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Infidel

Haunted House trifft auf Alltagsrassismus

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Kategorie: Literatur

Infidel ist ein faszinierender Themenmix, der Xenophobie und Alltagsrassismus mit dem klassischen Horror-Motiv des Spukhauses zusammenbringt. Eine spannende Handlung, ein äußerst wandlungsfähiger Zeichnstil mit krassen Farben sowie ein zufriedenstellendes, hochwertiges Gesamtpaket erwartet die Lesenden. Die inzwischen abgeschlossene Comicreihe von Pornsak Pichetshote und Aaron Campbell ist eine intensive und gesellschaftskritische Lektüre mit kleineren Schwächen, die sich vor allem an waschechte Horrorfans richtet.

Gemeinsam mit ihrem Freund Tom und dessen Tochter Kris zieht die Muslimin Aisha zu Toms Mutter Leslie. Nachdem in Leslies Wohnhaus eine selbstgebaute Bombe explodierte, ist es insbesondere Aishas Anliegen, ihre Schwiegermutter psychisch zu unterstützen. Doch das gemeinsame Familienleben gestaltet sich schwierig: Zwar waren die Motive des arabischstämmigen Bombenattentäters unbekannt, dennoch sehen die verbleibenden Hausbewohner*innen und auch die Medien darin einen Akt des Terrorismus. Hinzu kommt, dass auch Leslie in der Vergangenheit immer wieder Fremdenhass und Islamfeindlichkeit durchscheinen ließ. Dennoch blickt Aisha voller Optimismus in ihre gemeinsame Zukunft … bis sie vermehrt von Albträumen heamp-img layout="responsive" height="1" width="1"esucht wird und schließlich gar monströse Gestalten im Haus entdeckt. In Momenten der Xenophobie werden diese bösartigen Dämonen mächtiger und schon bald sterben erneut Menschen im Haus.

Frischer Wind im Spukhausgenre

Seit Anbeginn der Schauergeschichte gibt es bereits das Motiv des Spukhauses – ob es nun das alte Gemäuer einer verlassenen Burg, ein idyllisches Familienhaus in einem gepflegten Vorort, oder wie im vorliegenden Comic ein heruntergekommenes Wohnhaus mitten in der Metropole ist. Solche Geschichten sind immer gesellschaftskritisch, betrachten sie doch anhand des klaustrophobischen Mikrokosmos des Hauses, welche Position ein Mensch innerhalb seines Sozialgefüges einnimmt. Das räumlich begrenzte Haus wird also zum greifbaren Handlungsort, in dem sich Aspekte wie Geschlechterrollen und Klassenkampf thematisieren lassen. Romane wie Shirley Jacksons Spuk in Hill House oder auch Stephen Kings Shining gelten als Paradebeispiele des Haunted-House-Genres. In vielerlei Hinsicht nutzt Infidel also wortwörtlich ein altbekanntes und altbewährtes Fundament für ein brandaktuelles Thema: Xenophobie.

In dieser Comicreihe ist der Fremdenhass selten eine extremistische Plattitüde; vielmehr sind es immer wieder vermeintlich kleine und alltägliche Bemerkungen, die das Grauen in Aishas Leben und im Wohnhaus an sich befeuern. Die Bewohnenden der verschiedenen Wohnungen sind eine exemplarische Abbildung der diskriminierenden Gesellschaft, mit der Aisha jeden Tag leben muss.

Die größte Stärke des Comics ist vermutlich dessen Flexibilität in der Erzählweise und im Zeichenstil. Inmitten der Geschichte wechselt die Erzählperspektive; das ist ungewöhnlich und wird sicherlich nicht allen Lesenden gefallen. Allerdings verdeutlicht diese Entscheidung, dass Fremdenfeindlichkeit eben alltäglich ist und viele Menschen in unserem Umfeld ständig betrifft.

Aaron Campbells Zeichenstil passt perfekt zur Handlung und Thematik des Comics. Er ist wandelbar und flexibel, schlägt völlig unerwartet von einem Panel zum nächsten eine neue Richtung ein und experimentiert stets mit Formaten und künstlerischen Traditionen. Infidel wechselt grafisch mühelos von abstrakten, verschwommenen Kindheitserinnerungen zu groteskem Body Horror mit Monstern, die buchstäblich den Rahmen der einzelnen Panels sprengen. Dadurch macht der Comic das oftmals explosive Potenzial vom Fremdenhass visuell deutlich und lässt die Charaktere zudem dreidimensional und komplex erscheinen.

Allerdings hat Infidel auch einige kleinere Schwächen. So wird das Thema der Xenophobie an manchen Stellen eben doch zu simpel und zu schnell abgehandelt. Auch kommt das Potenzial des Spukhauses etwas zu kurz. Die Lesenden erhalten beispielsweise recht wenig Einblick in den Lebensalltag innerhalb des Wohnhauses, wodurch das für das Haunted-House-Genre typische Gefühl des schleichenden, sich langsam steigernden Grauens nicht so recht zustande kommen will. Gerne hätte Infidel also ein paar Kapitel länger sein dürfen, um diese Themen umfassender zu erkunden.

Das Gesamtpaket

Zu der an sich schon überzeugenden Comicreihe liefert der Verlag Splitter ein umfassendes und aufregendes Gesamtpaket. Das fängt schon bei der hochwertigen Hardcover-Bindung und dem schicken Einband an – Infidel ist ein echter Eyecatcher im Regal. Hinzu kommt ein Vorwort der Schwarzen Autorin Tananarive Due und ein Nachwort von Comiczeichner Jeff Lemire; beide Texte verankern den Comic und dessen Thematik auf interessante Weise in der heutigen Kulturlandschaft. Auch enthält der Band eine extrem heterogene Covergalerie verschiedener Kunstschaffender. Damit jedoch nicht genug: Infidel macht den eigenen Entstehungsprozess transparent. Auf mehreren Seiten wird die Entstehung des Covers samt Bildbeispielen beschrieben. Außerdem enthält der Band den Pitch, mit dem die kreativen Köpfe hinter Infidel sich einst an den amerikanischen Comic-Verlag Image wandten: das Anschreiben an den Verlag, Konzeptzeichnungen einiger Charaktere und Monster sowie die Zusammenfassung der ursprünglich geplanten Handlung. Dass eine Comicreihe derart tiefen Einblick in ihren Werdegang bietet, ist äußerst selten – lohnt sich aber eindeutig, wie Infidel beweist.

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