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Earthborne Rangers

Eine Kartenspiel-Entdeckungsreise im Solarpunk-Setting

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Tausende Jahre in der Zukunft: Im ehemaligen Gebiet der Rocky Mountains, heute nur bekannt als "das Tal", reist eine kleine Gruppe an jungen Rangern von Ort zu Ort. Sie helfen Fauna und Flora und wandern gemeinsam durch verschiedene Terrains. Dabei entdecken sie ein Wechselspiel aus antiken Geheimnissen und futuristischen Objekten und Orten. Sie suchen keine Schätze, aber sie finden sich selbst.

Earthborne Rangers ist ein kooperatives und lebendiges Kampagnen-Kartenspiel. 1-4 Ranger (was hier Wanderer jeden Geschlechts bedeutet), erstellen ein individuelles, anpassungsfähiges Kartendeck, lesen Beschreibungen aus einem Kampagnenbuch und lösen im Laufe vieler Spielrunden diverse Missionen. Hierbei präsentiert sich dieses 2023 bei Frosted Games erschienene und gelungen übersetzte Kartenspiel sehr frei; man kann es als Sandbox oder Openworld-Brettspiel klassifizieren. Denn sowohl eure Ziele als auch die Wege dorthin stehen euch frei. Nach einer mehrseitigen Einführung in die futuristische Solarpunk-Welt liegt es an euch, wohin ihr geht. Aber fangen wir doch vorne an: Beim Erstellen des eigenen Rangers und seines Decks. 

Eingliederung ins Kartenspielgenre

Earthborne Rangers bedient sich beim Deckbau am Schema von Living Card Games (LCGs). Bekannte Vertreter dieses Genres sind unter anderem Arkham Horror oder Android: Netrunner. Bei diesen Spielen baut man sich im Vorfeld ein Deck aus allen vorrätigen Karten, wobei man gewisse Deckbaurestriktionen beachten muss. Damit unterscheidet sich Earthborne Rangers von Trading Card Games (TCGs) wie Pokémon TCG oder Magic: The Gathering, bei denen es seltene oder holografische Karten gibt, deren Wert fürs Tauschen und Sammeln wichtig ist. Bei Earthborne Rangers ist der Beschaffungsweg deutlich angenehmer. Man weiß genau, was man für sein Geld – 99 Euro, um genau zu sein – bekommt, und es gibt keine Boosterpacks mit zufälligen Inhalten. Stattdessen sind einfach alle Karten zweimal in der Spielebox enthalten. Und mit diesen kann man seinen Ranger erstellen.

Die Erstellung erinnert etwas an das Kreieren eines Spielercharakters in Pen-and-Paper-Rollenspielen. Zunächst wählt man eine "Aspekt"-Karte aus. Diese definiert, in welchem der vier Bereiche (Wahrnehmung, Ruhe, Fitness und Souveränität) man seine Stärke (3 Energie) und seine Schwäche (1 Energie) hat. Jeder Ranger hat verschiedene "Charakteristiken", die seine oder ihre Persönlichkeit definieren. Ist man mitfühlend oder einnehmend, leidenschaftlich oder ausgeglichen?

Zudem verfügt jede*r über eine eigene "Vorgeschichte". War man vor seiner Rangerberufung "Werker", "Sammler", "Hirte" oder "Reisender"? Und welche "Expertise" übt man momentan aus? Ein visionärer "Schöpfer", ein beherzter "Vermittler", ein mutiger "Forscher" oder ein mächtiger "Former", inklusive der zwei Spezialisierungsmöglichkeiten? Zum Abschluss darf man sich noch ein Hobby aussuchen, und der eigene Ranger ist fertig "gebaut". 

Welche der 8 Rangerklassen passt zu dir?

Der Deckbau

Spieltechnisch bedeutet das: Jedes Deck besteht aus exakt 30 Karten bzw. 15 verschiedenen Karten, die es jeweils 2 Mal im Deck gibt. Im Detail sind das 8 Aspektkarten, 10 Vorgeschichtekarten, 10 Berufungskarten und 2 beliebige Karten, sogenannte Hobbykarten. Beim Deckerstellen muss darauf geachtet werden, dass man deren Anforderungen erfüllt und die nötige Expertise dafür hat. Wer beispielsweise nur eine Fitness von 1 hat, der wird nichts mit Wanderstab oder Armbrust anfangen können.

