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Endzeit – Larp nach Degenesis

Menschlichkeit (?) in einer Welt voller Sporen

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Kategorie: LARP

Staubige Mäntel, Gewehre, seltsame Gestalten, irgendwo zwischen Western und Punk, die Sonne brennt heiß auf eine radioaktive Wüste. Die dreiteilige Filmreihe Mad Max und die Computerspielreihe FallOut prägten das Genre Endzeit – oder auch Postapokalypse – im Larp. Es beschäftigt sich mit dem Hintergrund einer nuklearen Katastrophe und deren Folgen für die Menschheit.

Oberflächlich betrachtet reiht sich der Degenesis-Hintergrund nahtlos an diese Dystopien an. Verantwortlich für den Untergang der Welt war ein Meteorit, der außerirdische Materie, Sporen namens Primer, auf die Erde brachte. Diese rufen verschiedenste Mutationen hervor und sind verantwortlich für die neue Spezies Homo degenesis. Die üblichen Verdächtigen des Genres sind also vorhanden: Kampf ums Überleben, totalitäre Kulte mit jeweils eigener Utopievorstellung, Homo sapiens gegen Mutant – und andersherum.

Dennoch ist das Degenesis-Larp anders als die meisten klassischen Endzeit-Settings: Im Mittelpunkt steht nicht die Welt, verseucht von Sporen, sondern der Mensch mit seinen Gefühlen und Schwächen – und sein Zerrbild, der geistig und körperlich entfremdete, mutierte Homo degenesis.

Endzeit: Europa

Ort der Handlung ist Europa, vierhundert Jahre nach dem Einschlag des Meteoriten. Es haben sich neue Gemeinschaften aus dem Schrott des Urvolks gebildet, sogar Städte wie der Moloch Justitian. Anderswo hält man noch Feuersteinkeile für schick und schmückt sich mit Knochen. Es ist Spiel auf jedem technischen Niveau möglich, vom Wilden im Fell bis zur Wonderland-Technik der verschollenen Bunker.

Staaten in der ursprünglichen Form gibt es nicht mehr; die Kulturkreise wie das stolze Hybrispania, das sumpfige Franka oder das karge Pollen sind lediglich Regionen, die ihre Bevölkerung auf bestimmte Weise prägen: Die Franker gelten als verträglich und kompromissbereit, die Pollner als ruhig und maulfaul, die Balkhaner sind für ihr aufbrausendes Temperament bekannt. Die Herkunft der Spielfigur gibt Spielhilfen für das Charakterspiel mit.

An die Stelle von Staaten sind die Kulte getreten, überregionale Organisationen, die ihre Vorstellungen von einer idealen Gesellschaft (und dem idealen Menschen) in das Machtvakuum des Ödlandes tragen.

Stereotypen – und ihre Hintertreibung

Dem Anfänger kommen die klar strukturierten Kulte entgegen, die einfache Schablonen für das Charakterspiel vorgeben (der zynische Richter, der verschlagene Apokalyptiker, der roboterhafte Chronist). Zugleich bilden diese Kulte nicht nur die ersten Spielhilfen, sondern ziehen den Neuspieler direkt in eine Welt voller Konflikt- und Hilfspotenzial. Von Anfang an hat man durch die Wahl seines Kultes Verbündete, Feinde und Aufgaben, die zu anderen Kulten und Spielfiguren Kontakte schaffen. (Die Waffe ist kaputt? Frag den Schrotter. Du benötigst eine Funkverbindung? Frag den Chronisten. Man hat Dich ausgeraubt? Der Richter nimmt sich den Schuldigen vor.)

