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Himmelscloud und Weihnachtssound

Das 10. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Türchen Nummer 10 unseres Kurzgeschichten-Adventskalenders ist aus der Feder von Nadine und beschäftigt sich nicht nur mit der Evolution von Musik-Speicher-Medien, sondern auch mit dem Geist der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht, wie sie sich in den starren Fängen der Weihnachtsbürokratie verhält.

Auch im Bereich der Weihnachtsmusik macht der Fortschritt nicht Halt vor Weihnachten. Brellin ist gerade dabei, viele Stapel verstaubter CDs mit der Excel-Inventur-Liste abzugleichen. “So ganz von gestern sind wir ja nun auch nicht … “, murmelt der Musik-Wichtel, während er die CD-Hüllen von Rolfi Zuckerstangi pustend vom Dreck der Zeit befreit. 

Damit hat er nicht ganz unrecht, die Schallplatten und Kassetten, auf denen früher die Weihnachtsmusik gespeichert war, die sind längst im Museum der vergangenen Weihnacht ausgestellt. Und dieses Jahr geht es den CDs endgültig an den Kragen.  

Brellin wird mit jeder CD, die er in die Hand nimmt, schwerer ums Herz. Er hat sich lange dagegen gesperrt, die letzte Bastion der anfassbaren Weihnachtsmusik aufzugeben, also die CDs. Aber nachdem die MP3-Player – pardon, der eine MP3-Player mit einer stattlichen Anzahl externer Festplatten – schon vor einigen Jahren auf der Liste fürs Museum gelandet ist, muss die CD-Sammlung ebenso weichen und ihren Platz in den Vitrinen einnehmen. Dass der MP3-Player schon vor den CDs dort gelandet ist, hat einen ganz einfachen Grund: Die Inventarisierung war hier viel schneller gemacht als bei den tausenden von CDs, durch die sich Brellin nun arbeiten muss. Nummerierte Festplatten, bei denen man nicht reinschauen muss, ob die CD auch drinnen liegt – oder die falsche – war an einem Vormittag erledigt.  

Jetzt sitzt Brellin schon über eine Woche an der Inventarisierung der CD-Sammlung, das Ende ist zum Greifen nah, doch so richtig freuen kann sich der Wichtel dennoch nicht. Zu sehr liebt er seine guten, alten, zuverlässigen, mit Spucke wieder zum Laufen gebrachten CDs. Ein Malheur mit einem Glas Wasser ist hier kein Totalausfall, schnell alles trockenlegen und mit Pech ist nur das CD-Inlay ein bisschen wellig, falls es überhaupt etwas abbekommen hat.  

Brellin, obwohl er so sehr an seinen Schätzen hängt, sieht natürlich die vielen neuen Möglichkeiten, die Musik aus der Cloud mit sich bringt. Streaming ist schließlich die neue Art, auch Weihnachtsmusik zu konsumieren. Er selbst hat schon mit dieser Technik gespielt und einige Playlists erstellt, und nicht nur klassisch weihnachtliche. Die unendliche Welt der Cloud-Musik lässt ihn bei jedem Anwerfen des Computers immer wieder neue Lieder entdecken, und das findet er, zu seinem eigenen Bedauern, leider großartig.  

Das haptische Erlebnis und die optische Ästhetik verschwinden zwar, aber verschnürt und zugeschleift, die Auswahl und Möglichkeiten sind einfach bombastisch! 'Wie das dann wohl irgendwann im Museum der vergangenen Weihnacht ausgestellt werden wird?', sinniert er, als er die CDs von Michael Bubbel im Excel-Sheet abklickt und in einer Kiste verstaut.  

“Vielleicht macht man Screenshots von Playlists, die man dann ausdruckt und eine ganze Wand damit vollklebt?”, kichert er, während er Helena Frischers Weihnachtslieder-CD weglegt. So richtig um die Sammlung hatte sich die letzten Jahre niemand gekümmert, stellt er fest. Warum liegt Zuckerstangi, Rolf neben Bubbel, Michael und danach Frischer, Helene?  

“Musik folgt wohl eher der Leidenschaft als dem Alphabet”, witzelt Brellin, als er zum nächsten Stapel CDs greift und amüsiert lächelt. Ihm ist dabei bewusst, dass er der Hauptverantwortliche Wichtel für Musikangelegenheiten ist und diese “Ordnung” höchstwahrscheinlich selbst verbrochen hat. Die Wichtelkollegen und -kolleginnen hatten sicher irgendwann aufgegeben, einen Sinn in dieser “Sortierung” zu suchen und sind deswegen immer gleich zu ihm geeilt, wenn eine bestimmte Weihnachtsstimmung musikalisch unterlegt werden sollte.

