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KULT: Die Verlorene Göttlichkeit

Eine Projektvorstellung von Mario Truant und Dustin d'Andrea

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Kategorie: Pen & Paper

Es gibt Spiele, denen eilt ihr Ruf voraus. KULT wäre eines davon. Das ursprünglich aus Schweden stammende Rollenspiel war Anlass zahlloser Kontroversen und wäre auch in Deutschland in den 90ern fast nicht auf den Markt gekommen. Durch den offenen Umgang mit einem Horror der härteren Gangart und durch das Spiel mit okkulten Kräften hat das Rollenspiel einige Alarmsignale ausgelöst und richtet sich sicherlich nicht an ein junges Publikum. Gerade dadurch hat es aber seinen Reiz und bietet Horror jenseits von Cthulhu und Co. Verleger Mario Truant begleitet das legendäre Rollenspiel nun seit etwa 30 Jahren und stellt uns zusammen mit Dustin d'Andrea die rundum überarbeitet vierte Auflage vor ...


Wie tief würdet ihr gehen?

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Mario, lieber Dustin, ihr arbeitet an der Lokalisierung von KULT: Divinity Lost bzw. Die Verlorene Göttlichkeit. Könnt ihr euch einmal kurz vorstellen und uns sagen, was eure Rollen im Projekt sind und was euch an KULT persönlich begeistert?

Mario Truant: Ich habe mir Unterstützung besorgt, um deine Fragen genauso fundiert beantworten zu können. Dustin d'Andrea unterstützt mich bei der Crowfunding Kampagne und ist quasi mein „Okkultismus-Experte“. Er hat einige wundervolle Videos zu KULT gemacht, die müsst ihr euch ansehen.

Meine Rolle ist die des Verlegers und Herausgebers der deutschen Fassung des Dark-Fantasy- oder Horror-Rollenspiels KULT: Die Verlorene Göttlichkeit. Nach 30 Jahren wieder. Die erste deutsche Ausgabe von KULT erschien auf der Spielemesse in Essen 1992. Vor einigen Jahren wurde ich dann von Manfred Lill angesprochen, ob es nicht an der Zeit ist, eine neue Ausgabe von KULT auf Deutsch zu machen. Mich persönlich begeistern ja Rollenspiele, die an Grenzen gehen und Möglichkeiten ausloten. Und so war ich nicht abgeneigt, mich nochmal an KULT zu versuchen. Bei meinen Nachforschungen stellte ich dann heraus, dass auch andere auf die Idee gekommen waren und so wurde bereits in Schweden an einer neuen Ausgabe gearbeitet: KULT: Die Verlorene Göttlichkeit.

Dustin d'Andrea: Das, was KULT ausmacht, ist, dass es dort ansetzt, wo andere Systeme nicht weitergehen. Es erforscht den Horror nicht nur an der Oberfläche, sondern geht an seine Grenzen. KULT zu spielen, bedeutet auch, sich den eigenen Ängsten zu stellen, diese zu erforschen und sich darauf einzulassen – in gewisser Weise sogar sie einzuladen –, um auf diese Weise eine außergewöhnliche Spielerfahrung zu erzeugen, die kein anderes System in dieser Form im Fokus hat. Wie könnte man davon nicht fasziniert sein?

Andreas (ZWO): Ihr beschreibt KULT im Crowdfunding als legendäres Dark-Horror-Rollenspiel. In der Tat ist es ja eines dieser Rollenspiele, dem sein Ruf vorauseilt. Könnt ihr uns etwas mehr zur legendären Vorgeschichte erzählen? 

Mario: In den frühen 90ern war es manchmal schon sehr spannend und wir sind knapp am Index für jugendgefährdende Schriften vorbeigeschrammt. Und es gab schon einige Anfeindungen und Blockaden deswegen. Aber wir sind ja jetzt 30 Jahre später … 

Dustin: In KULT geht es darum, eine fiktionale, unserer Lebenswelt ähnliche Welt zu bespielen, die düsterer, dunkler, geheimnisvoller und stärker von Okkultismus geprägt ist als die unsere. Im Zentrum stehen die jüdische Kabbala und auf christlicher Seite die Gnostik als religiöse und mystische Ursprungsgeber vieler Ideen und Vorstellungen, die in KULT weltlich und Wirklichkeit werden. KULT bildet eine Spielwelt ab, die unserer ähnelt, aber in der unsere Glaubensvorstellungen oder philosophische Strömungen die geistige Ebene verlassen haben und Realität geworden sind. Die KULT-Charaktere sind diejenigen, die sich diesen fleischgewordenen, pervertierten Vorstellungen stellen müssen. Dabei erforschen sie, wie es wäre, wenn die düsteren Vorstellungen und Seiten von Religionen und Sekten insofern Wirklichkeit werden würden, auf dass sie über die Welt hereinbrechen. Zwar mag es sein, dass die Spielerinnen und Spieler vor Fragen gestellt werden, ob sie den Tod ihres Charakters in Kauf nehmen oder dem Unausweichlichen aus dem Weg gehen wollen, indem sie mit Dämonen oder Erzengeln paktieren; sie tun dies aber immer wider Willen oder weil ihnen kein Ausweg bleibt. In KULT spielt man nicht den oder die „perversen“ oder „verrückten“ Mörder bzw. Mörderin, sondern man spielt höchstens die Geschichte, wie er oder sie zu dem geworden ist, was er oder sie ist. Ist der Punkt erreicht, ist in der Regel das Spiel auch vorbei.

