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Die Flammende (Die Sieben Königreiche II)

Spannende Fantasy mit außergewöhnlicher Heldin

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Kategorie: Literatur

Wohlig-warm, spannend und vertraut – so fühlt es sich für mich an, Die Flammende von Kristin Cashore aufzuschlagen. Ich weiß nicht, wie oft ich es schon gelesen habe, aber es ist und bleibt einer meiner Comfort Reads: Bücher, zu denen ich greife, wenn mir alles andere, was auf meinem Nachttischstapel liegt, zu schwer, zu traurig oder zu sperrig vorkommt. Was nicht heißt, dass Die Flammende seichte oder oberflächliche Unterhaltung ist.

Jeder Mensch hat andere Comfort Reads. Für mich ist ein wichtiger Bestandteil, dass ich in eine andere Welt eintauchen darf – und wahrscheinlich auch, dass ich das Buch schon lange kenne. Dass es mich in meine staunende, Bücher gerade erst entdeckende Kindheit oder Jugend zurückversetzt. So wie die Geschichte von Fire, dem Mädchen mit dem flammenden Haar.

Wundersame Fantasy-Welt

Der Roman ist Teil einer Vierreihe von in sich geschlossenen Geschichten, die alle in derselben Fantasy-Welt spielen und absolut lesenswert sind: Der Tetralogie Die sieben Königreiche von Kristin Cashore. In diesem Band – der Flammenden, das ist Teil II – verschlägt es uns in die Dells. Die sind ein felsiges, karges Küstenland, das von den anderen Königreichen durch Gebirge getrennt wird. Das Besondere an den abgelegenen Dells ist nicht ihre Monarchie oder dass sie kurz vorm Krieg stehen. Das haben wir in vielen Fantasy-Romanen. Das Besondere an den Dells ist, dass es hier sogenannte Monster gibt: Lebewesen, die ihren natürlichen Gegenstücken ähnlich sehen, aber farbenprächtiger und blutrünstiger sind.

So bevölkern hier tödliche Greifvogelmonster mit bunt schimmernden Federn die Himmel, seidig leuchtende Berglöwenmonster bedrohen Wanderer*innen, und Haushalte werden von farbenfrohen Maus- und Rattenmonstern heamp-img layout="responsive" height="1" width="1"esucht. Tückisch an den Monstern ist, dass ihre Schönheit einem den Verstand raubt – wer ihnen begegnet, will sie besitzen, berühren oder zumindest angaffen, und in dem Moment schlagen sie zu. Diese Besonderheit verleiht dem Roman und seiner Welt eine unterschwellige Spannung und Bedrohung. Denn einfach spazieren gehen, und noch dazu unbewaffnet, das ist in den Dells lebensgefährlich.  

Ein Monster in Bedrängnis

Fire, die Protagonistin des Romans, ist seit dem Tod ihres Vaters das einzige menschliche Monster in den Dells. Sie lebt auf dem Landgut ihres Freundes Archer, der nicht nur ein hervorragender Bogenschütze, sondern auch ziemlich eifersüchtig ist. Das mag daran liegen, dass seiner Freundin ständig Gefahr droht: Fires wunderschöner Körper ist von Narben übersät, weil sie dauernd von irgendjemandem angegriffen wird. Nicht nur, weil Monster das Fleisch anderer Monster zum Fressen gern haben, oder weil Männer, die Fire nicht besitzen können, oft versuchen, sie umzubringen, sondern auch, weil Fires Vater, Cansrel, als manipulativ-sadistischer Monster-Berater des vorigen Königs die Dells beinahe in den Abgrund gestürzt hat.

