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Hoch im Himmel … eine Hommage an die Oma

Das 15. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Unsere Redakteurin Ruka hatte eine gemeinsame Tradition mit ihrer Oma: Gelegentliches Jägermeisterschlürfen. Nachdem die Oma verstorben ist, trinkt Ruka zwar allein, aber immer "auf die Omma". Als Hommage hat sie zudem eine Geschichte darüber geschrieben, wie ihre Oma im Himmel diese Tradition fortsetzt - zum Leidwesen der Himmelsbewohner.

Flink krabbelte die ältere Dame über den dichten Watteteppich Richtung Cumulusplattform B-NO 42, um einen Blick auf den Nordpol werfen zu können. Leider hatte sie sich verspätet, weil sie beim Scheren der Schäfchenwolken assistiert hatte und musste sich wohl jetzt mit einem Platz in den hinteren Reihen zufriedengeben. War aber nicht schlimm. Immerhin war heute der 15. Dezember, in zweierlei Hinsicht kein besonderer Tag.

Denn zum einen war an diesem Tag … nix. So gar nix. Kein Feiertag, kein Gedenktag, kein Heiligentag, einfach nur nix. Und zum anderen wäre heute ihr Geburtstag gewesen. Also … wenn sie noch leben würde. Tat sie aber nicht. Sie war gestorben. Und die Gestorbenen feierten nicht Geburtstag. Wegen des Mangels an Geborenwerden, versteht sich.

Obwohl – oder besser gesagt, gerade weil – an diesem 15. Dezember also gar nix war – nicht mal mehr ihr Geburtstag – versammelten sich die Engel, himmlischen Seelchen und alle anderen arbeitslos gewordenen Himmelsbewohner auf einer besonders puffeligen Wolke zum Pufflig Viewing, um gemeinsam zu Erde zu schauen, wo die letzten Tage des alten Jahres und der Countdown bis zum Weihnachtsfest angezählt wurden. Besonders der Blick auf den Nordpol war immer wieder spannend und amüsant, denn dort verfielen langsam alle in Panik ob des nahenden Großevents.

Schelmisch grinsend ließ sich die ältere Dame auf einer Wolkenbank nieder und griff tief in ihre Gewandtasche, in der es leise gluckerte. Die Engelchen neben ihr blickten überrascht und neugierig zu ihr hinüber, und sie zwinkerte ihnen fröhlich zu.

„Seid ihr denn schon volljährig?“, fragte sie lächelnd.

„Also hör mal“, empörte sich einer der beiden Engel in tiefstem Chor-Bariton, „sehen wir aus wie pausbäckige Lümmel-Putten?“

„Nee, wirklich nicht“, lachte die Dame und förderte aus den Taschen ihres Himmelskleides eine dunkelgrüne Flasche zu Tage. „Dann werdet ihr doch sicherlich einen mit mir picheln, oder?“ Sie hielt die Flasche nach oben und schwenkte sie einladend von rechts nach links.

„Oh, oh“, machte einer der Engel und schaute unsicher zu dem anderen. „Alte Damen sind Profitessen im Picheln. Wenn wir nicht aufpassen, liegen wir noch vor der ersten Kaffeepause unter der nächsten Regenwolke.“

„Mach dich nicht lächerlich“, entgegnete der Bariton-Engel selbstbewusst. „Das ist doch nur eine alte Dame, die mit uns ein Likörchen schlürfen will. Was soll da denn bitte passieren?!“

Mit verzücktem Blick hatte die „alte Dame“ bereits ein paar Schnapsgläschen aus ihrem schier endlos fassbaren Himmelsgewand gezaubert und begann, diese mit der schärflich riechenden dunkelbraunen Flüssigkeit aus der Flasche zu befüllen.

„Wie Likörchen riecht das aber nicht“, verkündete der Angstengel mit gerümpfter Nase. „Eher wie frühes Verderben.“

„Wohl doch ne Panik-Putte und kein erwachsener Engel, hm?“, spottete sein Kumpane und ließ sich bereitwillig eins der Gläschen in die Hand drücken.

