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Heroen – Das Rollenspiel um Mythen und Heldensagen

Frisches Rollenspielfutter mit Retro-Feeling

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Kategorie: Pen & Paper

Mit Heroen führt das Autorenpaar Markus und Sandra Gerwinski Rollenspielerinnen und Rollenspieler in eine klassische Sword-and-Sorcery-Fantasywelt. Zauberwelten-Online warf für euch einen Blick in das vielversprechende Basisbuch, das ein gewisses Retro-Feeling nicht verleugnen kann.

Heroen ist ein unabhängiges Fantasy Pen-and-Paper-System von Markus und Sandra Gerwinski. Die Abenteuer in Heroen spielen im fiktiven Kaiserreich Dragoma, das am Scheideweg zwischen Untergang und Erneuerung steht.
Der Wunsch, ein eigenes Spielsystem zu entwickeln, stand für Markus schon lange im Raum. Kein fertiges Pen-and-Paper-System konnte den Fantasy-Autor bisher komplett zufriedenstellen. Also begann er schon früh damit, sich eigene Regeln auszudenken. Diese wurden immer weiter zusammengetragen, bis aus der Sammlung ca. 2012 die Entwicklung eines kompletten Systems hervorging. Seine Frau Sandra unterstütze ihn dabei mit ihrer Expertise als Geschichtslehrerin. Im Sommer 2020 war es dann endlich soweit: Das vollständige Heroen Basisbuch wurde in Eigenregie als Print-on-Demand veröffentlicht. Mit dem Basisbuch sind alle Regeln abgedeckt. Ergänzungen sollen nur noch in Form von Abenteuern und Hintergrundbänden herauskommen.

Eine Welt – viele Wege

Die Spielwelt ist im Low-Fantasy-Bereich angesiedelt. Natürlich gibt es Magie und Fabelwesen, beides ist aber nicht alltäglich und ihr Vorkommen schwankt zwischen den einzelnen Ländern Dragomas. Dies erlaubt der Spielrunde, sich innerhalb von Heroen für ein bevorzugtes Phantastik-Level zu entscheiden. Für den Einstieg empfehlen die Autoren Salgour. Dieses am detailreichsten im Regelwerk beschriebene Land entspricht vom Flair Großbritannien in der Sagenwelt um König Artus. Aber auch weniger oder stärker mystifizierte Regionen und Länder finden eine kurze Beschreibung im Basisbuch. Der Vergleich mit bekannten Vorbildern wie dem mythischen Griechenland oder der Kultur der frühmittelalterlichen Wikinger und Sachsen bieten der Spielrunde dabei immer Orientierung. Insgesamt geben die Beschreibungen eine gute Grundlage, ohne die Möglichkeiten der Spielwelt in zu enge Bahnen zu lenken.
Eine Besonderheit bei Heroen ist, dass Nicht-Menschen Randerscheinungen sind. In Dragoma wurde alles nichtmenschliche in Reservate, den sogenannten Domänen, verfrachtet. Diese Gegenden werden jeweils von einem*r Magier*in kontrolliert. Jedes Wesen der Domäne ist außerhalb dieses Bereichs vogelfrei. Andersherum ist jeder, der die Domäne betritt, auf sich allein gestellt. Manche Domäne wurden von ihren Magier*innen aufgegeben und unterliegen keiner Kontrolle, andere werden von Ihren Aufseher*innen benutzt, um ihre Macht im Umland auszubauen, indem die Bewohner*innen der Domäne auf Raubzüge ausgeschickt werden. Dieses Konzept ergibt spannende Möglichkeiten für Abenteuer abseits der Pfade der bekannten Zivilisation.

Damit die Spielrunde direkt in die Welt Dragomas eintauchen kann, enthält das Basisbuch außerdem ein Einführungsabenteuer.

