänselt und hatte allgemein eine schwere Zeit. Ich war eine Außenseiterin, aber das waren viele von uns. Cosplay hingegen gab mir Selbstvertrauen, motivierte mich und gab mir neue Ziele. Menschen begannen sich für mich zu interessieren und folgten meiner Arbeit. Das war ein tolles Gefühl! Ich veröffentlichte aber sehr selten Bilder von mir und vermeide es auch heute lieber. Ich möchte für meine Arbeit, meine Fähigkeiten und Leistungen bekannt sein, nicht für mein Äußeres. Ich versuche, auf meine Ernährung zu achten, um den Charakter passend darzustellen, und nicht, um auf Selfies gut auszusehen. Natürlich mache ich mich für Conventions, Fotos und Videos hübsch, in meiner Heimat Nürnberg sieht man mich meis­tens mit zerzausten Haaren und ohne Make-up, wenn ich in Sneakers durch die Innenstadt schlurfe.

ZW: Wie hat sich die Aufmerksamkeit Dir gegenüber in den Jahren geändert?

Kamui: Für mich hat sich über die Jahre nicht viel geändert. Es ist nur stetig ein wenig mehr geworden: mehr Likes auf Facebook, mehr Abonnenten auf YouTube und mehr Follower auf Twitter. Doch das sind nur Zahlen. Ich bastele nach wie vor an meinen Kostümen, zwänge mich in unbequeme Rüstungen und genieße schöne Conventions mit meinen Freunden. Natürlich ist das ehemalige Hobby durch meine Selbstständigkeit zum Beruf geworden. Ich nenne es tatsächlich Arbeit, und meine Eltern und Freunde haben Verständnis, wenn ich zwischendurch keine Zeit für sie habe. Aber ich gehe damit immer noch so um wie Jahre zuvor: Ich beantworte Fragen, versuche anderen mit meinen Anleitungen zu helfen und vielleicht doch ein oder zwei Stündchen Schlaf in der Nacht vor einer Convention zu erhaschen. Ehrlich gesagt, kann ich immer noch nicht glauben, dass ich das bereits seit 12 Jahren mache.

ZW: Wie war das, als Du gemerkt hast,­ dass Du langsam bekannter wirst und Dein Hobby zum Beruf machen konntest?

Kamui: Eigentlich hat sich nie etwas verändert. Vor zehn Jahren bastelte ich an Kostümen und traf mich mit Freunden auf Conventions – das tue ich immer noch. Am Anfang wollte ich nicht so recht den Ernst des Lebens antreten und träumte davon, für immer an meinen Kos­tümen basteln zu können. Nachdem ich jahrelang Tutorials auf verschiedensten Plattformen im Internet veröffentlicht hatte, brachte mich ein Freund schließlich auf die Idee, eine Sammlung dieser Anleitungen zusammenzustellen. Allerdings hätte ich niemals erwartet, dass ich mich durch recht simple Bastelbücher selbstständig machen könnte.

ZW: Womit hast Du vor Deiner Selbstständigkeit Geld verdient?

Kamui: Ich habe Technikjournalismus studiert und mich mit BAföG und Nebenjobs über Wasser gehalten. Anfangs hatte ich einen langweiligen Bürojob, bei dem ich einmal die Woche Tabellen abtippen musste. Später hatte ich das unglaubliche Glück, einen Job für das World of Warcraft-Trading Card Game zu ergattern, bei dem ich auf offiziellen Turnieren Alexstrazsa, Vanessa van Cleef und Aegwynn darstellte und von Spielern zu einem doch recht unfairen Duell herausgefordert wurde. Das war ein wahrer Traumberuf!

ZW: Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag einer professionellen Cosplayerin aus?

