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H. P. Lovecraft: Das Gesamtwerk

Eine Prachtausgabe, die Horrorherzen höherschlagen lässt

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Kategorie: Literatur

H. P. Lovecraft – das ist ein Name, den man inzwischen auch über die Welt des Horrors hinaus kennt. Heute ist Lovecrafts "kosmischer Horror" beliebter denn je; gleich mehrere namhafte Verlage haben im Laufe der letzten Jahre Sammelbände publiziert, die diverse Erzählungen des US-amerikanischen Schriftstellers enthalten. Da stellt sich die Frage: Schon wieder eine neue Lovecraft-Sammlung? Klare Antwort: Ja! Der Schuber H. P. Lovecraft: Das Gesamtwerk ist ein Muss für bibliophile Sammler*innen, die großen Wert auf eine schicke Darbietung legen.

Gottgleiche Wesen, uralte Kulte, finstere Geheimnisse, schleichender Wahnsinn und die Realisation, dass wir Menschen lediglich machtlose Ameisen im großen Kosmos sind – dies sind (in groben Zügen) einige der zentralen Elemente Lovecrafts kosmischen Horrors. Zu Lebzeiten (*20.08.1890; †15.03.1937) veröffentlichte der Schriftsteller hauptsächlich in wenig angesehen Pulp-Magazinen (bspw.Weird Tales), hatte einen eher bescheidenen literarischen Erfolg und verdiente nur gering an seinen Publikationen. Heute gilt er dagegen als einer der wichtigsten westlichen Horror- und Sci-Fi-Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts, der das Subgenre "Weird Fiction" maßgeblich prägte. Selbst beeinflusst von Literaten wie Edgar Allan Poe, Arthur Machen, Lord Dunsany und vielen anderen, hatte Lovecrafts Werk großen Einfluss auf die Fiktionen zeitgenössischer Schriftsteller*innen wie Stephen King, Caitlín R. Kiernan, Neil Gaiman, China Miéville und Junji Ito, um nur einige zu nennen. Zu Lovecrafts bekanntesten Erzählungen gehören unter anderem "Der Ruf des Cthulhu", "Die Farbe aus dem All", Der Fall Charles Dexter Ward, Berge des Wahnsinns und "Der Schatten über Innsmouth". In der Popkultur wird Lovecrafts Schaffen leider allzu häufig auf Tentakeln reduziert – doch sein Horror hat mehr zu bieten als lediglich schleimige, vielarmige Monster wie Cthulhu und Yog-Sothoth. Bei Lovecraft geht es in erster Linie um eine makabre Atmosphäre der schleichenden, existentialistischen Angst. Höchste Zeit also, sich noch einmal genauer mit den Erzählungen zu befassen:Festas H. P. Lovecraft: Das Gesamtwerk macht’s möglich!

Die Aufmachung

Ganz klar: Bei diesem Schuber ist die Aufmachung das erste, worüber man bei einer Rezension sprechen muss. Wer diese Prachtausgabe kauft, tut dies nicht, um erst einmal in Lovecraft "reinzuschnuppern". Diese Sammlung richtet sich vielmehr eindeutig an Lovecraft-Fans und -Sammler*innen. Der von Timo Wuerz eindrucksvoll gestaltete Schuber enthält sechs Bände in typischer Festa-Lederoptik. Der Einband der jeweiligen Bücher zeigt stets das Porträt Lovecrafts, jedoch auf kreative Weise immer wieder neu verfremdet: In einen Umhang gewandt als Kultist; als von Tentakeln zerfressener Kopf; oder gar gesichtslos als kosmische Leere. Auch im Inneren der Bücher dürfen die Lesenden sich über die ein oder andere stimmungsgebende Illustration freuen. Optisch kann der Schuber also absolut überzeugen. Er sieht nicht nur schick im Regal aus, sondern wird visuell auch der Lovecraft-Thematik gerecht. Besonders erfreulich ist dabei, dass die Bücher nicht nur schick aussehen können, sondern auch sehr gut in der Hand liegen und einen angenehmen Umfang haben. Der Schuber ist also keineswegs eine Prachtausgabe, die "nur" für ein hübsches Bücherregal gedacht ist, sondern lädt auch tatsächlich zum Lesen ein.

Die Inhalte des Schubers

Als nächstes stellt sich die spannende Frage: Was steckt denn nun eigentlich drin im Schuber? Um es in Zahlen auszudrücken: Ein Schuber. Sechs Bücher. 102 Erzählungen. 2.945 Seiten. Das sind neben sämtlichen Erzählungen Lovecrafts auch dessen Fiktionen, die er gemeinsam mit, bzw. als Ghostwriter für Autor*innen wie Harry Houdini, Zealia Bishop, Henry S. Whitehead, Robert E. Howard, und weitere verfasst hat. Geballte Science-Fiction- und Horrorpower ist also garantiert. Die Texte sind chronologisch nach ihrem jeweiligen Entstehungsdatum sortiert.