 

 

 

Heldinnen und Helden

Heroen ist, wie oben bereits erwähnt, klassisches Sword-and-Sorcery Pen and Paper im Low-Fantasy-Bereich. Daher stehen nur menschliche Charaktere zur Auswahl. Die Charaktererschaffung lässt den Spieler*innen aber ansonsten viele Freiheiten. Es gibt einige vorgeschlagene Archetypen, wie unterschiedliche Krieger, Schurken und magiebegabte Charaktere mit entsprechenden Startvoraussetzungen. Im Grunde können die Charaktere aber frei gestaltet werden. Die Autoren haben keine Schranken bei der Charaktererstellung eingebaut, sondern gehen davon aus, dass die Spieler*innen interessante und schlüssige Charaktere bauen. Die Charaktererschaffung soll laut den Autoren in unter einer halben Stunde möglich sein – sofern die Regeln verinnerlicht sind. Aufgrund der vielen Möglichkeiten dauert die erste Erschaffung inklusive Regelstudiums natürlich viel länger.
Hervorzuheben ist die Möglichkeit, bereits reifere Charaktere zu erstellen und nicht immer mit Jungspunden, die noch grün hinter den Ohren sind, ins Abenteuer aufzubrechen. Das ist gut für Spielrunden, die sich direkt an epische Geschichten wagen wollen oder wenn über die Dauer von längeren Kampagnen Spieler*innen die Gruppe verlassen und neue dazustoßen.

 

 

 

Können und Glück

In Heroen wird mit sechsseitigen Würfeln (W6) gespielt. Bei der Probe auf den Erfolg einer Handlung wird immer auf eine Fertigkeit gegen ein Attribut gewürfelt. Dabei nimmt der Spieler oder die Spielerin so viele W6 wie ihr Fertigkeitswert vorgibt und wirft diese gegen den Wert des Attributs. Hat er oder sie bei dem Wurf mindestens einen W6 mit einem Wurfergebnis gleich oder niedriger als den Wert des Attributs, so war die Handlung erfolgreich.

Je nach Schwierigkeit der Aufgabe kann die Situation jedoch mehr als einen Erfolg verlangen. Glückt der Wurf besonders gut, hat der Charakter gerade ein glückliches Händchen bewiesen.

Jeder W6, der eine 1 zeigt ist ein Erfolg und darf nachgewürfelt werden, wobei nachgewürfelte Einsen ebenfalls weitergewürfelt werden können. Damit ist es auch möglich, durch Glück Herausforderungen zu bestehen, die eigentlich unmöglich erscheinen, da mehr Erfolge benötigt werden als dem Helden oder der Heldin Fertigkeitswürfel zur Verfügung stehen. Das sind die Momenten wahren Heldentums.

 

 

Schwert und Magie 

Die Kampf- und Magieregeln sind traditionell die komplexesten Kapitel in Rollenspielregelwerken. Auch bei Heroen nehmen diese wichtigen Elemente des Fantasyspiels einen entsprechenden Raum ein.

 

Die Kampfregeln sind in zwei Abschnitte unterteilt. Die Schnellkampfregeln sind dafür gedacht, Kämpfe in ausgeglichenen Situationen abzuhandeln. Die Kontrahenten würfeln hierbei einfache vergleichende Kampfproben. Wer dabei mehr Erfolge hat, schlägt dem Gegner eine Wunde. Das eignet sich gerade für Einsteiger und zum schnellen Abhandeln unwichtiger Kämpfe. Damit zieht nicht jeder Prügelei in einer dunklen Gasse das Spielgeschehen an der falschen Stelle in die Länge.

Die erweiterten Kampfregeln bringen mehr Taktik in die Gefechte. So gibt es Regeln für unterschiedliche Waffengattungen, Ermüdung der Kämpfer, Druck im Kampf und Finesse. Auch Schlagabtausche unter besonderen Bedingungen, etwa ohne Sicht oder gegen fliegende Kreaturen sind dabei abgedeckt. Die Spielrunde kann sich von Situation zu Situation entscheiden, welche der erweiterten Kampfregeln angewandt werden sollen. So ist von einer kurz durchgereichten Backpfeife in der Taverne bis hin zu komplexen Endkämpfen im obersten Zimmer des Magierturms alles umsetzbar, ohne das Erste zu dehnen und das Andere zu leichtfertig abzuarbeiten.

 

 

Die Magieregeln sind noch etwas komplexer als die Kampfregeln. Magie wird in Heroen nicht durch Akademien gelehrt. Magische Fähigkeiten sind Naturtalente, die sich Magiekundige selber erschließen müssen. Daher bleibt es auch den Spielerinnen und Spielern überlassen, wie sie die Darstellung ihrer Zauber ausschmücken.

