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Fernglas in die Zukunft

Seraph-Gewinner Joshua Tree über spannende Science Fiction 

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Kategorie: Interview Literatur

Der kreative Output von Joshua Tree ist beeindruckend. In nur etwa 5 Jahren kann er auf mehrere Science-Fiction-Reihen und zahlreiche Einzel-Romane zurückblicken. Das die Quantität nicht auf Kosten der Qualität geht, beweist der Gewinn des renommierten Seraph-Preises. Im Interview berichtet Joshua nicht nur von seiner speziellen Arbeitsweise und den Themen, die ihn bewegen, sondern auch von einer sehr außergewöhnlichen Biographie.

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Joshua, mit Singularity hast du den diesjährigen Seraph gewonnen. Dazu schon einmal herzlichen Glückwunsch! Wir werden noch später auf Singularity zurückkommen, vorher würde mich aber interessieren, wie du zum Schreiben kamst und was dir Phantastik bedeutet.

Joshua Tree: Hallo Andreas, vielen Dank für die Glückwünsche und deine Einladung! Zum Schreiben kam ich ursprünglich über einen Ratgeber im Bereich Psychologie/Kommunikation, den ich 2015 mit meinem Bruder bei Ullstein/Allegria herausgebracht habe. Dann gab es erst einmal eine Weltreise mit dem Motorrad und am Ende war trotz Auflösung des Hausstands und der Lebensversicherung kein Geld mehr da. Meine Frau und ich saßen damals in Kuala Lumpur und wollten nicht nach Deutschland zurück. Da stellte sich natürlich die Frage: Womit kann ich Geld verdienen und unabhängig bleiben (weiterreisen)? Die einzige Antwort war das Schreiben, denn das habe ich immer schon äußerst gerne gemacht und meiner Einschätzung nach auch gut genug, um es auf Leser und Leserinnen loszulassen. ;-) Allerdings dachte ich damals, dass Autorinnen und Autoren chronisch arm sind – ein Eindruck, der sich erst geändert hat, als ich mich mehr mit dem Selfpublishing beschäftigt habe. Zur Phantastik: Ich liebe, seit ich angefangen habe, selbst zu lesen (ab der Grundschule), Science Fiction und Fantasy und bin den Genres immer treu geblieben, weil sie die Tür zur Fantasie am weitesten von allen Literaturgenres aufstoßen und ich – Überraschung – ein sehr fantasievoller Mensch bin.

Andreas Giesbert (ZWO): Deine Werke decken viele Facetten der Phantastik von Fantasy bis Science Fiction ab. Letzterer widmest du einen Großteil deiner Arbeit. Was fasziniert dich so an der Science Fiction? 

Joshua Tree: Science Fiction besitzt für mich viele Überschneidungen mit der Fantasy. Beide bauen neue Welten und setzen auf das Unbekannte als zentrales Motiv. Bei der Fantasy gibt es Fabelwesen, bei der SF Aliens – um nur eine sehr deutliche Parallele zu ziehen. Der Unterschied besteht darin, dass ich in der Fantasy eine komplett neue Welt erschaffen kann, der im Prinzip keine Grenzen gesetzt sind, während ich beim Aufbau einer fiktiven Zukunft eine Basisrealität mit meinen Leserinnen und Lesern teile (die Gegenwart), von der aus wir gemeinsam starten. Wir einigen uns also auf einen Punkt A, an dem die Reise zu Punkt B (dem Einsetzen meiner Handlung) beginnt und die jeder selbst füllen muss. Ab da ist meiner Fantasie dann keine Grenze gesetzt, solange ich mich an die Regeln der Physik halte. Ich finde diesen Prozess sehr faszinierend. Wenn ich über neue Technologien sinniere – und ich tagträume äußerst viel –, dann frage ich mich immer, wie sie sich in Zukunft auf uns als Menschen und Gesellschaft auswirken werden. Ich sehe Science Fiction (besonders meine eigene) als Fernglas in die Zukunft mit den beiden Linsen Mahnung und Hoffnung. Wenn ich es geschafft habe, meine Leserinnen und Leser nachdenklich und vorsichtig im Umgang mit neuen Technologien und gleichzeitig der Hoffnung auf Chancen, die sie zweifellos bieten, zurückzulassen, dann habe ich mein Ziel erreicht.