Und als ob dieser Gedanke es Heraufbeschworen hätte, steht Banyan in der Tür. “Hey Brellin, ich bräuchte für unsere Büroweihnachtsparty ein bisschen Musik, du weißt schon, was ruhiges aber fetziges, das die Leute auflockert und in Stimmung bringt, die Versicherungsabteilung ist da ja eigen, wie du weißt.”  

Stille. 

Brellin schaut auf seine letzten Reste an CD-basierter Weihnachtsmusik und seufzt. “Ich schick dir gleich ‘ne Mail mit dem Link. Geh ruhig wieder, ich brauch ‘n paar Minuten, bis ich die richt’ge Playlist rausgesucht hab.”  

Er sieht, wie die Enttäuschung in den Augen des Wichtels aufsteigt und der Zauber, der die Weihnachtsmusik stets wie ein glitzerndes Band voller Schnuffelwölckchen umgibt, langsam zu schmutzigem Staub zerfällt. “Alles klar … danke … ich geh dann mal wieder rüber ... zur Party”, entgegnet der Abteilungsleiterwichtel, während er missmutig – ohne Musik in den Händen – die Musikabteilung verlässt. Da kommt Brellin eine Idee.  

Hastig, aber akkurat, klickt Brellin die letzten Stapel CDs in die Inventur-Excel-Liste, speichert, speichert noch mal – sicher ist sicher, das Ganze war schließlich viel Arbeit – schließt schnell, wenn auch sorgsam, die allerletzte Kiste fürs Museum der Vergangenen Weihnacht, beschriftet sie rasch, aber nicht ohne die gebührende Sorgfalt und den ein oder anderen Schnörkel am Buchstaben und macht sich sodann auf die Socken. Er hat eine neue Mission, um die zukünftige Weihnacht, also die in 14 Tagen wie auch in den kommenden Jahren, weiterhin mit musikalischer Magie und Kreativität zu füllen. “Und so ganz nebenbei”, denkt Brellin erfreut, “wird das auch irgendwann dem Museum zu Gute kommen.”  

So weit muss Brellin zum Glück nicht auf seinen Socken wandern, denn die Kreativ-Abteilungen der Weihnachtsstadt liegen alle nah zusammen. Mit vielen farbprächtigen Bastelkartonbögen, glitzernden Stickern und kunterbunten Filzmarkern kehrt er daher nur kurze Zeit später an seinen Schreibtisch zurück. Ohne die CD-Cases, die ihn stets in Massen umgeben haben, muss der Musikwichtel nicht einmal mehr seine Arbeitsfläche freiräumen, um mit der Arbeit zu beginnen.  Doch dieses Detail fällt Brellin gar nicht mehr auf, so sehr ist er bereits in sein neues Projekt und die neu entflammte Liebe zum Musik-Streaming vertieft.  

Geschwind und mit geschickter Hand fertigt, formt und gestaltet Brellin unzählige Karton-Kassetten und Karton-CDs und vereint damit die vergangene Weihnacht mit der gegenwärtigen Weihnacht, indem er jede Karton-Kassette und jede Karton-CD auf der Rückseite mit einem Playlist-Link versieht.  Die Kassette mit “Modern Christmas-Classics" bekommt sogar ein wenig Kiefernduftöl aufs Papier, während die CD “Indie-Weihnachten” noch ein extra schiefes Tannenbäumchen aufgemalt bekommt. Den CD-Hitmix “Ruhige Weihnachten” verziert Brellin hingegen nur mit wenigen Schneeflocken, dafür wird die Kassette mit “Weihnachten für Kinder” umso quietschbunter überladen, während er sich für die CD zu “Weihnachten Instrumental” daran versucht, eine Harfe mit 24 Saiten aufs Papier zu bringen.  

Brellin lächelt verschmitzt, als er kurze Zeit später zwinkernd einem Kollegen aus der Geschenkeverpackungsabteilung eine Karton-Kassette mit “Christmas-Pop” in die Hand geben kann. Dieser schaut zuerst sehr verwundert, doch zieht dann fröhlich von dannen. Brellin ist mehr als zufrieden mit seiner Idee.  

 

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