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Interne Kommunikation am Nordpol

Das 2. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Hinter dem zweiten Türchen unseres Adventskalenders verbirgt sich eine Kurzgeschichte aus der Feder von Nadine Kaiser über eine kleine, motivierende Nachricht, die nur bei einer zu leichten Panikattacken führt: Der Verfasserin.

„Liebe Weihnachtskolleginnen und -kollegen …“, begann Jesa ihre alljährliche E-Mail, die alle in Weihnachtsstadt auf „Die Zeit der Ankunft“ einstimmen sollte. 'Jedes Jahr schreibe ich dieselbe Litanei ... warum mache ich mir eigentlich die Mühe? Wo hab ich doch gleich die Rundmail vom letzten Mal gespeichert? An die erinnert sich niemand mehr, da ändere ich einfach ein paar Namen und das Datum und dann …'

Jesa hielt inne. Das kann sie doch nicht einfach machen. Oder doch? Es ratterte in ihrem Kopf. 'Wer liest denn noch wirklich die ellenlangen E-Mails der internen Kommunikation in diesem Laden? Zu Beginn der Weihnachtszeit hat sowieso jede Person einen übervollen Terminkalender. Auch wenn man das jetzt als Crunch-Time bezeichnet', dachte sie weiter. Sie könnte sich das Leben leichter machen – “work smart, not hard”.  

Sie löschte die einzige Zeile, die sie bereits getippt hatte, und schaute aus dem Fenster. In Weihnachtsstadt schneite es gerade massig flauschig anmutende Bilderbuch-Schneeflocken. Vereinzelt konnte sie bunte Lichtkegel von der Lichterkette auf der gegenüberliegenden Seite erkennen. „Schon eine wirklich besinnliche Zeit“, murmelte Jesa.  

„Hm?“, fragte ihr Kollege Marius, mit dem sie sich ein Büro teilte. Aber Jesa hörte ihn gar nicht, so sehr hatte sie sich schon in ihr selbstgeschaffenes Arbeitsmoraldilemma reingesteigert. 'Wenn das dem großen Roten auffällt, bin ich ganz schnell wieder in der Produktion.' War das die Motivation, die ihr helfen würde, diese E-Mail zu verfassen? Sie wusste es nicht.  

Jesa ging in sich. “Work smart, not hard” kam ihr wieder in den Sinn. 'Wieso eigentlich nicht?', beschloss sie und haute in die Tasten. Sie hatte eine Idee.

 

Betreff: Die Zeit der Ankunft 

Liebe alle, 

jedes Jahr um diese Zeit erhaltet ihr diese Motivations-E-Mail. Vielleicht lest ihr sie aufmerksam, vielleicht wandert sie ungelesen in den digitalen Papierkorb, wer weiß das schon? Verdenken kann ich euch das nicht, denn „Die Zeit der Ankunft“ steht bevor und wir sind alle mit Hochdruck dabei, dieses Weihnachtsfest wieder zum größten, schönsten und besinnlichsten aller Zeiten zu machen. Das bedeutet für uns aber auch, dass wir es gerade oft weder schön noch besinnlich haben, die Crunch-Time hat uns gepackt.  

Und daher wollte ich es mir heute einfach machen und diese E-Mail mit dem Inhalt des Vorjahres füllen. Doch mir wurde bewusst, dass ‘sich Zeit für sich und andere nehmen’ das Sinnbild der Weihnachtszeit ist. Das ist das, was wir hier in Weihnachtsstadt tun und es ist das, was wir lieben. Klar, die Zeiten ändern sich, alles wird digitaler und moderner – wir verändern uns. Daher möchte ich euch in dieser E-Mail in aller Kürze nur eine Sache mitgeben: Verliert euch nicht und denkt aneinander.  

Schneeflockige Grüße, 

Jesa 

Sie klickte auf „Senden“, blickte gebannt und gespannt auf ihren Posteingang. Vielleicht wäre eine langweilige, übliche Weihnachtsmail doch besser gewesen? Wahrscheinlich wäre sogar die kopierte Mail besser gewesen als ihre rührselige Offenheit gepaart mit einer klischeebehafteten Weihnachtsoffenbarung? Was hat sie sich nur dabei gedacht?  

Sie schaute über ihren Bildschirm zu Marius. Anhand seines ausdruckslosen Blickes und dem einzelnen, lustlosen Klicken der Maus, das sie hörte, schloss sie, dass Marius die Mail ungelesen gelöscht hatte. Immerhin einer. 

Dennoch spürte sie Panik in sich aufsteigen, deren Ursache ganz allein ihre unüberlegte E-Mail an alle im Unternehmen war. Nicht mal wirklich eloquent war ihr Text gewesen, sie ist doch sonst nicht so schludrig. Waren da sogar Fehler im Satzbau?  

„Vielleicht sollte ich professionelle Facebook-Kommentarschreiberin werden … falls das jemand bezahlt“, nuschelte Jesa in ihren hypothetischen Weihnachtsrauschebart, als sie aus dem Augenwinkel einen Schatten in der Bürotür wahrnimmt. Der große Rote. Mist. 

„Danke“, sagte der große Rote nur, ehe er Jesa zuzwinkert, und wieder seiner Wege ging.

 

Hier gehts zurück zum literarischen Adventskalender.

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