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Hard Boiled (Neue Edition)

Splatter-Klassiker im Luxusformat

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Kategorie: Literatur

Ob Versicherungsermittler oder Steuereintreiber: Unser ganz normaler Hauptcharakter scheint in Hard Boiled einigen Frust angesammelt zu haben. Kein Wunder, finden wir ihn doch blutverschmiert mit Glassplittern gespickt und drei Kugeln im Lauf vor einer graffitiübersäten Hauswand wieder. Nur Sekunden später wird er dann im sogenannten Lustzentrum von einem Auto durch eine Backsteinwand inmitten einer Sex-Orgie geschleudert, die im gleichen Moment in einer bildhaften Explosion untergeht. Ganz normaler Alltag im Comic-Klassiker von Autor Frank Miller, Zeichner Geof Darrow und Kolorist Dave Stewart ...

Normalität und Exzess

Über die Handlung von Hard Boiled sollte kaum etwas gesagt werden. Die ist nämlich bei genauer Betrachtung genauso dünn wie vage. In drei Teilen werden unterschiedliche Perspektiven auf unseren Hauptcharakter geworfen, der ein erstaunlich widerstandsfähiges und abwechslungsreiches Leben führt. Der Verweis „Frei nach einer Geschichte von Philip K. Dick“ verrät schon vieles, wenngleich die Tiefe des Vorbildes nicht im Ansatz gehalten wird. Hier werden eher Dick’sche Identitätsmotive und Verwirrspiele durchgespielt, als dessen philosophische oder auch nur narrative Tiefe umzusetzen. Kein Wunder also, dass der Verweis auf eine konkrete Geschichte ausbleibt, wenngleich wohl Die elektrische Ameise Pate gestanden haben soll. Abgesehen vom nicht ganz durchschnittlichen Durchschnittsmenschen, einer Retrozukunft und dem zentralen Handlungstwist bleibt nicht viel vom Sci-Fi-Klassiker übrig. Das ist aber auch gar nicht das Anliegen der Geschichte. Die kann uns zwar ab und an zum Nachdenken bringen, aber zuallererst will Hard Boiled ein Splatter-Bilderbuch sein.

Die Bilder des Comics blühen in jeder Hinsicht wie ein Exzess. Hier bleibt kein Stein auf dem anderen und kein Körperteil an seiner Position. Exzessive Gewalt, waffenstarrende Charaktere und abstoßende Splatterszenen gehören zum zentralen Stilmittel. Zelebrierte Blicke durch durchschossene Schädel, in Stacheldraht verfangene Charaktere, Verfolgungsjagden, bei denen Menschenmassen zur unbedeutenden Statistik werden – das Prinzip dürfte klar geworden sein ... Und auch außerhalb der Gewalt herrscht der pure Exzess. Geht es um Sex, finden entweder Orgien statt oder es handelt sich um lustlosen, unmotivierten Sex an der Straßenecke und auch Pornographie ist in der Welt an jeder Stelle zu finden.

Das ist ein bewusstes Stilmittel. Gezeichnet wird eine Welt der Dekadenz, die gleichzeitig aber auch durch Dreck und einer ins absurde verzerrten Konsum- und Individualitätskultur geprägt ist. Absurdeste Kleidungsstile, Markennamen als modische Tattoos, Hakenkreuze neben Peace-Zeichen oder benutztes Spritzbesteck neben Abendkleidern gehören hier zum allgegenwärtigen Bild. Das dient der Satire und Gesellschaftskritik, die auch heute nicht ganz überholt scheint. Wirklich tiefgehend ist eine solche Kritik aber nicht. Einen Supermarkt „Behemoth“ zu nennen und ein Nuklearzeichen als Logo zu geben, ist wie die Feuergefechte des Buches eher eine Kritik mit dem Holzhammer. Dafür wird dieser Holzhammer ebenso konsequent geschwungen wie die zahllosen Automatikwaffen des Comics. Die Motivik von Überfluss, Individualität und Beliebigkeit findet sich sogar im an Wimmelbilder erinnernden, überdetaillierten Zeichenstil selbst wieder. Wer auf solche Kritik keine Lust hat, dürfte dadurch wenigstens seine Freude an versteckten Gimmicks haben. Überall finden sich verfremdete popkulturelle Anspielungen. Bart Simpson als Chucky-Mörderpuppe, die Zigarettenmarke First Strike oder plump obszöne Buttfinger-Schokoriegel laden zum wiederholten Lesen und gelegentlichen Schmunzeln ein.

Comic-Kult

Die Lobpreisungen für den mit dem Eisner-Award ausgezeichneten wortkargen Comic der 90er sind zahlreich. Als satirisches Meisterwerk, Story mit Anleihen bei Science-Fiction-Urgestein Philip K. Dick, amerikanischer Negativ-Utopie oder einfach nur Splattermeisterwerk gerühmt, hat der Comic seine beständigen Liebhaber gewonnen. Allein das dürfte es für Comic-Fans attraktiv machen und ist mehr als ausreichender Anlass für die großformatige Neuauflage bei Cross-Cult. Nicht nur dank neuer Kolorierung ist Hard Boiled dabei gut gealtert, auch die popkulturellen Referenzen sind bis heute gut verständlich. Gerade die wimmelbildartigen Zeichnungen profitieren dabei merklich vom Großformat.

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