X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

Gen7

Ein Crossroads-Spiel

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Das Leben in einem Generationenraumschiff kann mitunter etwas eintönig sein. Um die schier unendliche Reisezeit effektiver zu gestalten, werden die künftigen Kolonisten zwischen ihren Schichten sogar in Schlafkammern eingefroren. Dazwischen gilt es, Arbeiten nach Plan zu vollführen, wobei ein hochintelligentes Computersystem die Verwaltung übernimmt.

Effektive, aber eintönige Arbeit ist für die siebte Generation natürlich nicht alles. Nicht nur, dass sie kurz vorm Ziel angekommen ist, auch stößt die Generation auf seltsame Entdeckungen und muss sich einigen nicht ganz so alltäglichen Entscheidungen stellen.

Standing at the Crossroads: Die Handlung

Gen7 zeichnet sich fraglos durch seinen starken Fokus auf das Erzählen einer Geschichte aus. Wir verkörpern Offiziere verschiedener Wohnbereiche dieser verflixten siebten Generation. Und wer hätte es anders erwartet? Es läuft nicht alles wie geplant. Computerprogramme spielen verrückt? Eine Gruppe von Verrätern ist an Bord? Niemand weiß es so genau und solchen Fragen – und natürlich einigen mehr – gilt es nachzuforschen, obwohl unser Arbeitsalltag allein anspruchsvoll genug sein kann.

Die Handlung wird durch ein sehr umfangreiches und übersichtlich gestaltetes Ringbuch gesteuert, das durch die einzelnen Missionen führt und uns mit interessanten Weggabelungen konfrontiert. Unsere teilweise äußerst spannenden Entscheidungen – Wem trauen wir? Sperren wir Zugangsberechtigungen etc.? – führen dabei regelmäßig zu gänzlich unterschiedlichen Teilaufgaben und Episoden. Allein neun unterschiedliche Enden verspricht das Spiel dafür. Die Handlung selbst ist nicht allzu ungewöhnlich, hält aber genug Überraschungen parat, um uns mitzunehmen, und ist darüber hinaus sehr gut geschrieben. Da kennt die Brettspiellandschaft leider deutlich lieblosere Umsetzungen und auch die deutschsprachige Übersetzung ist makellos gelungen.

Zusätzlich zu der schieren Anzahl an Missionen wurden zwei bewährte Konzepte miteinander verschränkt: Die hauseigene Crossroads-Mechanik und das Entwickeln einer Geschichte durch Legacy Elemente – also ein mitwachsendes Spiel.

Die Crossroads-Mechanik kennt man bereits aus Dead of Winter und ist ebenso simpel wie genial. Immer wenn wir – also der Offizier unseres Bereichs – etwas tun, prüft ein anderer Spieler, ob die Bedingung der obersten Schicksalskarte erfüllt ist. Sind wir gerade in der Robotik? Haben wir eine Besprechung? Befinden sich bestimmte Ressourcen im Vorrat? Trifft die Bedingung zu, erleben wir eine zur Handlung passende Kurzszene mit Regeleffekt oder persönlicher Entscheidung. Um diese Ereignisse dynamisch zu halten, werden einmal ausgelöste Karten aussortiert und der Stapel zwischen manchen Missionen mit neuen Karten aufgefüllt. Besonders spannend sind die Begegnungen zwischen uns und einem Kolonisten, zu dem wir eine besondere Beziehung haben. Hier entspinnt sich eine kleine Serie an Erlebnissen, die je nach Entscheidung einen anderen Ausgang nimmt und den Charakter ans Herz wachsen lässt. Damit das gut aufgeht, empfiehlt der Designer allerdings mittlerweile eine Hausregel.

Die Erweiterung des Schicksalskartenstapels ist nicht das einzige Legacy Element des Spiels. So dürfen wir regelmäßig Umschläge mit neuem Spielmaterial öffnen, das dann nicht nur neue Regeln, sondern auch neue Plan-Elemente auf den auch so schon vollen Spieltisch bringt. Hier blüht Gen7 auf, auch wenn die Integration neuer Regeln nicht ganz so passgenau gelingt wie in anderen Legacy-Spielen. Im Unterschied zu den meisten Titeln haben wir hierbei wirklich etwas Entscheidungsfreiheit und erleben eine einzigartige Geschichte, die zudem mehrmals spielbar ist.

Im Maschinenraum: Die Regeln

Neben den einzelnen Missionen will zuerst der Schiffsalltag gemeistert werden. Und der kann ganz schön knifflig werden. Grundlage ist ein Dice-Placement-System, also ein Würfelsetzmechanismus. Wir können die Kolonisten unserer Station (dargestellt durch sechsseitige Würfel) und uns selber (ein Achtseiter) platzieren, um Ressourcen zu sammeln, Vorteilskarten – Schemata und Dateien – zu sammeln sowie weitere Kolonisten oder einen zwölfseitigen Roboter zu aktivieren. Das funktioniert ohne große Überraschungen. Die unterschiedlichen Bereiche haben leicht abweichende Platzierungsregeln und geben ihre Ressourcen nach unterschiedlichen Verteilungsschlüsseln ab. Computerchips erlangt man am besten mit hohen Zahlen. Wollen wir Ersatzteile erstellen, sollten das hingegen erst einmal Kolonisten mit geringen Würfeln tun, da weitere Stationen nur von Arbeitern höherer Augenzahl besetzt werden dürfen. Das führt zu manchen Diskussionen, narrativ eingebunden ist das aber kaum. Wieso welche Regel wo greift, ist nur mit viel gutmütiger Interpretation narrativ plausibel.