„Ach, ihr zwei“, grinste die Dame und hielt dem bedrüppelt dreinblickenden Engel ein weiteres Gläschen vor die Nase. „Nicht zanken. Jetzt wollen wir erstmal auf die Freundschaft trinken, nicht?“

Zögernd nahm die Panik-Putte das Pinnchen entgegen und blickte nervös zwischen den beiden anderen hin und her. „Wirklich?“

„Wirklich“, bestätigte die Dame, erhob das Glas, sprach „Prost!“ und kippte den Inhalt in einem Rutsch die Kehle hinunter.

Mister Bariton tat es ihr gleich und schaffte es sogar, keine Wimper zu verziehen, während kleine Rauchwölkchen aus seiner Nase traten. Um nicht alleinig Leidender zu sein, warf er seinem Freund einen giftigen Blick zu. Das tat Wirkung. Eingeschüchtert gab auch die Panik-Putte sich die Ehre und hustete nach erfolgreichem Schluck die Schärfe des Getränks auf die nächste Wolke.

„Großer Vater, was war das denn bitte?“

„Was? Ach das, das ist nur ein kleiner Kräuterlikör. Jägermeister, heißt der. Den hab ich immer mit meiner Enkelin getrunken, als ich noch gelebt hab. Aber … was haltet ihr von einem kleinen Trinkspiel?“

Deutlich verunsicherter als noch einen Jägermeister zuvor, schauten sich die beiden himmlischen Freunde an. Auf der einen Seite würden sie lieber ihre Zungen drei Kilometer über elektrisierte Gewitterwolken ziehen, als noch ein Gläschen der scharfen Flüssigkeit zu trinken; auf der anderen Seite wäre ihnen der Spott der gesamten himmlischen Heerscharen gewiss, wenn publik würde, dass sie vor einer alten Dame in die alkoholischen Knie gegangen waren. Es blieb ihnen also nichts anderes übrig, als die bittere Likörpille zu schlucken. Als ihnen ihre Ausweglosigkeit klar wurde, schien das nächste volle Pinnchen fast schon eine Erlösung zu sein, statt der Beginn eines bedeutungsvollen Tages.

„Also, jeder stellt eine Regel auf, zu der man trinken muss. Meine Regel ist die: Trinken, wann immer sich ein Wichtel im Geschenkband verheddert.“

„Große Güte, allein diese Regel macht uns doch schon zu himmlischen Alkoholikern!“, ächzte der Bariton-Engel, während der Angst-Engel vorsichtig am Glas schnupperte.

„Regeln sind Regeln“, zuckte die Dame grinsend mit den Schultern.

„Herrgott im Nebenhaus, also gut.“ Verärgert versuchte sich Mr. Bariton eine Regel auszudenken, die zu möglichst wenig Jägermeistern führte. Er kannte den Nordpol noch als völlig veraltete Institution, die sich schwer tat, moderner zu werden. Siegessicher verkündete er seine Regel: „Wir trinken, wann immer ein Wichtel eine E-Mail erhält.“

Verwirrt blickte er neben sich, wo sein Kumpel gerade einen Anfall akuter Schnappatmung bekam und langsam rot anlief. Fürsorglich kramte die alte Dame eine braune Papiertüte aus ihrem Kleid und hielt sie dem Atmenden vor den Mund.

„Schön da reinatmen, das wird gleich wieder“, tröstete sie die Panik-Putte und tätschelte ihr aufmunternd den Rücken.

„Was denn jetzt schon wieder?!“ Völlig genervt krallte sich der Bariton-Engel die Papiertüte und schüttelte seinen Kumpel zur Vernunft.

Ein wenig hechelte der Angesprochene zwar noch, aber wenigstens schien er wieder fähig zu sein, sich zu artikulieren: „Bist du irre?! Der Nordpol hat digitalisiert. Die schreiben über nix anderes mehr als über E-Mails!“

„WAS?! Wieso hat mir das keiner gesagt?“ Panik trat in die Augen des himmlischen Baritons.