Der zwangsläufigen Verflachung des Spiels durch Stereotype wirkt Degenesis mit einem einfachen Kunstgriff entgegen. Jeder einzelne Kult hat völlig unmenschliche Ideale, die er vertritt und die von einem einfachen und normalen Menschen nicht erreicht werden können: Die Chronisten verlangen völlig emotionsfreie Logik, die Wiedertäufer die Zerstörung des eigenen sündigen Körpers, die Spitalier das gewissensfreie Töten versporter Menschen. Somit wird das einzelne Kultmitglied sich verbiegen müssen – oder aber seinen Schwächen freien Lauf lassen, was wiederum zu interaktivem Spiel mit anderen führt. Es entstehen vielschichtige Spielfiguren wie ein Spitalier, der den Mord an versporten Kindern nicht verwinden kann und morphinabhängig wird, oder ein Apokalyptiker, der zwar immer noch jede draufgängerische Eskapade seiner Schar mitmacht, aber insgeheim von einem Häuschen auf dem Land träumt.

Der schwarze Mann

Afrika hat es besser getroffen als Europa. Jetzt drängen die Africaner als Eroberer und Kolonialherren nach Norden – eine Gelegenheit zum Spiel mit Macht, Ohnmacht und Unterdrückung. Sie sind in der überlegenen Position der Ausbeuter: Als Großwildjäger sind sie auf europäische Jagdtrophäen aus oder heuern sich weiße Diener an, verschleppen als Sklavenjäger ganze Dörfer oder bieten als Händler den primitiven Weißen Glasperlen und Tand gegen Rohstoffe an.

Fremdartige Mutanten

Es gibt Mutationen von Mutter Natur, hervorgerufen durch den Primer, dem alles überwuchernden Pilz, doch sie sind selten. Mutanten, auch Psychonauten genannt, sind etwas Besonderes, wenn man sie zu Gesicht bekommt. Oft sind sie derart mit ihrer Umgebung verflochten, dass sie dort mit ihren Fähigkeiten enorme Auswirkungen haben. Die Dushani des Balkhans stimmen das Land wie ein Instrument und erzeugen Töne, die den Menschen die Seele rauben. Die frankischen Pheromanten machen mit ihren Duftsekreten Menschen zu willenlosen Drohnen und bilden regelrechte Bienenstaaten.

Sie sind undurchschaubar in ihrem Denken, denn auch wenn sie noch menschliche Formen haben und von Menschen abstammen, sind sie fremdartig und anders geworden. Bei den Sippen des Ödlandes werden sie zu Dämonen erklärt oder als Götter und Orakel verehrt. Psychonautische Kinder werden getötet (Mutterliebe gegen abergläubische Furcht!), ausgesetzt, gemieden oder zu Kultobjekten gemacht – jede Gemeinschaft hat ihr eigenes Bild.
Die Psychonauten bringen ein Horrorelement ins Spiel, sie sind rätselhaft, lösen in einer Spielfigur Ängste und Hilflosigkeit aus – auch wenn sie häufig nicht einmal aggressiv sind. Sie agieren über die Umgebung und über den Geist, erzeugen am Spielort ein komplexes System, in dem ein Eingreifen von Außen (durch die Spieler) das gesamte Gleichgewicht zerstören kann.

Sie geben der Spielleitung eine Vielzahl von Möglichkeiten an die Hand, um Spielern den größtmöglichen Spaß zu ermöglichen. Wellen-NSCs sind sie nicht. Sie bleiben am Rande des Spiels und werden von den Spielern hauptsächlich über ihre Auswirkungen wahrgenommen.

Degenesis ist eine endzeitliche Welt der sehr persönlichen Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich – mit einem Hauch Wildwest durch die Richter, ein bisschen Science-Fiction durch die Chronisten, Glauben und Dogma durch die Wiedertäufer, Unterdrückung durch die Africaner, einer Prise Mystery durch die Psychonauten, gepaart mit Angst, Sklavenhandel, seelischen Abgründen und viel Staub und Dreck an der Kleidung.

Das Rollenspiel

Degenesis-LARP beruht auf dem Hintergrund des Endzeit-Pen-&-Paper-Rollenspiels Degenesis, verlegt vom Sighpress Verlag. Der komplette Hintergrund steht zum kostenlosen Download zur Verfügung. Derzeit sind in Deutschland mehrere Orgas vertreten, die sich mit Degenesis auseinandersetzen.


Mehr über Endzeit-Larp findet ihr in der LARPzeit #44!

Bilder: Benedikt Schwarz

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