Mit den so gewonnenen Ressourcen erledigen wir Aufträge. Dabei müssen wir zwischen privaten Zielen und offenen Aufträgen unterscheiden. Erstere bestehen meist daraus, Ressourcen zu einer bestimmten Station zu bringen, wofür wir mit Verdienstpunkten belohnt werden. Spannender, aber ebenso abstrakt, verlaufen die gemeinsamen Ziele. Auch da werden meist Ressourcen verteilt, wir müssen aber mehrere Würfelfelder nach bestimmten Regeln besetzen. So benötigen wir etwa eine Gesamtwürfelsumme, müssen aufsteigende Reihen bilden oder kleine und große Würfel kombinieren und Roboter können sogar mehrere Felder besetzen. Auch hier gibt es Verdienstpunkte, allerdings lohnt sich die Zusammenarbeit, da jeder beteiligte Wohnbereich von den Punkten profitiert.

Alle diese Ziele und Aufträge haben thematische Titel und sollen so Arbeiten auf dem Schiff repräsentieren, allerdings vergessen wir das im Angesicht von Würfeloptimierung fast sofort wieder. Dann müssen wir einfach x Ressourcen einer Sorte nach „Orange“ (das Recycling-Labor) bringen. Auch die Tatsache, dass wir geheime bzw. private Aufträge haben, ist letztlich fast egal. Verräter oder ernsthaft in Konflikt stehende Ziele haben wir zumindest in unserer Kampagne nicht erlebt. Im Endeffekt kann man die Ziele also auch einfach offen halten und diskutieren. Wenig thematisch laufen unsere Pläne letztlich darauf hinaus, Verdienstpunkte möglichst effektiv zu verteilen und Charaktere in den letzten Runden noch mit vereinten Kräften Beförderungen einzubringen, denn dann winken allzu notwendige Belohnungen in Form von Sonderfähigkeiten. Auch das dürfte eher weniger einem realistischen Prestigekampf entsprechen: „Mach das mal lieber, dann wirst du befördert.“ 

Wie schon durchscheinen dürfte, konnte der Regelkern des Spiels unsere Gruppe nicht abholen. Die einzelnen Aktionen fallen äußerst abstrakt aus und wollen nur mit Mühe und Not mit der spannenden Handlung zusammen passen. Wir freuen uns auf Zwischenszenen und Entscheidungen, das eigentliche Platzieren der Arbeiter ist dagegen stellenweise fast mühselig. Denn das Spiel hat die Tendenz zu überfordern. Es sind gut und gerne ein Dutzend Aufgaben im Spiel, die zusätzlich zu den Missionsaufgaben verwaltet werden wollen. Das macht zumindest einen Einstieg nach längerer Pause sehr schwer und lässt die Einsatzphase ab und an in echte Arbeit ausufern.

Im Lagerraum: Die Ausstattung

Das Cover von Gen7 erschlägt uns mit einer Vielzahl kleiner dramatischer Szenen und verspricht ein bildgewaltiges Spielerlebnis. Das Versprechen kann das Spiel durch seinen Fokus auf eine dramatische Geschichte durchaus halten. Tatsächlich erleben wir immer wieder dramatische und ab und an sogar bildgewaltige Szenen. Das Spielmaterial kann dieses Versprechen zumindest auf den ersten Blick jedoch nicht einlösen. In der Packung finden sich im Endeffekt nur Raumteile, einfarbige Würfel und zahllosen Karten. Dabei sind alle Komponenten hochwertig produziert, fallen aber weitgehend schlicht aus. Illustrationen gibt es fast nur im Spielbuch, auf unseren Wohnbereichtableaus und unseren besonderen Kontakten. Aufträge und Schicksalskarten sind im Endeffekt gut aufgeräumte Textblöcke. Das passt durchaus zum klinisch-sauberen Raumschiff-Thema und hält das Spiel übersichtlich. Der Immersion tut es hingegen nicht sonderlich gut.

Das Spielmaterial ist aufgeräumt und passt zum Setting, besonders stimmungsvoll ist es jedoch nicht.

Gen7 ist überhaupt hochwertig und durchdacht produziert. Das gilt beispielsweise auch für die Verwaltung des Legacy-Anteils. Kartentrenner erleichtern das Verwalten der Stapel, Umschläge lassen sich problemlos wiederverschließen und im Spiel werden Notizen gemacht, statt Sticker genutzt. So lässt sich Gen7 problemlos erneut spielen. Dafür bietet Gen7 zweifelsohne genug Material. Gruppen, die von Story und Setting gepackt wurden, können problemlos mehrere deutlich unterschiedliche Kampagnen spielen. Für den recht hoch angesetzten Preis ist das aber auch nötig. Vergleichbare Produkte kommen oft deutlich günstiger weg und können trotzdem mit Miniaturen und opulentem Artwork punkten. Da sich Preise ändern können und man sich Gen7 vielleicht mit der Spielgruppe teilt, ist das kein schlagendes Argument. Den angestrebten Kaufpreis rechtfertigt Gen7 aber nur, wenn das Spiel wirklich durchgespielt wird und das Interesse der Gruppe bedient.

Weitere Artikel: