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Der Gnom des Khediven

Ein schwarzromantischer Rohdiamant von Georg Woerer

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Kategorie: Literatur

Ägypten und Frankreich im 19. Jahrhundert: Der missgestaltete Hagg wird von der geheimen Loge des Orients gezwungen, Teilhabepapiere des neuen Suez-Kanals zu erpressen. Als Protagnoist ist der Gnom eine klassische Opferfigur, die nach Rache sinnt: „Wenn er schon der Menschheit keinen Dienst erweisen konnte, der von Liebe, Warmherzigkeit und guten Taten geprägt war, weil alle nur das Böse von ihm wollten, so musste er sich zum Wenigsten vor ihr schützen. Und die wirksamste Art, um diesen Vorsatz einzulösen, schien ihm, so viel von ihren Absichten zu kennen wie nur möglich".

Rache, Liebe und ein Gnom

Der Gnom des Khediven ist ein historischer Roman, dessen Originalität den sorgfältig recherchierten Details zu Lebensumständen und Ereignissen der Epoche zu verdanken ist, wie dem Bau des Suez-Kanals und der Uraufführung von Aida. Bereits im Mutterleib ist Hagg Opfer seiner Mitmenschen: Ärzte in Ägypten führen medizinische Experimente an seiner Mutter durch, die zum Stillstand seines Wachstums führen. Im Laufe seines Lebens nutzen Vormunde seine spektakulären Talente aus. Zunächst bedient man sich seines Gespürs für Pferde, insbesondere für Rennpferde. Danach unterweist man ihn in Chirurgie, was zu Experimenten an Ungeborenen führt. Dabei wird Hagg von seiner heimlichen Liebe zur Diplomatentochter Annabelle getrieben, die er mit seinen Reitkünsten gewinnen will.

„… zwang ihn, ihm die Hirnschale zu öffnen …“

Der Gnom Hagg ist ein Sonderling mit übermenschlichen Begabungen, ähnlich wie die Protagonisten in Schlafes Bruder von Robert Schneider (1996) und Das Parfum von Patrick Süskind (1985). Wie auch Süskind, bedient sich Woerer der überspitzten Beschreibung von grässlichen Verbrechen. Auch die Geburt von Hagg erinnert an die Geburt von Grenouille auf dem Fischmarkt und beide Geburten werden als ekelhafte Vorgänge präsentiert. Die minutiös beschriebenen Operationen am ungeborenen Leben mögen Liebhaber von Gore Literatur begrüßen, während andere sich davon abgestoßen fühlen könnten.

In regelmäßigen Abständen bedient sich der Autor dieses Themenkomplexes um Gebären und den durch den menschlichen Eingriff damit verbundenen Konsequenzen. Dabei werden die Mütter als passive Opfer gezeichnet, die sich entweder willenlos schwängern lassen oder an denen schaurige Operationen unbemerkt durchgeführt werden. Hier entfernt sich der Roman vom Historischen, um sich mittels märchenhafter Elemente der Tradition der Schwarzen Romantik anzunähern. Während die Schwarze Romantik als Literaturepoche im endenden 18. Jahrhundert auch das Morbide thematisierte, um sich schließlich zur Horrorliteratur zu entwickeln, gelingt es Woerer in seinem Roman weniger den Schauer zu erwecken als einen Ekel, der an die „Morgue“-Gedichte von Gottfried Benn erinnert (1912).

Der Roman ist größtenteils flüssig zu lesen. Die Wortwahl ist eingängig, wird aber mit arabischen und französischen Vokabeln aufgewertet, die die Hintergrundwelt lebendig wirken lassen. Wenn auch die Sprache eingängig ist, verliert sich der Leser teilweise in nicht weiter erklärten Begriffen oder einigen wenigen Passagen, die dann doch sperrig erscheinen.

Fazit

Der Roman entfaltet seine Stärken aus den sorgfältig beschriebenen Szenen, die den Alltag und die sonderbaren Momente einfangen, und aus dem gut gewählten historischen Hintergrund, der die Verhältnisse zwischen Ägypten und Frankreich originell nutzt. Die verbrecherische Laufbahn und der tragische Versuch auszubrechen, geben Stoff für Leser, die Freude am Sonderbaren und manchmal Abscheulichem haben. Mit dem Gnom des Khediven hat der Motte Verlag begonnen, den weit umfassenden literarischen Nachlass von Georg Woerer zu publizieren. Man darf auf folgende Publikationen des Verlages gespannt sein.

Hervorzuheben sind auf jeden Fall die kreativen Werbeaktionen: Neben einem siebeneinhalb minütigen Buch-Trailer finden auch Veranstaltungen wie die längste Leseschleife der Welt im Alternative fashionstore Bugs in München statt.

Der Gnom des Khediven: Historischer Roman
Georg Woerer
(Motte Verlag, 2014)
456 Seiten, Gebundene Ausgabe
ISBN: 3981645006
Webseite: Der Roman beim Motte Verlag

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