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Elektro Krause

Schwarze Urban Fantasy

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Kategorie: Literatur

Kassandra Krause, oder Kassy, wie ihre Freund*innen sie nennen, hat schon früh gelernt, ihren eigenen Weg zu gehen. Die Tochter einer Schwarzen Jamaikanerin und eines trägen Elektrikers hatte im multikulturellen Bielefeld immerhin das Glück, starke Schwarze Bezugspersonen zu haben. Durch dieses Umfeld gestärkt, entscheidet sich Kassy selbstbewusst zu einer Lehre als Elektrikerin, was in den 80er Jahren noch etwas ungewöhnlicher war als heute.

Mit der Lehre in die Fußstapfen ihres Vaters getreten, verschlägt es sie kurz vor dem Mauerfall jedoch zum Wohnort des geschiedenen Vaters: nach Sieglar, einem Ort im Kölschen Umland bei Troisdorf. Als „die Andere” kriegt sie es dort mit einem gehörigen Maß an Alltagsrassismus zu tun und wird sogar noch von Altnazis geplagt. Denn als ob der Umzug in die „Pampa” nicht schon so kompliziert genug wäre, ist Kassy Geisterseherin und -jägerin. So sehr sie ihr Talent verdrängen will, bahnt sich in der Troisdorfer Umgebung eine neue Bedrohung aus der Vergangenheit zusammen, der sie sich nicht mehr entziehen kann. Und höchstwahrscheinlich hängt auch die Lethargie ihres geistersichtigen Vaters mit dem Spuk zusammen ...

Klare Kante

Schon aus dem Klappentext geht hervor, dass Eckermann politisch kein Blatt vor den Mund nimmt. Wer seine Phantastik unpolitisch mag, der*die wird hier kaum über die ersten Seiten hinauskommen. Genau genommen nicht einmal über den ersten Abschnitt, der mit der Rassismustür ins beschauliche „Milchschnittenhausen“ fällt und keine Diskussion offen lässt, dass hier Schwarze Rassismuserfahrung beim Namen genannt und keine Rücksicht auf Mehrheitsdeutsche Gefühle genommen wird. Diese klare Stellungnahme in Verbindung mit der Darstellung Schwarzer Erfahrung in Deutschland ist es, die Elektro Krause abhebt und zu einer unverwechselbaren Stimme in der deutschsprachigen Phantastik macht. Dabei greift die Autorin sowohl auf ihre persönlichen Erfahrungen als Schwarze Deutsche (ja, Schwarz wird hier genauso großgeschrieben wie Politik) zurück, als auch ihre theoretische Auseinandersetzung mit Rassismus und Diversität. Die Mitherausgeberin von Urban Fantasy: going intersectional bewegt sich souverän in den aktuellen Debatten und vermag es, theoretische Konzepte wie Empowerment, Mikroaggressionen oder eben Diversität anhand von Charakterauswahl und bildliche Szenen mit Leben zu füllen. Als Krause zum örtlichen Gymnasium gerufen wird, lässt sie dem einzigen Schwarzen Schüler nicht nur einen „Black Nod“ da, sondern reflektiert sogleich über seine mutmaßlichen Erfahrungen und wünscht ihm eine empowernde Umgebung. Auch der Hausmeister fragt nicht zufällig danach, wo denn Krause bliebe, da eine Schwarze Frau ja wohl kaum Elektrikerin und schon gar keine Krause sein könne und fordert gleich ein zu erfahren, wo sie denn „wirklich“ herkäme und meint dann auch noch, ihr das Handwerk mansplainen zu müssen.

Das ist ganz schön viel auf einmal, aber wer mit diesen Begriffen überfordert ist, darf beruhigt sein, da immer wieder kleinere theoretische Reflektionen eingeschoben werden, die solche Erfahrungen kontextualisieren und erklären. Genau das kann allerdings auch störend wirken, da es die narrative Ebene aufbricht und sich stellenweise belehrend liest. Leider gelingt es im Krause nicht durchweg, die Erfahrung für sich sprechen zu lassen und so auf dem originären Feld der Literatur zu bleiben, sondern das Buch schiebt stattdessen eine Art Metaebene ein. Diese Eigenart ist allerdings nach den ersten Kapiteln weitgehend überwunden und kann für manche Lesende sogar äußerst hilfreich sein. 

Bunte Ghostbuster 

Politisch wird es aber auch auf genuin literarischer Ebene. Da wäre zum einen der „Cast”. Neben der Schwarzen Deutschen Kassandra Krause haben wir etwa den einfühlsamen Karrieristen Errol mit türkischem Background, den rollstuhlfahrenden Costa, den an Männern interessierten Tim und die bunthaarige Powerfrau, Schrottbastlerin und selbstbewusste Lesbe KaySer. Für das sonst so bieder gezeichnete Kölner Umland ist das ein ganz schön bunter Haufen, der natürlich auch die jeweiligen Selbst- und Lebensentwürfe diskutiert. Hier wird Krause zu einem gelungen diversen coming-of-age Roman abseits des Mainstreams.

Und auch die Handlung selbst ist politisch. Was bisher etwas untergegangen ist, ist nämlich die Tatsache, dass es sich um einen Urban-Fantasy-Roman handelt. Die Krauses verfügen über die seltene Gabe, Geister sehen und bekämpfen zu können. Dazu baut Eckermann eine Geisterlogik auf, die sich plausibel anfühlt und gekonnt mit dem Elektrizitätsthema umgeht. Immer wieder gelangen Geister aus einer Art Zwischenwelt in die unsrige, wobei sie Kopfschmerzanfälle auslösen und durch Strom bekämpft werden können. Das nutzen die Elektriker*innen natürlich aus, um sich Gadgets mit allerlei kleinen popkulturellen Referenzen zu basteln, wie etwa einen aus dem Karnevalsbedarf umfunktionierten Phaser. 

Nun besagt die Logik aber auch, dass es gerade recht frisch Verstorbene sind, die als Geister zurückbleiben und das sind in der BRD der frühen 90er eben allzu häufig Nazis. Und selbstverständlich lässt Eckermann die Gelegenheit nicht aus, um mit den Geistern der Vergangenheit ähnlich klar umzugehen wie mit denen der damaligen Bundesdeutschen Gegenwart. An der Stelle verrate ich jedoch nicht mehr, da ein Reiz des Buches natürlich auch im Erkunden dieses Mysteriums und seiner Bedrohung besteht, die Kassy aus ihrem zeitweisen Defätismus reißt und zurück in die Welt der Geisterjäger holt.

Die Handlung ist solide konstruiert und lässt sich angenehm folgen. Auch mit Lesepausen ist man bei den markanten Hauptcharakteren und recht klaren Problemlagen schnell wieder im Bilde, was das Buch auch für Gelegenheitsleser*innen und ein jüngeres Publikum tauglich macht. Die Geschichte um Krause liest sich unangestrengt, setzt aber sicher keine neuen Maßstäbe. Das Buch brilliert vielmehr da, wo es unangenehm wird, also bei der Darstellung Schwarzen Lebens in Deutschland ...

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