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Interview Thomas Tom Finn

Weißer Schrecken - Das Ding aus dem Eis

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Kategorie: Literatur

Der Buchheim Verlag ist anders. Seine Bände sind meist hochwertige Sammlereditionen, der Inhalt eher für Feinschmecker denn für Mainstream-Schmökernde. Mit der neuesten Vorzugsausgabe des kleinen bibliophilen Unternehmens wird nicht nur der vor zehn Jahren erschienene Schauerroman Weißer Schrecken aus der Feder des Spieleveteranen Thomas Tom Finn im edlen kunstledernen Festeinband und schicken Schuber neu aufgelegt, nein, der Autor hat den Romaninhalt überdies in ein 24-seitiges Rollenspielabenteuer umgewandelt, das von einer Reihe rätselhafter Beileger begleitet wird. Leser können sich somit nicht nur von der spannenden Mystery-Story mitreißen lassen, sondern den Roman mit ein paar Freunden am eigenen Leib erfahren und durchspielen. Peter Sailer hat sich mit Tom getroffen, um diese Sonderedition, die Hintergründe und auch ihn selbst ein wenig zu beleuchten.

Zauberwelten: Beginnen wir bei Dir. Wie und wann bist Du selbst zum Schreiben gekommen?

Thomas Finn: Meine ersten schreiberischen Gehversuche begannen bereits in der siebten Klasse. Damals war ich großer John Sinclair-Fan. Ein Freund und ich hatten damals, von den Heftromanen inspiriert, coole Geisterjäger-Hörspiele produziert … also, was man als Siebtklässler so für cool hält. Denn diese liefen eigentlich immer auf wilde Schießereien auf Friedhöfen mit vielen Untoten hinaus. Etwa zur gleichen Zeit folgten auch erste handschriftlich verfasste Kurzgeschichten. Professioneller wurde es dann mit den Fantasy-Rollenspielen ab 1984 und vor allem unserem Rollenspiel-Fanmagazin Die Schriftrolle, das ich gute fünf Jahre lang mit einem Freund aus Bremerhaven herausgab. All das brachte mich dann zunehmend richtig zum Schreiben. Viele Jahre lang für professionelle Genremagazine und Fantasy-Rollenspielverlage, ab 2001 dann auch für etablierte Belletristik-Verlage und ab 2003 für Drehbuch und Theater. Letzteres ist aber seit einigen Jahren ins Hintertreffen geraten.

ZW: Welche Bedeutung hat das Erdenken und Niederschreiben von Geschichten für Dich?

Tom: Ich schreibe ganz klar, weil ich ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler bin. Ich will in erster Linie gut und spannend unterhalten. Das ist es, wozu ich geboren wurde und was mir innere Befriedigung verschafft. Klar, auch in meinen Werken blitzen gern mal Zeitgeist, Selbstreflektion oder Gesellschaftskritik auf, aber ich vergesse nie, dass ich in erster Linie Unterhaltungsautor bin. Und auch Unterhaltung darf ja einen gewissen Anspruch haben.

ZW: Wann fiel die Entscheidung, das Autorendasein zu Deinem Beruf zu machen?

Tom: Dieser Entschluss reifte über die Jahre. Eigentlich bin ich gelernter Werbekaufmann und Diplom-Volkswirt. Ursprünglich wollte ich im Marketing oder in der Werbung arbeiten. Tatsächlich haben mir die beiden Ausbildungen dann aber über die Jahre die Zeit verschafft, mir in der Zwischenzeit eine dritte Expertise anzueignen – nämlich die des Schriftstellers und Autors. Mir ist erst gegen Ende meines Studiums bewusst geworden, dass das alles weit mehr als nur ein intensives Hobby ist. Und dann gab es kein Zurück mehr. Alles andere hätte mich schlicht nicht glücklich gemacht. Interessanterweise hatte diese Entscheidung aber keine großen Änderungen meiner Arbeitsweise zur Folge. Ich war von jeher ein sehr strukturierter Mensch. Ich empfinde mich bis heute weniger als Künstler, sondern nicht zuletzt als Handwerker. Denn Schreiben ist auf weiten Strecken ein echtes Handwerk. Hart ist natürlich, dass Du in diesem Job quasi auf Knopfdruck kreativ sein musst. Außerdem ist die Schriftstellerei häufig ein ziemlich einsamer Job, der Dir üblicherweise keine finanziellen Höhenflüge erlaubt. Dafür genießt man in seinem Berufsleben ein Maß an Freiheit, von dem Andere nur träumen können.