Seine Fähigkeiten hat Fire geerbt – auch sie kann Stimmungen und die Aufrichtigkeit ihres Gegenübers erspüren und dessen Handlungen beeinflussen. Ihr Vater hat diese Gabe in seinem Amt schamlos missbraucht und sich damit selbstverständlich Feinde gemacht. Und obwohl die musikalisch begabte und selbstlose Fire ganz anders ist als ihr Monster-Vater, muss sie ständig auf der Hut sein. Wo sie auch hinkommt, schlägt ihr entweder Misstrauen oder übergroßes Begehren entgegen. Fire überlebt nur, solange sie Menschen- und Tiermassen aus dem Weg geht und ihr überwältigend schimmerndes Haar verbirgt. Auf ihre zahlreichen Feinde wirkt ihr Haar nämlich besonders betörend – es muss nur eine Strähne hervorblitzen, und schon werden andere Monster oder unliebsame Verehrer auf sie aufmerksam. Solang sie all das beherzigt, verläuft ihr Leben auf dem Landgut von Archer und seinem Vater, Lord Brocker, aber in halbwegs übersichtlichen Bahnen. Bis sie von einem merkwürdigen Bogenschützen angeschossen wird und dem jungen Oberbefehlshaber des Königs begegnet, Brigan. Er ist der Erste, dessen Gedanken sie nicht erspüren kann. Und er soll ihr Leben bald gehörig durcheinanderwirbeln.

Abseits der vertrauten Wege

Auf über 500 Seiten dürfen wir mitverfolgen, wie Fire das Landgut, auf dem sie aufgewachsen ist, verlässt, wie sie mutig Gefahren begegnet und neue Freundschaften schließt. Sie erkundet den königlichen Hof, wendet einen Krieg mit ab und verliebt sich. Und all das ist so bezaubernd und mitreißend zu lesen, dass man das Buch kaum zur Seite legen kann.

Kristin Cashore hat mit Die Flammende eine wundervolle Geschichte mit einer hinreißenden Heldin geschrieben, die einen weniger mit ihrem betörenden Monster-Sein für sich einnimmt (ich schwöre es, ich bin Herrin meiner selbst, während ich diese Zeilen schreibe), sondern vielmehr mit ihrer Art, damit umzugehen. Mit der ungewünschten Aufmerksamkeit von Männern und Frauen, die sie gar nicht kennt; mit dem ungefilterten Hass, den ihr die Menschen für die Vergehen ihres Vaters entgegenschleudern; mit der entnervenden Tatsache, dass sie ohne eine zwanzigköpfige Leibwache nirgendwo hingehen kann. Und all dies mischt sich mit einem dunklen Geheimnis in ihrer Vergangenheit und der tiefsitzenden Angst, sich zu öffnen.

Fantasy mit großen Gefühlen

Wie so oft in gelungener Fantasy-Literatur werden in Die Flammende tiefe und universell menschliche Erfahrungen thematisiert: Liebe und Eifersucht, Schmerz und Trauer. Und jedes Mal, dass ich es aus dem Regal ziehe, schenkt mir das Buch auf dieser Ebene ein anderes Erlebnis. Diesmal zog ich es für das einleitend geschilderte Gefühl von Wärme und Vertrautheit aus dem Regal, eben als Comfort Read. Von meinen heftigen Emotionen im Verlauf der Handlung wurde ich dann selbst überrascht (so sehr, dass ich es nach all den Jahren auch endlich rezensieren musste). Auch, weil es andere Emotionen als bei den ersten zwei, drei “Lesegängen” waren. Und weil es mir zeigt – und gute Bücher haben diese Fähigkeit – dass ich gewachsen und älter geworden bin, dass jetzt andere Themen obenauf liegen. Dass ich Aussagen, die die Figuren machen, anders und besser verstehe als bei den letzten Malen.

Fazit

Es geht in Die Flammende nicht nur um eine mit höfischen Intrigen gewürzte Liebesgeschichte oder um schillernde Monster-Wesen. Es geht um mehr, um Liebe und Verlust, und wie wir trotz der Tatsache, dass wir alle von Verlust bedroht sind oder ihn schon erlitten haben, den Mut finden, noch einmal aus vollem Herzen zu lieben. Wie wir uns öffnen, anstatt unsere Mitmenschen wegzustoßen (selbst, wenn sie und auch wir manchmal Monster sind). Wer Fantasy, Romance, tiefe Gefühle und – ganz besonders – inspirierende, starke Frauenfiguren mag, der wird an Die Flammende auch heute noch, bald 13 Jahre nach der Erstausgabe, viel Freude haben. Für mich ist es eins der Bücher, nach denen ich Abschiedsschmerz habe, tagelang; nach denen ich gar nicht bereit bin, mich einem neuen Buch zuzuwenden. Ich bin schon gespannt, was ich beim nächsten Mal mit Fire erleben werde.    

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