Andreas (ZWO): Die Legenden bei Seite: Was macht denn den Reiz von KULT aus? Was macht das Spiel zum Kult-Horrorspiel? 

Dustin: KULT-Charaktere sind dem Horror in ihrem Leben bereits begegnet und haben daher einen Einblick hinter den Schleier bekommen, der das Böse vor ihnen verbirgt. Die Welt von KULT ist bereits untergegangen. Das Gute hat gegen das Böse verloren. Die Menschen, oder genauer ihre Seelen, sind nichts als Futter für die Dämonen, Engel und Monster, oder sie liefern Energie für die Maschinerie, die diesen Schleier aufrechterhält. In KULT kann man weder die Welt retten noch sich selbst. Aber man kann versuchen – was nur die wenigsten schaffen –, sich seiner eigenen, jedem Menschen innewohnenden Göttlichkeit zu nähern und so mehr über das zu erfahren, was eigentlich mit der Welt passiert ist. Man kann sich dem Bösen stellen, lernt aber auch schnell, dass außer seiner Seele nicht viel zu bewahren ist. Und dafür kann man bis in die tiefsten Ebenen der Hölle wandern, denn „Der Tod ist nur der Anfang“.

KULT verbindet moderne Themen mit Okkultismus

Andreas (ZWO): Ein großer Faktor ist sicherlich der Hintergrund, also die dem Spiel zugrunde liegende Mythologie. Ein bisschen hattet ihr schon angesprochen. Aber noch einmal den Finger etwas genauer in die Wunde gelegt: Worum geht es eigentlich in KULT? Welches Element hat euch persönlich am meisten begeistert und gibt es entscheidende Unterschiede zu den früheren Versionen?

Dustin: Die aktuelle neue Edition hat KULT „modernisiert“. Abbildbar wäre wie zuvor jede fiktive Geschichte in der Vergangenheit oder Zukunft, die man sich nur vorstellen kann. KULT bietet ein theoretisch zeitloses Setting. Die neue Edition ist aber so gedacht, dass sie im Jetzt beheimatet ist. Der Schleier und die Strippenzieher und -zieherinnen im Hintergrund ermöglichen es, dass trotz aller Aufgeklärtheit, Technisierung und all der Möglichkeiten, Verschwörungen offenzulegen, nicht ausreichend nach außen dringt, dass die Menschheit wirklich begreifen könnte, was vor sich geht. Genau genommen macht die Globalisierung die Verblendung der Menschen sogar noch ein wenig einfacher, denn jeder wichtige Politiker oder Politiker, jeder Influencer oder jede  Influencerin, jeder Fernsehsender und jedes Nachrichtenblatt wird von den Wesen hinter dem Schleier dirigiert, gelenkt oder ausgenutzt. Was die aktuelle Fassung von KULT kann, ist dieser Globalisierung der letzten Jahrzehnte adäquat entgegenzutreten und sie miteinzubeziehen.

Andreas (ZWO): Wie gesagt ist Divinity Lost bzw. Verlorene Göttlichkeit nicht das Ur-KULT. Es soll aber gewissermaßen die ultimative Edition sein. Die markanteste Änderung liegt wohl im Regelsystem. Statt ein klassisches System, ist die vierte Edition Powered by the Apocalypse (PbtA). Das Prinzip von PbtA habe ich anderswo näher erläutert, könnt ihr es uns trotzdem in wenigen Sätzen vorstellen? Was ist PbtA und wie wurde es für KULT angepasst?

Dustin: Die Geschichte steht im Fokus des Spielgeschehens und hat Regeln, die diese unterstützen. Es handelt sich um narrative, geradlinige Systeme. Handlungen der Spielenden werden als Spielzüge, im Englischen „Moves“ bezeichnet, auf die unter Umständen gewürfelt werden muss, um herauszufinden, ob sie einen Erfolg, einen Teilerfolg oder einen Misserfolg haben. Üblicherweise werden in PbtA 2W6 gewürfelt, in KULT 2W10. Darauf werden Modifikatoren addiert, die zu Beginn zwischen –2 und +3 liegen, und Stärken bzw. Schwächen des Charakters im Vergleich zu anderen Menschen darstellen. Wirft ein Spieler oder eine Spielerin in KULT ein Ergebnis von 15+ (2W10 + Modifikator), hat er oder sie einen vollen Erfolg und die Aktion gelingt. Bei einem Ergebnis zwischen 14 und 10 gelingt die Handlung, allerdings löst sie auch eine Komplikation aus oder gelingt nur zum Teil. Bei einem Wurfergebnis darunter geht das Vorhaben in der Regel schief oder eine schlimme Konsequenz geht daraus hervor. Was passiert, steht in Tabellen, die den jeweiligen Eigenschaften und ihren Fertigkeiten zugeordnet sind, aus denen die Spielleitung lesen kann, was passiert. Diese sind sehr intuitiv und schnell zu begreifen, um das Spiel schnell zu halten. Viel mehr Regeln bräuchte KULT auch nicht. Um es interessanter zu gestalten, haben die Charaktere aber noch jeweils drei Vorteile, zwei Nachteile, ein dunkles Geheimnis und Story-Aufhänger – kleine eigene Ziele pro Charakter, die diese pro Session formulieren und umzusetzen versuchen.