„Weil du Dir ja zu schade bist, Dich mal über das Weltgeschehen zu informieren. Oder Dich mal mit Deinen Mitengeln zu unterhalten. Und wenn du es tust, dann immer nur so von oben herab. Da will Dir auch keiner mehr was erzählen!“

„Das stimmt doch gar nicht!“

„Und wie das stimmt. Das ist schon manchmal ganz schön verletzend.“

„Jetzt stell dich nicht so an und überleg Dir lieber selbst eine Regel, die uns nicht ins Schnaps-Koma treibt!“

Kichernd füllte die alte Dame derweil die Gläschen erneut.

„Gut. Gut, also … was gibt’s am Nordpol gar nicht?“

„Palmen.“

„Palmen?“

„Palmen!“

„Gut, also, für jede Palme, die wir sehen, müssen wir einen trinken. Okay?“

„Na klar“, freuten sich die beiden Leidensgenossen. Palmen wuchsen in heißen Gebieten, nicht am Nordpol. Wenigstens auf der Seite waren sie sicher.

„Also dann, meine Lieben. Gläser in die Hand, es geht los.“

Gemeinsam rutschten sie bis zum Rand des Wolkenlochs und blickten zum Nordpol. Dort sahen sie einen geschäftigen Wichtel, der gerade seinen PC anschaltete. „Pling“, verkündete das E-Mail-Programm den Eingang einer neuen Nachricht.

„Prost!“, verkündete die alte Dame.

„Prost“, verkündeten die Engel augenrollend.

Der Wichtel öffnete die Nachricht und die drei Spielenden beugten sich nach vorne, um besser lesen zu können. „Betreff: Lieferung für das Bethlehem-Theaterstück“.

Etwas regte sich in einer der hintersten Gehirnwindungen des ängstlichen Engels. Bethlehem … irgendwas war da doch gewesen. Etwas, was nicht gut für sie ausging. Etwas Gefährliches. Aber was? Den Gedanken verwerfend blickte er wieder durch das Guckloch nach unten. Da erhob sich der Wichtel gerade, um aus dem Fenster seines Büros in die Halle zu blicken, in der laute Stimmen wild durcheinander riefen. „Pling“, machte das E-Mail-Programm.

„Prost“, machte die Oma.

„Prost“, machten die Engel verärgert.

Der Wichtel löste sich vom Fenster und beugte sich zur Maus, um die Nachricht zu öffnen. Wieder blickten sie gespannt auf die Nachricht: „Betreff: Probleme in der Geschenkbandabteilung“.

„Oh, oh“, murmelte die Panik-Putte.

Der Wichtel fuhr mit dem Finger über die Zeilen, während er sie las: „In unserer Abteilung ist es heute wieder zu Problemen mit der Bandabwicklung gekommen. Leider können aus diesem Grund erhebliche Verzögerungen in der Produktion auftreten. Wir bitten alle Wichtel, zur Unterstützung in die Geschenke-Einpack-Abteilung.“

Auch dem älteren Engel schwante nun übles. Gemeinsam beobachteten sie, wie der Wichtel seine Jacke schnappte und Richtung Ausgang lief. „Pling“, ertönte es aus dem Computer.

„Prost“, ertönte es aus der alten Dame.

„Prost“, ertönte es zähneknirschend aus den Engeln.

Während die Dame mit Gläschen und Flasche herumfuhrwerkte, wandten sich die nun leicht schwankenden Engel dem Wichtel auf Erden zu. Der öffnete gerade die neue E-Mail mit dem Betreff „RE: Lieferung für das Bethlehem-Theaterstück“. Doch bevor Wichtel, Engel oder Oma einen Blick auf den Inhalt der E-Mail werfen konnten, schwenkte der Blick des Wichtels und das Wolkenguckloch Richtung Lagerhalle, die man durch das Bürofenster schon erahnen konnte. Eilig rannte der Wichtel zur Tür, die er mit einem entschlossenen Ruck öffnete. Höllischer Lärm dröhnte durch Tür und Guckloch in die Ohren der Anwesenden. Panisches Geschrei, schmerzvolles Stöhnen und ein seltsames Rascheln waren zu vernehmen, bevor der Wichtel die Treppe hinunter in die Produktionshalle hetzte. Dort war das völlige Chaos ausgebrochen. Produktionswichtel liefen schreiend umher, zeigten in sämtliche Richtungen und versuchten, zu den Ausgängen zu gelangen. Auf dem Weg nach unten schnappte sich der Büro-Wichtel einen der Umherirrenden, langte ihm ein, zwei Feigen ins Gesicht und blickte ihm tief in die Augen: „Was ist hier los?“ Der Festgehaltene, der sich erstmal verwirrt den Feigenmatsch aus der Nase bohrte, blickte den Büro-Wichtel an, deutete nur auf die hinterste Tür, die zur Geschenke-Einpack-Abteilung führte, und riss sich los, um dem drohenden Chaos endgültig zu entkommen. „PLING“, dröhnte es aus der Tasche des Büro-Wichtels, der daraufhin sein Diensthandy herauszog.

