Die App AchieveIt der Firma Live our Dream belohnt dich für das Abschließen von Aufgaben im Reallife. Vom regelmäßigen Wechseln der Unterwäsche bis hin zur Rettung von bedrohten Tierarten ist für jeden etwas dabei. Und das Beste ist: Du kannst dir dafür Orden ausdrucken, die jeder bewundern kann! Die App des kleinen Unternehmens boomt, die Leute sind versessen darauf, im echten Leben Erfolge zu sammeln. Doch wo der Erfolg sitzt, sind Probleme oft nicht weit.
Jenny arbeitet bereits einige Tage am Stück im Akkord, die Errungenschaft für "11 Tage in Folge über 10 Stunden Arbeiten" ist zum Greifen nah. Doch obwohl sie für die Erstellung von AchieveIt-Errungenschaften zuständig ist, hat sie relativ wenig für diese Art von "Erfolgen" übrig. Die meisten ihrer Ideen werden abgelehnt, weil man sie nicht nachprüfen könne oder sie die Arbeitsmoral untergraben. Trotzdem will ihr Chef immer mehr Output von ihr. Ob qualitativ oder quantitativ, ist ihm immerhin egal.
Allerdings erleben wir nicht nur Jennys Einstellung zu AchieveIt. Hieronymus, frenetischer Fan der App, vermittelt den Lifestyle, den Reallife-Errungenschaften "freischalten". Mit Orden geschmückt läuft er stolz durch die Stadt, vernetzt sich, kennt sich aus und weiß zu allen Herausforderungen einen Rat. Er macht alles, um den nächsten Orden zu erhalten und ihn dann stolz an seiner Jacke zu drapieren. Prestige und Ansehen, durch jede Menge bunte, mit dem AchieveIt-Drucker ausgedruckte Plastikorden? Es könnte kaum besser für ihn laufen. Aber neue Aufgaben wären schön.
Die neuesten "Ideen" von Jennys Chefs für Firma und App sind jedoch moralisch eher fragwürdig. Sie und ihre Kolleg*innen zweifeln mehr oder weniger an diesem Weg. Als Jenny in einer Bar auf Herrn Schmidt trifft, beginnt sich das AchieveIt-Rad in eine andere Richtung zu drehen.
Mit 137 Seiten ist Errungenschaft freigeschaltet! von Uwe Post ein recht kurzes Vergnügen, bietet aber dennoch viele Gelegenheiten zum Schmunzeln und Grinsen – oder auch, um den Kopf auf den Tisch zu dotzen. (Alles beim Lesen getestet, leider keinen Orden bekommen.) Geschmack ist natürlich unterschiedlich, manche Szenen sind humoristischer als andere, was aber insgesamt ziemlich abwechslungsreich daherkommt.
Für Langeweile bleibt kaum Zeit beim Lesen – Errungenschaft freigeschaltet! ist vollgestopft mit Satire, Gamification, Humor und sonstigen (Kunst-)griffen, die dem Genre zur Verfügung stehen: Von generellen Absurditäten des Plots über “mythenmetzsche Abschweifungen” bis hin zu App-Store-Bewertungen gibt es allerhand Stilmittel, die der Autor nutzt, während er die Story um AchieveIt erzählt. Da kann auch mal ein Charakter mit dem Lesenden reden, Satire kann alles.
Schön zu lesen ist auch der Gegensatz, der zwischen Jenny und Hieronymus erzeugt wird. Praktischerweise starten wir mit Hieronymus' Ansichten ins Buch. Seine abgöttische Verehrung der App und seinem daraus resultierenden Lifestyle ist sowohl cringe als auch faszinierend, denn irgendwie ist das Ganze gar nicht mal so unrealistisch und satirisch, wenn man es etwas reflektiert. Satire soll natürlich auch zum selbst Nachdenken über Situation X anregen – hier ist das sehr unterhaltsam und amüsant gelungen. Aber die Erfolge, die man über AchieveIt freischalten kann, sind auch ohne kritische Reflexion gut.
Errungenschaft freigeschaltet! von Uwe Post ist ein kurzer und spaßiger Ausflug in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der eine simple App – wie in diesem Fall die Reallife-Achievement-App AchieveIt – Massen begeistert und lenkt. Gute wie schlechte Szenarien bekommen in diesem satirischen Büchlein ihren Platz.
Kritik und Lob am Buch und am Autor sind ebenfalls direkt mit in der Story enthalten, wie zum Beispiel typische Play Store-Bewertungen, was das ganze Setting durchmischt. Man weiß nie, wie es auf der nächsten Seite weitergeht. Schräg, kurzweilig, abwechslungsreich und schlicht erfrischend anders, als was man sonst so liest: Man muss sich – oder die ernstere Thematik, die prinzipiell dahinter steckt - nicht immer ernst nehmen, man kann auch einfach mal ein Buch zur Hand nehmen, grinsen, den Kopf schütteln und sich auf ein wenig Zerstreuung einlassen.