Andreas Giesbert (ZWO): Offensichtlich geht es dir also darum, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Was sind denn die Themen, die dich besonders interessieren und deines Erachtens das größte Potenzial haben.

Joshua Tree: Die größten Zukunftsthemen, die uns schleunigst bewusst werden sollten, sind die Klimakatastrophe (“Klimawandel” ist ein euphemistischer Begriff der Industrie), der Vormarsch von KI und Robotik und auch der Biotechnologie, die das Potenzial hat, uns in eine Gesellschaft von verbesserten Übermenschen und überflüssigen Nichtsnutzern zu spalten, denen der “Homo Deus” enteilt wie wir den Schimpansen. Was eine solche Entwicklung bedeuten kann, habe ich versucht, in Singularity zu zeigen. Man muss sich nur einmal die Frage stellen, wie wir heute mit Schimpansen umgehen, die (sehr grob) den halben IQ von uns haben, aber 99 Prozent ihres Erbguts mit uns teilen und uns äußerlich sehr ähnlich sind. Mir wird da schummrig, schließlich pflegen und wertschätzen wir sie nicht. Unser Mitgefühl beschränkt sich auf feuchte Augen bei einer Jane-Goodall-Dokumentation und geht nicht so weit, dass wir die vielen Tierversuche an ihnen großflächig hinterfragen, oder dass sie massiv bejagt, in vielen Erdregionen gegessen oder als Haustiere gehalten werden. Ansonsten bewege ich mich häufig entlang möglicher zivilisatorischer Sollbruchstellen unserer Zukunft, von denen es so viele gibt, dass man schnell seinen ruhigen Nachtschlaf einbüßen kann: eine Bevölkerungsimplosion ab 2050, die Gefahr eines Kessler-Syndroms oder eines Carrington-Ereignisses, einer Pandemie oder eines “guten alten” Asteroideneinschlags, um nur sehr wenige zu nennen. Wir Schlafwandeln zu sehr mit Scheuklappen durch unser fragiles Ökosystem und sollten es besser schützen und gleichzeitig die Wunder des Augenblicks mehr genießen lernen.

Andreas Giesbert (ZWO): Ein Blick in die Zukunft hat immer auch das Problem, dass er schnell von realen Begebenheiten ein- oder überholt werden kann. Lässt du dich dennoch von Klassikern des Genres inspirieren und was sind Motive, die du auch heute noch spannend findest?

Joshua Tree: 2001 – Odyssee im Weltraum hat schon in den 1960er Jahren vor dem Advent starker künstlicher Intelligenz gewarnt und das ist heute so aktuell wie nie. Klassiker des Genres sind und bleiben die Eckpfeiler der Science Fiction – sie sind ja nicht ohne Grund Klassiker geworden; Meisterwerke der Literatur, weil sie lange aktuell bleiben und zeitlose Problematiken und Zustände des Menschseins in Worte kleiden. Spontan fallen mir die Motive der Relativität von Zeit ein (Der Ewige Krieg von Joe Haldeman), die unauslotbare Tiefe menschlichen Bewusstseins (Hyperion von Dan Simmons) und der Definitionskonflikt zwischen Intelligenz und Bewusstsein (2001 – Odyssee im Weltraum von Arthur C. Clarke).

Andreas Giesbert (ZWO): Ich würde gerne auf Singularity zu sprechen kommen. Kannst du uns das Buch in ein paar Sätzen schmackhaft machen? Worum geht es und welches Element findest du besonders wichtig?