ZW: Du hast, wie schon angerissen, mit Fantasy-Rollenspiel-Publikationen angefangen. Was hat Dich an dem Genre damals so begeistert, dass Du ganze Welten aus dem Boden stampfen wolltest?

Tom: Ich habe zahllose Publikationen für die fantastischen Rollenspielsysteme Das Schwarze Auge, H.P. Lovecrafts Cthulhu und Plüsch, Power & Plunder geschrieben und bin auch heute, da ich mir einen Namen als Romanautor gemacht habe, noch immer enthusiastischer Pen & Paper- und Live-Rollenspieler. Die damalige wie heutige Begeisterung für dieses Hobby rührt daher, dass ich spielerisch in der Lage bin, hautnah mit Freunden oder guten Bekannten in aufregende Geschichten einzutauchen. Kino im Kopf, sozusagen. Und das sind bei Weitem nicht nur eigene Welten, die ich aus dem Boden stampfe. Ich habe auch viel Spaß daran, in Welten wie die von Harry Potter, Supernatural, Mittelerde, John Sinclair und anderen Schöpfungen der Populärkultur einzutauchen, für die es zuweilen nicht mal eigene Spielsysteme gibt. Beruflich hat mich die intensive Beschäftigung mit den Fantasy-Rollenspielen alle wesentlichen dramaturgischen Kniffe gelehrt, die ich bei der Roman-, Drehbuch- oder Theaterstückeschreiberei benötige.

ZW: Wie ist Deine Beziehung zur Fantasy heute?

Tom: Ich spreche lieber von der Phantastik, da Fantasy als Begriff vor allem mit High Fantasy á la Der Herr der Ringe assoziiert wird. Hinzukommen aber auch Urban Fantasy, Science-Fiction und natürlich Horror und Mystery. Vor diesem Hintergrund muss ich feststellen, dass mich nach wie vor kein anderes Genre so begeistert. Ich empfinde die Phantastik als Ganzes schlicht aufregender als andere Genres wie etwa den Krimi. Krimis habe ich zwar auch schon geschrieben, aber wenn ich die Wahl habe, dann bevorzuge ich das weite Spektrum der Phantastik.

ZW: Weißer Schrecken war im Sommer 2010 Dein Debüt im Horror-, Mystery- oder Gruselgenre. Was hat Dich dazu bewegt, den Roman zu schreiben?

Tom: Für mich persönlich war dieses Genre damals gar nicht so neu, da ich schon immer ein starkes Faible für Horror- und Mysterystoffe hatte. Ich musste nur erst einmal die Gelegenheit bekommen, diese Leidenschaft in den Romanbereich zu übertragen. Tatsächlich basiert der Roman in Grundzügen auf einem Horror-Rollenspiel-Szenario, das ich einige Jahre zuvor entwickelt hatte. Der Stoff war von der Stimmung her – Eis, Kälte, Weihnachtszeit – so dicht und intensiv, dass ich schließlich auf die Idee kam, ihn in umgearbeiteter Romanform einem großen Belletristik-Verlag anzubieten. Herausgekommen ist Weißer Schrecken, der als Taschenbuch drei Auflagen erlebte – und dem bislang vier weitere Horror- beziehungsweise Mysteryromane folgten. Mein brandneuer sechster Roman dieses Genres wird übrigens im Frühjahr 2022 erscheinen.