„Prost!“, dröhnte es aus der Oma.

„Dein Ernst?“, dröhnte es aus dem bereits leicht angegaukelten Bariton-Engel, woraufhin die alte Dame ihm einen bösen Blick zuwarf. „Schuldigung … Prost!“, erwiderte der daraufhin kleinlaut und leerte das Gläschen.

Auf der Erde schritt der Büro-Wichtel entschlossen Richtung Hallentür, die von mehreren Produktionswichteln zugehalten wurde. „Hinfort!“, wischte er Gegenargumente und standhafte Wichtel in einem Rutsch von der Tür weg und öffnete diese. Das Erste, was er sah, war eine riesige Rolle Geschenkband, die durch die Halle rollte. Zwischen ihren Bändern konnte man noch die Arme und Beine eines Wichtels erkennen, der gemeinsam mit ihr am Büro-Wichtel vorbeirollte.

„Prost!“, rollte es fröhlich aus Omas Kehle.

„Proscht!“, rollte es lallend über die Engelszungen.

Ein weiterer Wichtel mit Klemmbrett und Hornbrille eilte zum Büro-Wichtel, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Während der Assistenzwichtel zügig Wortschlangen in das Ohr seines Vorgesetzten entließ, erklang ein leises „Pling“ aus dessen Tasche.

„Prost!“, erklang es aus der Oma.

„Broscht!“, erklang es aus den angetrunkenen Himmelswesen.

Mit einem Seitenblick las der Büro-Wichtel die Pushbenachrichtigung seines Handys: „Betreff: RE:RE:RE: Lieferung für das Bethlehem-Theaterstück“. Anscheinend konnte das warten, denn das Handy verschwand wieder in der Jacke. Gemeinsam gingen die beiden einzig nicht-panischen Wichtel weiter in die Produktionshalle der Geschenke-Einpack-Abteilung, in der sich ein lautes Summen und Brummen zwischen die angsterfüllten Rufe mischte. In der hinteren Hälfte der Halle, gerade dort, wo die Geschenkbandrollen abgerollt wurden, hatte sich eine große Wichteltraube versammelt. Ein kleiner Teil der Wichtelgruppe löste sich jedoch von der anderen und trug einen völlig in Schleifen verschwundenen Wichtel aus der Menge, von dem eigentlich nur noch die Nase und vielleicht ein Bein zu erkennen war. Durch die entstandene Lücke erhaschten sie einen Blick auf eine riesige Maschine, aus der noch die letzten Reste des Geschenkbandes herauslugten. Einige besonders starke Wichtel und Wichtelinnen hielten das Ende des Geschenkbandes fest und versuchten krampfhaft, es weiter herauszuziehen. Mit vereinten Kräften schafften sie es, der Maschine ein weiteres Stück Band zu entlocken. In diesem hing ein orientierungsloser Wichtel, den die Kollegen schnell herausschnitten und an den Rand der Halle schleppten.

„Doppel-Prost!“, schmetterte die Dame.

„Br … Pr … Broschttbroscht!“, stotterten die Engel, deren Nasen langsam eine Farbe annahmen, die selbst Rudolph, dem Rentier, Konkurrenz machte.

Auf Erden eilte der Büro-Wichtel zu einem großen, roten Knopf, auf dem in riesigen Lettern das Wort "Not-Stop" zu lesen war. Mit einer endgültigen Bewegung prügelte er auf den Knopf ein und sofort ließ das Summen und Brummen in der Halle nach. Mit klaren Armbewegungen wies er seine Kollegen und Kolleginnen an, das total verworrene Geschenkband, das sich wieder auf die große Rolle gewickelt hatte, langsam herauszuziehen. Aus dem Inneren der Rolle konnte man Stöhnen und Ächzen vernehmen. Gebannt horchten die alte Dame und die betrunkenen Engel auf die Gespräche der Wichtel.