Joshua Tree: Es geht, wie oben schon angedeutet, um die rasante Entwicklung von KI und Biotechnologie. Was ist, wenn wir durch Genverbesserungen und andere Eingriffe in unsere Körper nicht mehr an Altersschwäche sterben, aber dieser Schritt nur zahlungskräftigen Kunden offensteht? Was ist, wenn die meisten Arbeitsplätze durch Roboter besetzt werden, die effizienter arbeiten, 24 Stunden und ohne die Notwendigkeit von Licht, Wasser und Nahrung? Die keine Gewerkschaften gründen und nicht über Work-Life-Balance diskutieren? Was ist Menschlichkeit im Angesicht immer neuer Versprechen von perfekten virtuellen Welten, in denen es sich viel angenehmer lebt als in einem zunehmend sinnloser werdendem Dasein?

Andreas Giesbert (ZWO): Singularity wird als Science-Fiction-Thriller beworben. Wo liegt denn der Unterschied eines solchen Thrillers zu deinen anderen Science-Fiction-Büchern? Was macht einen Science Fiction Thriller zu einem Thriller?

Joshua Tree: Die meisten meiner Bücher sind Science-Fiction-Thriller, weil ich meinen (nahen) Zukunftsentwurf gerne mit Motiven der Spannungsliteratur fülle, also Verschwörungen und Geheimnissen und mutigen Protagonisten, die bereit sind Opfer zu bringen, um sie aufzudecken und damit der Menschheit Auswege zu eröffnen. Anders als beispielsweise in meinen Space Operas, wo es auch schon mal Weltraumschlachten und viele Intrigen gibt, spielt so etwas in meinen Science-Fiction-Thrillern keine Rolle.

Andreas Giesbert (ZWO): Du hast mit Singularity den Seraph gewonnen. Was bedeutet der Preis für dich und deine Karriere als Autor?

Joshua Tree: Ich habe immer gesagt, dass ich mich nicht um Preise schere, weil ich schreiben und mich um meine Fans kümmern möchte – darum habe ich nie etwas eingereicht. Das hat Fischer-Tor in diesem Fall gemacht. Aber wenn du auf der Shortlist des Seraph landest, horchst du natürlich auf, klar. Es ist der vermutlich wichtigste Phantastik-Literaturpreis für deutschsprachige Werke und ich habe mich schon auf der Shortlist äußerst geehrt gefühlt. Mir wärmt diese Anerkennung der Jury nach wie vor das Schriftstellerherz und ich bin sehr stolz auf die Auszeichnung.

Andreas Giesbert (ZWO): Du bezeichnest dich selbst als Wortmaler, was ich eine wunderbare Bezeichnung finde. Was meinst du damit? Was unterscheidet einen Wortmaler von einem herkömmlichen Schriftsteller? 

Joshua Tree: Das geschriebene Wort ist für mich der Pinsel, mit dem ich komplexe innere Bilder male, um sie in den Köpfen meiner Leserinnen und Leser lebendig werden zu lassen. Das aus Buchstaben gemalte Bild ist für mich dabei ein treffendes Bild, weil ein Bild etwas Statisches ist. Erst die Fantasie der Leser und Leserinnen bringt Bewegung hinein und macht aus ihm einen Film im eigenen Kopf – einzigartig, unverrückbar und wertvoll. Was für ein Geschenk es doch ist, zusammen mit jemandem, den man nicht kennt, etwas geschaffen zu haben, das es nur einmal im Universum gibt, in meiner Fantasie? Und dabei liegt die Grundlage dessen allen offen und verbindet jede und jeden, die das Buch in der Hand gehalten haben, ohne, dass es etwas an der Einzigartigkeit der persönlich erlebten Version dieser Geschichte ändert.

