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Im Bann der zertanzten Schuhe

Märchenhaftes Drama im modernen Gewand

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Kategorie: Literatur

Jonas ist Soldat. Fünf Jahre hat er gedient und zu viele Erinnerungen mitgenommen. Sophie ist Ballerina. Doch seit ihre Mutter gestorben ist, hat sie Angst vor der Bühne. Das Schicksal führt sie zusammen und konfrontiert sie mit der Wahrheit.

Nachdem er aus Afghanistan zurückgekehrt ist, versucht Jonas sich in der Welt zurechtzufinden. Um sich selbst zu beweisen, dass er kein Versager ist, nimmt er einen etwas fragwürdigen Job an, der ihn mit Sophie zusammenbringt. Im Gegensatz zu Jonas versucht diese, der Welt so oft es geht zu entfliehen. Durchtanzte Nächte in einem zwielichtigen Club, seltsame blaue Drinks und die bereits zertanzten Schuhe ihrer Mutter begleiten sie auf ihrer Flucht. Doch irgendwann müssen sich die beiden eingestehen, dass die Wege, die sie gewählt haben, sie nicht zu dem Ziel führen, das sie sich wünschen.

Die Eigenheiten der Realitätsflucht

Im Bann der zertanzten Schuhe hat mir mit jeder Seite besser gefallen. Obwohl ich zunächst verwirrt war, wo die Reise hingehen soll, nahm mich die Geschichte gleich gefangen. Besonders schön fand ich jedoch die weitreichende Symbolik, die von den zarten Darstellungen der Charaktere noch unterstrichen wird und dabei unterstützt, die Empfindungen und Ängste von Sophie und Jonas mitzufühlen. Die harte Realität von Jonas Kriegserfahrungen wird der zauberhaften Untergrundwelt, in die Sophie nächtlich flieht, gegenübergestellt. Dabei wird aber die Gegenwart der Beiden nicht als Welt abgetan, die es zu vermeiden gilt. Im Gegenteil zeigt die Autorin auf, dass auch jedes noch so schöne Märchenschloss eine zugige Ecke hat, in der es bitterkalt und unangenehm ist und man nach traumatischen Erlebnissen eine Chance auf ein „normales“ Leben hat.

Eine gelungene Märchenspinnerei

Ich muss gestehen, dass ich das Märchen um die zertanzten Schuhe vorher noch nicht kannte. Natürlich war ich aber neugierig, hab mir gleich meine Grimmsche Ausgabe der Kinder- und Hausmärchen geschnappt und war erstaunt, wie kurz die Geschichte eigentlich ist. Janna Ruth hat aus diesem doch eher leichtgewichtigen Konstrukt eine Geschichte gesponnen, die zwar um einiges länger und detaillierter ist, als man das von einem klassischen Märchen erwarten würde, aber trotzdem nichts von dessen Aufgaben oder Charme verloren hat. Held und Heldin stürzen tief, um sich neu zu erfinden und durch eine Metamorphose zu einem runden Abschluss zu kommen. Fantastische Elemente sind ebenso zu finden wie der böse Schurke und die Bedrohung, die erst zu einem Aufstieg nach dem Abstieg motiviert. Und neben den klassischen Elementen gibt es den feinfühligen Rahmen, der die schwergewichtigen Themen der Traumatisierung mitfühlend in eine zarte Geschichte einbettet und ihnen somit die Ernsthaftigkeit gibt, die sie bedürfen. Dadurch wird Im Bann der zertanzten Schuhe sogar zu mehr als einem Märchen.

Fazit

Neben Der Axolotlkönig ist Im Bann der zertanzten Schuhe mein Favorit der gelesenen Märchenspinnerei-Bücher. Ich mag es besonders, dass moderne Problematiken in den Geist der Märchen übertragen werden und sie damit ihre Aufgabe wieder erfüllen können: einen literarischen Rahmen zum theoretischen Mitfühlen schwieriger Situationen zu stellen. Es gibt kaum etwas an der Geschichte zu bemängeln. Ich ziehe lediglich unter dem Mantel „Meckern auf hohem Niveau“ einen halben Stern ab, weil manche Kapitel vielleicht etwas zu lang oder ausschweifend waren und ein, zwei Begegnungen vielleicht etwas zu „glücklich“ im passenden Moment anmuteten.

Dennoch, das Buch lädt selbst zu einer Flucht aus der grauen Alltagswelt ein, die manchmal etwas zu hart und unmenschlich zu sein scheint. Doch es vergisst nicht, uns am Ende daran zu erinnern, dass es sich jederzeit lohnt, in diese zurückzukehren und sich seiner Realität zu stellen, statt sich in den hübschen Reizen einer Scheinwelt zu verlieren.

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