Erfahrenen Spieler*innen empfiehlt die Anleitung, direkt zum Start der Kampagne ein eigenes Deck selbst zu erstellen. Neue Spieler*innen können sich in einem Prolog nach und nach mit den verschiedenen Kartenarten vertraut machen. Der Prolog ist allerdings nicht besonders ereignisreich, weshalb man inhaltlich kaum etwas verpasst, wenn man ihn überspringt. Tut man das, kann man auch einfach zu einem der vier vorgefertigten Rangerdecks greifen, welche auf der Website unter Downloads und "Decks zum Nachbauen" zu finden sind. 

Das eigentliche Spiel

Gemeinsam als Rangertruppe spielt ihr eine Kampagne von bis zu 30 Partien (welche im Spiel als Tage bezeichnet werden). Im Schnitt wird eine Partie zwischen 1 und 2 Stunden dauern, je nachdem, wie schnell ihr den Tag beendet und ob das Wetter euch hold ist. In ein Kampagnenblatt tragt ihr eure aktuellen Missionen und Belohnungen ein, welche dann in den zukünftigen Missionen erledigt und genutzt werden können. Zudem gibt es das Kampagnenbuch "Der Ruf des Tals", das 61 Textseiten umfasst. Wichtige Karten im Spiel, wie Orte oder Missionen, weisen euch an, nummerierte Textpassagen aus diesem Buch vorzulesen. So wechseln sich Erzählung und Spielelemente ab. Ihr erkundet eine Karte, lest einen Text vor und setzt eure Wanderung fort.

Nach dieser Einleitung kennt ihr jetzt das Setting und habt ein eigenes Deck erstellt. Dann kann das Spiel ja beginnen! Zu Beginn einer Partie erstellt ihr einen Pfadstapel, je nach Ort und Terrain-Typ eures Standorts. Die Ortkarten sind Gebäude und Personen im Tal und je nach Terrain-Typ bekommt ihr unterschiedliche Wesen und Hindernisse präsentiert. Diese Karten kennenzulernen und mit ihnen zu interagieren macht einen Großteil des Spiels aus. Bei der Ankunft an einem neuen Ort wird im Kampagnenbuch der entsprechende Eintrag vorgelesen. Zusätzlich kommen meist rasch die ersten Pfadkarten ins Spiel.

Zusammen mit dem Foto des Orts erhält man einen Eindruck über die neue Umgebung. An jedem wichtigen Ort gibt es individuelle Charaktere, die ebenfalls einen Einführungstext haben, welcher laut vorgelesen wird, sobald sie ins Spiel kommen. Oft haben diese eine Mission für die Ranger. Diese Missionen müssen jedoch nicht erfüllt werden. Man ist völlig frei, sich später oder auch gar nicht darum zu kümmern. Und es gibt häufig mehrere Methoden, wie man sich des Problems annehmen ksnn.


"Könnt ihr Ben Amon, den Piloten der Swift, von der Dringlichkeit eurer Mission überzeugen? Dann lest Abschnitt 87.2!"

Zu Beginn des Tages ziehen alle Ranger 6 Karten von ihrem Deck, dürfen ungewollte Karten gegen Neue austauschen, und die Person, die im Vorfeld als Anführer*in bestimmt wurde, macht den ersten Zug. Danach habt ihr immer 2 Optionen: Eine Karte ausspielen oder einen Test machen. Eine Karte ausspielen ist so einfach, wie es klingt: Man spielt eine Karte aus der Hand aus und bezahlt die Energiekosten der Karte. Dabei kann es sich um Ausstattung handeln, wie eine Feldflasche, um Begleiter, wie einen Schäferhund, oder um einmalige Momente, die danach abgeworfen werden.

Die zweite Option, der Test, ähnelt Fertigkeitsprüfungen aus Rollenspielen. Man bezahlt Energie und wirft Karten mit dem korrekten "Herangehensweisensymbol" ab. Man kann sich seines Gelingens aber nie sicher sein. Neben den eigenen Aktionen wird nämlich immer auch eine Welteffektkarte gezogen, die das Ergebnis mit Werten von -2 bis +1 modifizieren kann. Hat man den geforderten Wert erreicht, führt man den Test erfolgreich aus und kann oft Fortschritts- oder Schadensmarker auf Karten legen. Ist dann der Zielwert einer Karte erreicht, wird – falls vorhanden – der passende Abschnitt im Kampagnenbuch vorgelesen und die Karte danach abgeworfen. Anschließend sorgt das "Welteffektsymbol" der Welteffektkarte dafür, dass alle anderen Karten im Spiel eigene Aktionen durchführen.