Andreas Giesbert (ZWO): Du hast vor etwa sieben Jahren mit dem Schreiben begonnen, aber bereits jetzt fast 40 Romane veröffentlicht. Was ist dein Geheimnis beim Schreiben und hast du daneben überhaupt noch Zeit für etwas anderes?

Joshua Tree: Ich sage immer, dass ich vor fünf Jahren angefangen habe, weil ich erst seit 2017 Romane schreibe. Faktisch hast du aber recht, 2015 ist besagter Ratgeber erschienen. Mein “Geheimnis” ist Fleiß und jegliches Fehlen vom Divatum eines “Künstlers”. Ich schreibe diszipliniert an sechs Tagen die Woche für vier Stunden, lenke mich nicht ab und verplempere wenig Zeit auf Social Media. So habe ich einen kurzen, aber fokussierten Arbeitstag und habe daneben noch viel Zeit frei: für zwei Stunden Sport am Tag, fürs Fallschirmspringen, Tauchen, Reisen und Wandern – im Juli kommen schon mit einer Gleitschirmausbildung und dem Kitesurfen noch zwei Dinge hinzu. Hach, das Leben ist zu kurz. ;-)

Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Mit dem Output dürfte deinen Leserinnen und Lesern auch in den nächsten Jahren der Lesestoff nicht ausgehen. Was hast du denn für 2022 noch alles geplant?

Joshua Tree: Mir ist es wichtig, meine Leserinnen und Leser nicht zu lange auf Fortsetzungen warten zu lassen. Als primär selbstverlegender Autor habe ich die Möglichkeit, anders als Verlage, zügig zu veröffentlichen und damit die Wartezeit zwischen den Bänden einer Trilogie beispielsweise kurz zu halten. Für 2022 habe ich mehr Einzelromane geplant, die in sich abgeschlossen sind und eine Kooperation mit einem geschätzten Kollegen, die ich aber an dieser Stelle noch nicht verraten kann. ;-)

 

 

Über den Autor

Joshua Tree gehört mit über einer Million verkaufter Bücher zu Deutschlands erfolgreichsten Science-Fiction-Autoren und wurde mit dem renommierten Phantastik-Literaturpreis "Seraph 2022" für den besten Roman ausgezeichnet. Die meisten seiner Werke sind Science-Fiction-Thriller, er fühlt sich aber auch in der Space Opera, Military, Dystopien und Fantasy zuhause. Zu seinen erfolgreichsten Werken gehören Das Fossil, Das Signal und Teleport. Joshua Trees Bücher wurden ins Englische übersetzt und sind sowohl in den USA als auch Großbritannien unter dem Pseudonym "Joshua T. Calvert" zu Amazon-Bestsellern geworden. Neben seiner Tätigkeit als Selfpublisher veröffentlicht er in beiden Sprachen auch bei großen Publikumsverlagen. Joshua Tree lebt und schreibt in Portugal.

 

 

Über Singularity

Schafft sich die Menschheit selber ab? Singularity ist der neue Science-Fiction-Thriller von Bestseller-Autor Joshua Tree über die Zukunft der künstlichen Intelligenz.

Ende des 21. Jahrhunderts ist die Menschheit tief gespalten: Während die eine Hälfte medizinisch bestens versorgt ein langes Leben führt, ist die andere schlicht überflüssig. Bestenfalls als billige Arbeitskräfte haben die meisten Menschen ein karges Auskommen.

Einer dieser Überflüssigen ist James, der als Hausdiener der neuen Elite anheuert. Von seinem neuen Herrn erhält er einen rätselhaften Auftrag: Er soll dessen vor zwanzig Jahren verschollene Tochter wiederfinden - in einer virtuellen Simulation.

Schon bald muss er erkennen, dass nicht bloß die Grenzen von VR und Wirklichkeit verschwimmen, sondern auch die von Mensch und Maschine. Und ihm offenbart sich ein schreckliches Geheimnis, das die Zukunft und Vergangenheit der Menschheit in Frage stellt.

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