„Wie viele?“, fragte der Vorgesetzte bedächtig.

„Ungefähr 13, fürchten wir“, erwiderte der Assistent.

„Wie lange sind sie schon da drin?“ Der Blick des Büro-Wichtels ging zur Geschenkbandrolle.

„Die ersten sind vor einer halben Stunde eingesaugt worden. Die letzten vielleicht vor fünf Minuten.“

„Gut, alle Kräfte auf die Rettung der Wichtel konzentrieren. Zieht sie langsam raus. Einen nach dem anderen.“

Die Mundwinkel der alten Dame glitten begeistert nach oben, während sich die beiden Engel verzweifelte Blicke zuwarfen.

„D … d … dreizehn?!“, würgte der Bariton-Engel hervor.

„Müschen wir wirglisch für jeden Eintschelnen dringen?“, ächzte die Panik-Putte.

„Natürlich! Jedes Seelchen zählt für sich“, bestätigte die Oma und zog eine weitere Flasche Jägermeister aus dem Gewand.

„Grosche Güte“, weinte Mr. Bariton.

„Wenigschtensch issses fascht vorbei“, versuchte sein Freund ihn zu trösten.

„Ach, ja?“, grinste die Oma, die gerade die Pinnchen füllte, und zeigte mit dem Kinn Richtung Guckloch.

Nach einem kurzen, aber sehr intensiv-ängstlichen Blick auf die alte Dame, wandten sich die beiden Engel erneut dem Treiben am Nordpol zu. Die ersten Wichtel, die aus dem Geschenkband befreit werden konnten, waren zwar noch etwas wacklig auf den Beinen, sahen aber glücklicherweise recht unversehrt aus. Der Chef-Wichtel klopfte ihnen anerkennend auf die Schultern. „Pling!“, quäkte es da aus seiner Tasche.

„Prost!“, quäkte die Oma enthusiastisch.

„Bidde nich … bruscht“, quäkten die Engel schluchzend.

Genervt zerrte der Vorgesetzte das Handy aus seiner Jacke und entsperrte den Bildschirm. Inzwischen waren bereits einige E-Mails zum Thema Bethlehem-Theaterstück eingegangen. Der Chef-Wichtel sprang direkt zur letzten und las: „Es tut uns leid, dass es aufgrund von logistischen Schwierigkeiten zu Verzögerungen in der Anlieferung gekommen ist. Daher freuen wir uns besonders, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass die Großlieferung der Palmen für ihr Bethlehem-Theaterstück in wenigen Minuten bei Ihnen eintrifft, und bitten Sie, uns die Lieferung persönlich zu quittieren.“

Ein Moment der Reglosigkeit trat ein, nur unterbrochen vom Schwanken der betrunkenen Himmelswesen. Eine kleine Träne stahl sich aus dem Augenwinkel des Bariton-Engels, der die Tragweite der eingegangenen E-Mail sogleich begriffen hatte. Die Panik-Putte ließ sich langsam auf die Wolke sinken und klopfte mit hängendem Kopf auf den wattigen Boden.

„Iiiiiichkannichmehr“, quittierte er geschlagen den Dienst.

Auch Mr. Bariton hob den Kopf ein letztes Mal und schaute die Dame bewundernd an: „Du hasch gewonn’n.“

Die alte Dame nickte lächelnd, schenkte sich noch ein Gläschen Jägermeister ein und dirigierte das Gucklock in eine andere Richtung, bis eine erwachsene Frau mit roten Haaren zu sehen war. Die hatte ebenfalls ein gefülltes Pinnchen in der Hand, das sie entschlossen zum Himmel hob. Mit nach oben gerichtetem Blick brüllte die Frau „Auf die Omma!“, zwinkerte und leerte das Glas. „Auf meine Enkelin“, erwiderte die Dame leise und gönnte sich ihr Getränk.

 

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