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Jacqueline Mayerhofer - Our Mechanical Hearts

Von Menschen und Androiden

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Kategorie: Literatur

Als sich Julian eines durchschnittlichen Morgens von Freund, Mitbewohner und Computergenie Leon verabschiedet um seiner Arbeit als Mechaniker bei MelloDav nachzugehen, hätte er nicht gedacht, dass eine Rempelei sein Leben auf den Kopf stellen sollte …

Als sich Julian eines durchschnittlichen Morgens von Freund, Mitbewohner und Computergenie Leon verabschiedet um seiner Arbeit als Mechaniker bei MelloDav nachzugehen, hätte er nicht gedacht, dass eine Rempelei sein Leben auf den Kopf stellen sollte … 

Aus Kostengründen auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, hasst Julian die Anreise zur Arbeit fast mehr als die Arbeit selber. Durch seinen Overall direkt als Roborterfreund zu erkennen, ist er stetig Beleidigungen und körperlichen Attacken ausgesetzt. Als er von einem altertümlichen und überaus höflichen Roboter angerempelt wird und in eine Passantin stolpert, gerät er sprichwörtlich zwischen die Fronten. Das Robotermodell 1-NV-35 – liebevoll EnVau genannt – kann sich die Ungeschicktheit offenbar nicht verzeihen und folgt Julian bis in die Fabrik, um ein Gespräch zu erbitten. Das hat es in sich und zieht Julian in einen Strudel aus Verschwörungen und Heldenmut.

Cyberpunk zwischen Mensch und Maschine

Die ersten Kapitel versprechen dabei viel. Mayerhofer baut eine Cyberpunkkulisse auf, die sich nicht in Dreck und Gewalt suhlt, sondern den Konflikt zwischen Mensch und Maschine in den Mittelpunkt rückt. Dabei wirft sie schnell grundsätzliche Fragen auf. Welche Rolle hat der Mensch, wenn seine Arbeitskraft nicht mehr gebraucht wird? Wie reagiert eine Gesellschaft auf das erstarken künstlicher Intelligenzen? Mit Julian wird dabei ein besonders produktive Perspektive in den Mittelpunkt gerückt, da er sich stetig weigert, sich eindeutig zum Roboterfreund oder -feind machen zu lassen.

Handlung und Charakterzeichnung sind handwerklich gut umgesetzt und lassen das ohnehin recht kurze Buch zu einer ebenso kurzweiligen wie unterhaltsamen Erfahrung werden. Mayerhofers Stil ist immer gut nachvollziehbar, sympathisch reflektiert und irgendwie einfach sauber, was noch von einem außergewöhnlich guten Lektorat unterstützt wird. Allerdings geht damit auch ein recht konventioneller Ansatz einher. Insbesondere die Dialogverliebtheit lässt die Geschichte für mich etwas konstruiert wirken. Zu offen erläutern die Antagonist*innen ihre Pläne und lassen sich auf philosophische Diskussionen ein. Letztere sind allerdings ein wichtiges Element, um zum eigentlichen Kern zu kommen …

Das mechanische Herz 

Im Herzen geht es Mayerhofer nämlich um die Frage, was Menschen von Robotern, also menschliche von mechanischen Herzen unterscheidet. Damit widmet sie sich gewissermaßen der Königsklasse des Genres, haben sich doch auch Größen wie etwa Philip K. Dick solchen Fragen gewidmet. Kann sich das dünne blaue Büchlein mit solchen Größen messen?

Nun, leider nicht. Und das nicht nur, weil man kaum ein Werk mit den ganz Großen vergleichen kann, sondern weil die aufgeworfenen Fragen für mich nicht konsequent genug zu Ende gedacht wurden und zu wenig wirklich interessante Annahmen getroffen werden. 

Auch wenn man von einem phantastischen Werk keine Lösung einer ohnehin fast unlösbaren Frage erwarten kann, sondern nur interessante Gedankenimpulse, bleibt das phantastische Experiment für mich zu bodenständig.

Da wäre zuallererst die KI, die im Mittelpunkt des Ganzen steht. MelloDav ist eine mit Persönlichkeitsrechten ausgestattete KI, die als Leiterin eines gleichnamigen Konzerns autonom Androiden schaffen kann. Die Differenzen zwischen Robots erster und zweiter Stufe bleiben jedoch kaum ausgeleuchtet und auch die damit einhergehende Überflüssigkeit der Menschen kann mich in der Form wenig erschüttern.

Etatistismus und Rechenmaschinen

Und dann wäre da das recht zahme Verständnis von künstlicher Intelligenz. Künstliche Intelligenzen in Mechanical Hearts kalkulieren, berechnen, sind strikt rational. Damit ähneln sie klassischen, grundsätzlich verstehbaren Maschinen, während reale künstliche Intelligenzen bereits die menschliche Vorstellungskraft übersteigen. Deep Learning bildet eigene Gesetze, die Menschen nicht mehr nachvollziehen können und weniger in der von Mayerhofer immer wieder betonten Kausalität, als in Ähnlichkeit und Wahrscheinlichkeit "denken". Hier würde viel Potenzial liegen, dass durch die altbekannten Rechenmaschinen leider verspielt wird.

Eine originäre Überlegung liegt schließlich im Persönlichkeitsstatus. Wo andere Cyberpunkwelten von Konzernen dominiert sind, scheint Mayerhofers Deutschland des Jahres 2146 eine wohlfunktionierende Demokratie zu sein. So ist die größte Sorge der Protagonist*innen die finsteren Machenschaften an die immer wieder beschworene Regierung zu melden. Nur genug Beweise und "der Staat" wird es schon richten. Dieses etatistische Ethos wirkt nicht nur naiv, sondern auch wenig glaubwürdig. Das wir es zur Ausnahme mit einem handlungsfähigen Staat zu tun haben, der sich für Wahrheit interessiert, ist zwar eine durchaus originelle Pointe des Genres, spielt sich hier jedoch mit einer solchen Selbstverständlichkeit ab, dass sie sich einfach falsch anfühlt. Es bräuchte mehr Hintergrund, um nachvollziehbar zu machen, warum eine durch Roboterheere und den Konflikt zwischen an den Rand der Überflüssigkeit verdrängten Menschen und Robotern so radikal veränderte Gesellschaft, nicht zu anders gelagerten Herrschaftsformen geführt hat.

Oder um es anders zu sagen: Leider fehlt dem Weltenbau etwas Raum, um solche Fragen plausibel durchzuspielen.

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