Danach ist der nächste Ranger am Zug und muss sich entscheiden: Karte ausspielen oder einen Test durchführen? Wenn alle Spieler*innen passen, zieht man eine neue Karte vom Deck und deckt dann in der nächsten Runde eine neue Pfadkarte auf. Erreicht ihr den nötigen Fortschritt an einem Ort, dürft ihr dort abreisen. Wählt einen durch einen Pfad verbundenen Ort auf der Weltkarte des "Tals" und bewegt euch vorwärts. Nun führt ihr dieselben Schritte wie beim Spielaufbau aus, zieht aber keine neue Starthand und lasst Karten mit der Eigenschaft "Bleibend" im Spiel. Stattdessen könnt ihr euch aber auch dazu entschließen den Tag zu beenden und an einem neuen Ort und neuen Tag frisch zu starten. 

Verdient ihr euch Belohnungskarten, so können diese zwischen zwei Partien gegen alte Karten in eurem Deck ausgetauscht werden. So baut ihr euch im Laufe vieler Partien eine Sammlung an Karten auf, mit denen ihr nach Bedarf eure Decks anpassen könnt. Seid an dieser Stelle aber gewarnt: Belohnungen müssen erarbeitet werden, und als Ranger sammelt man mehr Erfahrungen, als einen Packsack voller Raritäten. Bei kaum einem anderen Spiel gilt die Devise "Der Weg ist das Ziel" mehr als hier. 

 

Es gibt 8 verschiedene Terrain-Typen: Von schwindelerregenden Bergpässen bis hin zu fruchtbaren Wäldern ist alles dabei

Ein frisches, unbekanntes Spielgefühl 

Bei Earthborne Rangers ist der Name Programm. Ranger kennt man aus amerikanischen Nationalparks, und "earthborne" bedeutet so viel wie "von der Erde stammend"; im übertragenen Sinne: eng mit der Erde verbunden. Und diese Elemente des Rangertums sind deutlich erkennbar. Es geht nicht darum, wie in vielen anderen Spielen, ob JRPGs, klassischen Pen-and-Paper-Rollenspielen à la Dungeons & Dragons oder populären Fantasy-Brettspielen wie Gloomhaven, sich möglichst viele Belohnungen unter den Nagel zu reißen, Widersacher*innen im Kampf zu besiegen und seinem Namen zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Trotz der geringen Anzahl Menschen im Tal ist die Stimmung meist heiter. Es gibt keine apokalyptischen Bedrohungen wie Zombies, Nahrungsknappheit oder tödliche Krankheiten, die abgewendet werden müssen. Daher könnt ihr euch vollkommen auf eure Wanderschaft konzentrieren: Ihr wollt das Leben aller Wesen, auch der Kleinsten, bewahren und im Einklang mit der Natur eure Wanderschaft vollziehen. 

Bereits die erste Mission im Spiel illustriert eure hilfsbereite, friedfertige Seite. Eure Rangermentorin Calypsa beauftragt euch, die süß-duftenden Wacholder-Brötchen vom lokalen Kopf Hy Pimpot an lokale Menschen zu verteilen, um so die Freude an frischen Backwaren mit anderen Menschen zu teilen. Wem ihr diese Brötchen bringt, ist natürlich ganz euch überlassen. Dörfler*innen aus der nahen Hafenstadt Himmelsnah und unbekannte Wanderer*innen im Felsenmeer sind nur zwei der verfügbaren Optionen.

In der echten Welt haben alle Lebewesen ihre eigene Motivation und ihre eigenen Herausforderungen und interagieren miteinander, auch, wenn man selbst nichts tut. In vielen Spielen entsteht der Eindruck, dass dem nicht so ist: Alles, ob Nicht-Spieler-Charaktere (NPCs) oder Umgebung, warten auf die Interaktion der Spielerin bzw. des Spielers. Bei Earthborne Rangers dagegen lebt die Natur, also Fauna und Flora, auch, wenn man nicht mit ihr interagiert.

Im ersten Terrain-Typ, den man erkundet, dem "Waldgebiet", gibt es zum Beispiel Rehe, Rehböcke und Wölfe. Je nach Wetter und anderen Wildtieren in der Umgebung agieren diese Wesen anders: Böcke schützen die Herde vor Raubtieren wie aktiven Wölfen oder attackieren in der Brunft rivalisierende andere Böcke. Beerensträuche werden von herbivoren Wildtieren gefressen und ungeschützte Rehe von Wölfen attackiert. So kommt das Gefühl auf, dass die Natur um einen herum nicht untätig ist und sehnsüchtig auf die Heldentaten der Spielercharaktere wartet. 

 

Eine Auswahl an Wesen, Besonderheiten und Gefahren zum Interagieren

Rollenspiel erwünscht!