Ein Zauber kann auf zwei Arten gewirkt werden: sicher oder riskant. Ein sicher gewirkter Zauber gelingt immer. Jedoch belastet der Zauberwirkende damit sein Schicksal. Wird der Zauber riskant gewirkt, kann die Belastung durch das Schicksal gesenkt werden – mit der Gefahr, dass der Zauber misslingt. Häuft ein Charakter zu viele Schicksalspunkte an, ohne sie zwischenzeitlich abzubauen, riskiert er oder sie Schaden oder das Verlernen von Zaubern – bis hin zum Tod oder dem Verlust des kompletten Zauber-Repertoires.
Interessant ist, dass Magier auch auf Zauber, die sie nicht beherrschen, zurückgreifen können, wenn diese die dem Wirker bekannten Quellen der Macht angehören. Das das nicht mal so eben geht, dürfte klar sein.

 

Liverollenspielerfahrung

 

Das die Autoren von Heroen auch Liverollenspieler sind, merkt man daran, dass sie in ihrem System den Stopp-Befehl eingeführt haben. Im Liverollenspiel unterbricht man mit dem Ruf von "Stopp!" die aktuelle Handlung, weil die Situation gerade real zu bedrohlich wird. Das kann zum Beispiel sein, dass jemand vor einem Gegner zurückweicht und droht, eine Treppe hinunter zu fallen. "Stopp!" wird aber auch in Situationen verwendet, wenn es zu intensiv wird. Wird man zum Beispiel gefangen genommen und soll gefoltert werden, damit man Informationen preisgibt, kann die Situation, obwohl nur gespielt, psychisch sehr intensiv werden und reale Angstzustände auslösen. Ein "Stopp!" bricht die Spielsituation ab, das Licht geht an und Opfer und Folterer trinken einen Tee und alle beruhigen sich.

Im Pen and Paper besteht die Gefahr einer körperlichen Verletzung im Grunde nicht – umgeworfene Tassen durch wildes Gestikulieren einmal außen vor. Intensive Spielsituationen können aber bestimmte Trigger provozieren, die eine Situation schnell kippen lassen. Ein allgemein gültiges Safe-Word zum sofortigen Abbruch einer Spielsituation bietet an der Stelle eine gute Möglichkeit zur Vorbeugung. Unabhängig vom System ist es sicher nicht verkehrt, sich in der Spielgruppe auf so etwas zu einigen.

 

 

Ein bisschen Kritik

Zwei Sachen gefallen mir persönlich nicht so gut an Heroen: Zum einen, die akademisch anmutenden Querverweise und Abkürzungen, auch wenn die meisten Spieler*innen die klaren Verweise wohl zu schätzen wissen werden. Mir persönlich nehmen nüchterne Abkürzungen wie "EW(Laufen):GW" für "Erfolgswurf Laufen gegen Gewandtheit" und Verweise wie "vgl. Anhang B.2 S 221" für den Abschnitt an dem Standardsituationen zur Ermittlung von Proben beschrieben werden, ein wenig den Spaß am Lesen. Das ist aber eine rein persönliche Geschmackssache.

Das andere ist, dass es in dem Heroen-Regelwerk keine klare Trennung von Spieler- und Spielleitung-Inhalten gibt. Die Unterteilung in einen Bereich mit allen Regeln, die für die Spieler wichtig sind, also etwa Charaktererschaffung, Fähigkeiten, grundlegende Regelmechanismen und eine allgemein gehaltene Einführung in den Hintergrund des Spieluniversums und einem Bereich mit allen zusätzlichen Informationen für die Spielleitung erleichtert meiner Erfahrung nach den Einstieg in eine Spielrunde enorm. Besonders Spieler*innenfreundlich wäre eine Unterteilung in zwei separate Bände. So könnte in einer Spielrunde einmal ein Spielleitungsband und mehrmals der Spielerband vorhanden sein. Gerade bei dem Preis von 60 € für das Heroen Basisbuch ist die finanzielle Hürde relativ hoch, sich das Regelwerk für eine Runde mehrmals zu beschaffen.
Eine regelfeste Spielleitung und die kostenlose Kurzregel-PDF können diesen Kritikpunkt aber wieder aushebeln.
Schön ist, dass die 400 Seiten von Heroen mit zahlreichen Beispielsituationen gefüllt sind. Einsteiger finden so einen guten Zugang zum Thema und jede Regel wird griffig. 

 

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