Kamui: Professionelle Cosplayerin klingt so komisch, ich schimpfe mich lieber Autorin. Einen typischen Alltag habe ich nicht wirklich. Mal verbringe ich den ganzen Tag im Flugzeug, mal muss ich mit schlaflosen Nächten voller Arbeit kämpfen und mal genieße ich vormittags an einem Montag mit meinem Mann einen guten Film im Kino. Mein Rhythmus ist sehr unregelmäßig, oft mit Arbeit von früh bis spät in die Nacht vollgestopft, manchmal sitze ich tagelang einfach nur vor meiner Playstation. Ich mache, was ich will, wann ich es will und wie ich es will –  ich genieße das sehr. Ich bin sehr kreativ und brauche meine Freiheit. Da ich meine Arbeit allerdings so sehr liebe, bedeutet das meis­tens, dass ich damit nie wirklich aufhöre und teils sogar für Monate nicht erreichbar bin. Doch ich würde dieses turbulente Leben niemals missen wollen.

ZW: Womit verdienst Du in Deinem turbulenten Leben als cosplayende Autorin Dein Geld?

Kamui: Da die Community mich sehr unterstützt und meine Bücher beliebt zu sein scheinen, reicht der Verkauf meiner Bücher. Zwar würde ich mich gerne an anderen Projekten beteiligen, doch dazu fehlt mir leider die Zeit. Eigentlich bin ich ganz froh, dass der Verkauf meiner Bücher für den Lebensunterhalt ausreicht.

ZW: Kannst Du noch über eine Convention gehen, ohne alle drei Meter für ein Foto posieren zu müssen?

Kamui: Im Kostüm ist es schwierig, von A nach B zu kommen. Doch für Fotos zu posieren, zu lächeln und zu winken, gehört nun einmal dazu, und jeder Conventionbesucher kennt das. Natürlich wird das auf die Dauer anstrengend, gerade bei 15 bis 20 Conventions im Jahr. Allerdings liebe ich es, die wunderbaren, talentierten und lieben Cosplayer zu treffen und mich ein wenig über ihre Arbeit zu unterhalten – sei es in Deutschland, den USA oder vielleicht sogar Neuseeland. Obwohl wir eine andere Sprache sprechen, eine andere Religion oder Hautfarbe haben, können wir durch Cosplay selbst am anderen Ende der Welt einen Freund fürs Leben finden.

ZW: Wie hast Du das Material Worbla für Dich entdeckt?

Kamui: Für meine erste große Rüstung habe ich noch Wonderflex verwendet, ein Material, das ich nicht ohne hohe Versand- und Zollgebühren nach Deutschland importieren konnte. Damals war das Angebot an Cosplay-Materialen sehr eingeschränkt, und fast alles stammte aus dem Ausland. Zusätzlich fehlte es fast vollkommen an hilfreichen Anleitungen, deshalb musste ich viel experimentieren. Ein wenig später entdeckte ich jedoch Worbla, das einfacher zu verarbeiten war und in Deutschland produziert wurde. Das waren überzeugende Argumente, um darauf umzusteigen.

ZW: Über Deine Erfahrungen mit diesem thermoplastischen Werkstoff hast Du bislang fünf Bücher und zwei Schnittmustersammlungen herausgegeben. Wie wichtig ist Dir das Schreiben?

Kamui: Grundsätzlich liebe ich es, anderen Künstlern zu helfen und sie zu inspirieren. Darum stecke ich sehr viel Mühe und Arbeit in meine Bücher. Meine Bücher sind ein Teil von mir und ich bin bemüht, mich mit jedem neuen Titel zu verbessern. Ich habe ich viele Ideen für weitere Bücher, welche ich letztendlich als nächste angehe, ist immer eine spontane Entscheidung. Den Titel meines letzten Buches beispielsweise habe ich geträumt. Am nächs­ten Morgen hatte ich bereits die ersten Kapitel fertig geschrieben.

ZW: Dein Mann steht fest an Deiner Seite, wie hast Du ihn da mit reingezogen?