Für Horrorrollenspiel können Charaktere auch manchmal ganz alltäglich sein

Andreas (ZWO): Mit dem Apocalypse-Spielsystem geht auch eine eigene Spielphilosophie einher. Wie beeinflusst der Systemwechsel denn eine Runde KULT? Was macht PbtA möglich, das die vorherigen Editionen nicht leisten konnten?

Dustin: Die aktuelle Version von KULT ist schneller. Die Story ist und bleibt im Fokus. Der gesamte Regelapparat ist entschlackt, um eine hohe Dynamik zu ermöglichen und um dafür zu sorgen, dass die ausgebaute Immersion, die gerade im Horror sehr fragil sein kann, nicht bricht. Die Spieler und Spielerinnen würfeln nicht oft, aber wenn sie es tun, fiebern sie mit, denn ihre Entscheidungen verändern jedes Mal die Handlung maßgeblich. Das macht KULT zu einem Spiel für erfahrene Spielerinnen und Spieler. Da es aber ohnehin ein Spiel für Erwachsene ist, widerspricht sich das nicht. Denn ohne eine ausreichende Lebenserfahrung, wäre KULT auch kaum so düster, wie es sein soll.

Andreas (ZWO): Hat sich durch das neue System auch etwas daran geändert, wie ihr Abenteuer oder Kampagnen aufbereitet? Und lässt sich auch Material anderer Horrorrollenspiele verwenden?

Dustin: Eine schwierige Frage. Die Aufbereitung unterscheidet sich. Das großartige Artwork hat eine noch zentralere Bedeutung, um das Gefühl, das die Geschichten hervorrufen soll, greifbarer zu machen. Aber eine erfahrene Spielleitung wird trotzdem immer sagen, dass sie in der Lage ist, auch die alten Abenteuer und Kampagnen zu gebrauchen. Die Kräfte, die im Hintergrund zugange sind, sind schließlich auch uralt und ihre Mythen durch mehr Rezeptionsgeschichte gegangen, als die Menschen, die sie bespielen, kennen könnten. Alles, vom düsteren Märchen über den H.P.-Lovecraft- oder Stephen-King-Roman oder apokalyptische Vorstellungen vergangener Religionen kann bespielt werden und ist in KULT beheimatet. Man braucht sich bloß fremde Kulturgeschichten anzusehen und wird fündig für Inspirationen zu Todesgöttern und Menschenopferritualen. Da wird es nicht allzu schwierig sein, bereits auf Horror ausgelegte Abenteuerbände zu adaptieren.

KULT stellt unsere Fantasie gerne vor Herausforderungen

Andreas (ZWO): Euer Crowdfunding läuft noch bis zum 04. August. Was habe ich für Vorteile, wenn ich schon während der Kampagne mit einsteige? Wird es eine Retailversion geben und verpasse ich etwas, wenn ich bis zum regulären Verkauf warte?

Mario: Die Vorzüge bestehen in erster Linie in den Bonuszielen, die deutliche Vorteile gegenüber dem Kauf im Laden bieten und bereits jetzt sehr zahlreich sind. Die Kunstlederausgaben sind auf das Crowdfunding und wenige Vorbesteller und Vorbestellerinnen limitiert. Die regulären Hardcover-Ausgaben werden später auch im Handel erhältlich sein.

Andreas (ZWO): Bevor ich euch mit den besten Wünschen für die Kampagne verabschiede, interessiert mich noch, wie es mit KULT weitergehen wird. Plant ihr weitere Produkte oder wird es erst einmal bei den angekündigten Produkten bleiben?

Mario: Wir sind da offen. Wie es weitergeht, das entscheidet erstmal das Crowdfunding. Aber ich bin sehr zuversichtlich. Es läuft ja sehr gut. Und dann werden wir einen Blick nach Schweden werfen, was dort passiert, und uns umhören, was sich die Kundinnen und Kunden wünschen.

Andreas (ZWO): Danke für das informative Interview. Das klingt sehr vielversprechend. Dann bleibt mir wirklich nur noch, euch viel Erfolg zu wünschen!

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