Bei diesem beeindruckenden Umfang ist es vielleicht sinnvoller zu betrachten, was nicht in dem Schuber enthalten ist. Da es sich ausschließlich um eine Sammlung von Erzählungen (Kurzgeschichten und Kurzromane) handelt, enthält diese Publikation kein weiterführendes Hintergrundmaterial zu den einzelnen Texten oder Lovecraft selbst. Dies ist jedoch keineswegs ein Nachteil, sondern erlaubt vielmehr, voll und ganz in die schaurigen Texte einzutauchen. Jede andere Entscheidung hätte den Umfang des Schubers schlicht gesprengt.

Etwas schade ist allerdings, dass in diesem "Gesamtwerk" tatsächlich nur Lovecrafts Erzählungen enthalten sind, nicht aber seine Gedichte oder Essays. Zwar machen die Erzählungen sicherlich den zentralen Teil von Lovecrafts Veröffentlichungen aus. Es wäre jedoch insbesondere begrüßenswert gewesen, wenn der berühmte Essay "Supernatural Horror in Literature" ("Das übernatürliche Grauen in der Literatur") mit in die Sammlung aufgenommen worden wäre. Lovecraft legt in diesem Aufsatz seine eigene Philosophie des Horrors dar und liefert selbst somit einen spannenden Zugang zu seinen Erzählungen. Unabhängig davon, ob spezifisch dieser Essay im Schuber enthalten hätte sein sollen: Die Bezeichnung "Das Gesamtwerk" ist etwas irreführend, wofür es einen kleinen Punktabzug gibt.

Die Erzählungen

H. P. Lovecraft erschuf einen lose zusammenhängenden Kosmos, der nach seinem Tod von August Derleth als "Cthulhu-Mythos" getauft wurde. Zu diesem Mythos gehören neben Kreaturen wie Cthulhu und die Großen Alten auch das fiktive Buch Necronomicon. Bereits zu Lebzeiten lud Lovecraft befreundete Schriftsteller*innen immer wieder dazu ein, sich an seinen Geschöpfen und Kreationen zu bedienen. So legte er den Grundstein für eine Kosmologie, die auch heute in der Popkultur immer wieder Anwendung findet (bspw. in Filmen wie Tanz der Teufel oder gar The LEGO Movie, oder in Pen-&-Paper-Spielen wie Call of Cthulhu). Grundgedanke dieses Mythos’ ist, dass die Menschheit machtlos und unbedeutend ist im großen Kosmos. Wer Lovecraft liest, darf sich also auf eine durchgehend bedrückende Atmosphäre freuen.

Zu Lovecrafts Erzählungen gehört auch sein eigentümlicher Stil. Oft wurde und wird Lovecraft dafür kritisiert, seine Fiktionen in obskuren, inflationären Adjektiven wie "zyklopisch", "miasmatisch" und "wunderlich" ertränkt zu haben. Sind diese Begriffe an manchen Stellen entscheidend, um eine unheimliche Stimmung zu weben, lassen sie an anderen Passagen das Geschehen ins Lächerliche abrutschen. Der Stil mag Geschmackssache sein, ist letzten Endes aber ein Teil dessen, was Lovecraft ausmacht.

Die im Schuber enthaltenen Texte sind ungekürzte, sorgfältige Neuübersetzungen. Die Entscheidung, die Geschichten neu zu übersetzen, begründet der Festa Verlag damit, dass die in Deutschland lange Zeit gängigen Übersetzungen durch den Suhrkamp-Verlag in die Jahre gekommen und teilweise fehlerhaft seien. Die Festa-Übersetzungen sollen dagegen zeitgemäß und dennoch dem Original treu sein – eine schwere Aufgabe, wenn man bedenkt, dass Lovecrafts Stil seinerzeit bereits als altmodisch galt. Neben Anpassungen in den Formulierungen zählt zu dieser zeitgemäßen Übersetzung auch, dass Maßeinheiten auf den deutschen Sprachraum des 21. Jahrhunderts angepasst wurden. So sind beispielsweise die "Berge des Wahnsinns" aus dem gleichnamigen Roman nun nicht mehr 20.000 Fuß hoch, sondern 3.000 Meter. Die Entscheidung, auch solche Textelemente anzupassen, ist verständlich, aber dennoch schade: Sicherlich werden Lovecrafts Beschreibungen dadurch leichter nachvollziehbar; leider geht damit aber auch das Altmodische an Lovecrafts Stil ein Stück weit verloren. Schließlich war es typisch für dessen Texte, dass er nicht schrieb wie der junge Amerikaner zu Beginn des 20. Jahrhunderts der er eigentlich war, sondern wie ein in die Jahre gekommener Engländer des 19. Jahrhunderts.

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