Kamui: Benni ist seit 12 Jahren Teil meines Lebens. Er war dabei, als ich an meinem ersten Kostüm arbeitete, er half mir, meine ersten Anleitungen auf Englisch zu verfassen und arbeitete mit mir Nächte durch, um meine Kostüme rechtzeitig fertigzustellen. Mein Hobby gehörte für ihn also schon immer dazu. Natürlich raubte es mehr und mehr Zeit, Taschengeld und vor allem Nerven, aber er hat mich immer unterstützt, war immer für mich da und ließ mich niemals im Stich. Umso schöner ist es, dass er sich mit meinem ehemaligen Hobby ebenfalls selbstständig machen konnte und mir beruflich unter die Arme greift. Dabei macht er eigentlich alles, worauf ich keine Lust oder wofür ich keine Zeit habe. Benni übernimmt Editorial, Layout, Print und Versand der Bücher, kümmert sich um den Papierkram, beantwortet E-Mails und Nachrichten und hilft mir, auch weiterhin meine Kostüme rechtzeitig fertigzustellen. Er ist wirklich unglaublich und ich wüsste gar nicht, was ich ohne ihn tun sollte!

ZW: Wie wirkt sich Deine Tätigkeit als Autorin und Workshop-Geberin auf den Bau von neuen Kostümen aus?

Kamui: Meine Bücher sind Bastelanleitungen. Wenn ich selbst nicht bastele, gibt es auch keine Anleitungen. Somit muss ich für jedes Buch unzählige Bilder von Schaumschnitzereien, LED-Schaltungen, Holzwaffen oder Plastikrüstungen aufnehmen. Natürlich nutze ich meine Kostüme als Werbung für meine Bücher. Alles läuft Hand in Hand, ohne das eine gibt es das andere nicht. Es ist sicherlich einfacher, einen Roman zu schreiben. Allerdings macht das Herumexperimentieren und Probieren unheimlich viel Spaß. Ich liebe es, Neues zu lernen und es mit meiner Leserschaft zu teilen. Es ist spannend, immer wieder etwas Neues zu entdecken, Fehler zu machen und nach Dutzenden Versuchen letztendlich erfolgreich zu sein. Ein tolles Gefühl, das ich mit meinen Büchern vielen Menschen weltweit ebenfalls vermitteln kann.

ZW: Wie nimmst Du die nationale Cosplay-Szene wahr? Wie zeigt sich die deutsche/deutschsprachige Szene im Vergleich zu der internationalen, speziell der US-Szene?

Kamui: Durch das Internet und soziale Medien hat sich die Szene sehr gewandelt. Während man früher noch in seinem Kämmerlein ein bisschen gebastelt hat, gibt es nun die Möglichkeit, seine Arbeit mit der ganzen Welt zu teilen. Freunde werden auf anderen Kontinenten gefunden und Google Hangouts verbinden Nationen. Die Welt ist kleiner geworden und auch die Szenen sind zusammengewachsen. Natürlich gibt es immer noch Unterschiede. Deutschland scheint zumindest sehr zielstrebig zu sein und jeder will das beste Kostüm präsentieren. Wir haben tolle Wettbewerbe, die die Szene motivieren und Cosplayern eine Gelegenheit geben, sich mit anderen Künstlern zu messen. Cosplay ist in Deutschland noch immer vergleichsweise unbekannt, weshalb Conventions kleiner und familiärer sind. In den USA dagegen ist das Hobby ein wenig mehr Mainstream. Verkleidungen kennen die US-Bürger von Halloween und nutzen jede Gelegenheit, um ein wenig herumzualbern und Spaß zu haben. Dort ist die Szene älter, und nicht selten sieht man auch Oma und Opa im Kostüm. Conventions sind dort gewaltige Massenveranstaltungen, auf denen das lang ersparte Taschengeld zu leiden hat. Während jedoch in Deutschland etwa 80 Prozent der Besucher im Kostüm erscheinen, sind es auf der San Diego Comic Con vielleicht gerade einmal fünf Prozent.

ZW: Wo wird man Dich demnächst live erleben können?

Kamui: Leider bin ich nicht oft in Deutschland unterwegs, doch die GamesCom in Köln ist ein Event, auf dem ich immer anzutreffen bin. Für dieses Jahr (2015) ist allerdings nur noch die Blizzcon in Los Angeles geplant. Danach werde ich zwar immer noch an Kostümen arbeiten, doch hoffentlich finde ich dann auch etwas mehr Zeit für meine Playstation.

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