Earthborne Rangers lädt an vielen Stellen des Spiels dazu ein, sich rollenspielerisch auszuleben. Bereits beim Deckbau kann man Karten rein danach auswählen, ob sie vom Namen her zum Charakter des erstellten Rangers passen. Oder man kann sich alle Karten genau durchlesen und nach starken Kombinationen suchen. Dabei steht es euch frei, ob eure Ranger Allrounder*innen sind oder Expert*innen auf ihrem Gebiet. Oder man wählt nach Belieben ein Mittelmaß aus Rollenspiel und Deckbauoptimierung.

Das Gefühl, "selbst eine erzählte Geschichte zu erzeugen", zieht sich als roter Faden auch durch die Spielregeln. Statt "Entfernung 1", "Entfernung 2" und "Entfernung 3" heißen die Distanzen, die Karten zu einem Ranger haben können, "In Reichweite", "Entlang des Weges" und "Die Umgebung". Solche Änderungen machen das Lernen des Spiels zwar zunächst etwas schwieriger, die Entscheidung für die Namensänderung ist aber nachvollziehbar. "Ein blutrünstiger Velox entlang des Weges bewegt sich in deine Reichweite" klingt deutlich spannender, als bewege sich der blutrünstige Velox von Entfernung 2 in Entfernung 1. 

 

Dieser leidenschaftliche Wächter hat viele tierische Begleiter und findet überall gute Freunde

Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit

Nicht nur im Spiel ist man ein naturverbundener Mensch. Autor Andrew Navaro schildert seine Vergangenheit im Intro der Regeln. "Ich erinnere mich daran, einen riesigen Ameisenhügel auf einer Lichtung zu entdecken und den Ameisen dabei zuzusehen, wie sie in geordneten Reihen den Hügel hinauf und hinab marschierten. Ich erinnere mich an eine mit dem lebendigen Teppich grünen Grases bedeckte Wiese, und an einen Friedhof ausgedienter Farm-Maschinerie jenseits der Wiese. [...] In den darauffolgenden Jahren verschwanden die wilden Areale am Rande unseres Wohngebietes. Earthborne Rangers ist unser Versuch, die aufregende Spannung von Erkundung und Entdeckungen mit einem Kartenspiel zum Leben zu erwecken." 

Diese Naturverbundenheit hat ihn dazu bewegt, einen Fokus auf Nachhaltigkeit bei der Produktion dieses Spiels zu legen. Auf der Seite zur ehemaligen Kickstarter-Kampagne findet man dazu detaillierte Interviews. Frosted Games, der deutsche Publisher von Earthborne Rangers, versucht der nachhaltigen Produktionsweise ebenfalls nachzukommen. So findet man auf der Website zum Spiel einen Paragraphen, der den vollständigen Verzicht auf Plastik sowie die lokale Produktion und Transportweise hervorhebt. Das ist in der heutigen Welt keine Selbstverständlichkeit und lässt auch das Ärgernis mit dem schwer lösbaren "speziellen Klebepunkt" an den beiden Schachtelseiten leicht verzeihen (beim Ablösen ist besonders sorgfältig vorzugehen, damit der schöne Aufdruck des Kartons nicht beschädigt wird). 

Viele Karten und noch mehr Text

Zusätzliche Ausstattung und unerkundete Pfade

Earthborne Rangers inkludiert Spielerkarten für 4 Ranger, gegeben, dass alle Ranger sich ihre Decks aus unterschiedlichen Karten zusammenstellen. Möchte man, dass eine Startkarte in mehreren Decks verfügbar ist, bietet Frosted Games ein separat erhältliches Kartenergänzungs-Set. Davon rate ich aber eher ab, da einem erst bei drei, eher vier Rangern die vielfältigen Optionen ausgehen, und sich Earthborne Rangers zudem am besten zu zweit (plus-minus 1 geht auch) spielt.

Natürlich besteht nach Abschließen der ersten Kampagne, dem Ruf des Tals, die Möglichkeit, sie erneut zu spielen: mit anderen Rangern, einer anderen Reihenfolge des Orte-Besichtigens und anderen Entscheidungen. Bei einem erneuten Blick auf die Website von Frosted Games kann man ganz unten aber folgenden Text lesen: "[...] damit endet die Geschichte noch lange nicht. Über die nächsten Jahre wird Earthborne Rangers immer wieder um neue Kampagnen und andere Kartensets ergänzt. Bereits im nächsten Jahr erscheint die erste Kampagnen-Erweiterung und lässt euch das mysteriöse Vermächtnis der Ahnen erkunden. Und das ist erst der Anfang."

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