ZW: Auf die Rollenspiel-Version von Weißer Schrecken kommen wir gleich noch zurück. Bleiben wir noch beim Inhalt. Eine zentrale Rolle im Roman spielt das im Alpenraum verbreitete Brauchtum der Percht. Dabei ziehen mit schaurigen Masken Verkleidete in lärmenden Umzügen, den Perchtenläufen, durch die Straßen, um die Dämonen des Winters auszutreiben. Wie bist Du auf diesen facettenreichen Kosmos aus Knecht Ruprecht, Nikolaus von Myra, Krampen, und wie sie alle heißen mögen, gekommen und was hat Dich daran so fasziniert, den ganzen Komplex so detailliert zu recherchieren und zu einer spannenden Geschichte zu verweben?

Tom: Die Initialzündung lieferte eine Horror-Rollenspiel-Veranstaltung namens Die Nacht im Jahr 2003 in Hamburg, die damals unter dem Motto Stille Nacht stand. Bei der Suche nach geeigneten Aufhängern für einen gruseligen Spielabend stieß ich auf den unheimlichen Begleiter des Nikolaus: Knecht Ruprecht! Als mir bei der Recherche klar wurde, dass hinter dieser Figur in Wahrheit ein alter keltischer Kinderfresser-Mythos steckt, war ich wie elektrisiert. Was mir eigentlich immer so geht, wenn ich das Gefühl habe, eine rare unverbrauchte Perle am literarischen Wegesrand zu finden. Der ganze Kosmos aus Perchtenbrauchtümern und religiösen Hintergründen hat sich mir als Norddeutschem dann erst nach und nach erschlossen. Da eine gute Recherche zu einem guten Roman einfach dazugehört, galt es dann, all das in der Romanversion kunstvoll in die Handlung einzubauen. Dadurch entsteht das schaurige Gefühl einer fiktiven Authentizität. Also dieses beunruhigende Gefühl von Oh mein Gott, das alles könnte wahr sein …

ZW: Was sind für Dich darüber hinaus die zentralen Elemente der Geschichte?

Tom: In dem Roman geht es um das uralte Wirken einer fürchterlichen Entität, die hinter den Legenden des Knecht Ruprechts beziehungsweise des Krampus steht, und dem sich eine Gruppe Jugendlicher in einem eingeschneiten bayrischen Bergdorf zur Weihnachtszeit entgegenstellt. Nicht nur Schnee und Kälte sind ihre Feinde, auch von den Erwachsenen ist keine Hilfe zu erwarten. Sie sind ganz allein auf sich gestellt, und es gibt kein Entrinnen.

ZW: Weißer Schrecken erscheint aktuell in einer auf 777 Exemplare limitierten und illustrierten Vorzugsedition im Hardcover. Der Buchheim-Verlag hat sich jedoch etwas ganz Besonderes einfallen lassen …

Tom: Richtig. Denn der luxuriösen Buchausgabe liegt ein eigens zu diesem Anlass von mir neu verfasstes 24-seitiges Horror-Supplement bei, das die Romanhandlung als Rollenspiel-Szenario aufbereitet. Also gewissermaßen: Back to the roots. Das ist bei Weitem nicht alles, denn über das Buch verstreut findet der Leser zahllose Einleger zu Funden, die die Romanfiguren machen: Zeitungsmeldungen, Buchseiten, Postkarten und sogar ein ganzes Ouija-Brett zur Geisterbeschwörung. Die wurden von uns so designt, dass sie sowohl zur Vertiefung der Romanhandlung als auch als Handouts für das Rollenspiel-Szenario Verwendung finden können. Ein echter Autorentraum!

Wer also auf mythologisch fundierte Schauergeschichten steht, der darf die Raunächte gerne im lauschigen Örtchen Perchtal verbringen und an der Seite der Zwillinge Miriam und Elke einen ominösen Leichenfund aufklären. Aber Obacht, der Weiße Schrecken hat ein paar Jahrtausende auf dem Buckel …

Dieser Artikel erschien erstmals in der Zauberwelten Herbst 2021. 

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