X

Cookie Notice

Wir nutzen auf unserer Website Cookies und andere Technologien, um zu analysieren wie Sie unsere Webseite nutzen, Inhalte zu personalisieren und Werbung zu schalten. Durch die weitere Nutzung erklären Sie, dass Sie mit der Nutzung von Cookies einverstanden sind. Beachten Sie bitte, dass dieser Hinweis und die Einstellungen nur für die AMP Version unserer Seite gelten. Auf der regulären Website treffen Sie die Auswahl über den Cookiebot.

Startseite
Brett- und Kartenspiele Cosplay Filme Games Intern Interview Kurzgeschichten LARP Literatur Musik Pen & Paper Rezepte Sonstiges Tabletop Veranstaltungen

DryRun zwischen Kunstschnee und Keksen

Das 21. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Während dem Verteilen der Geschenke kann viel schief gehen, das nicht schief gehen soll. Daher berichtet Nadine in der heutigen Kurzgeschichte, welche ausgeklügelten Ideen den Weihnachtsmann vor weiterem Unheil schützen können und Vergangenes sich nicht wiederholt: Im DryRun zwischen Kunstschnee und Keksen.

Die Tage nach dem 4. Advent sind die geschäftigsten aller Tage. Eigentlich ist der ganze Dezember von Hektik geprägt, doch je näher der große Abend kommt, desto mehr verbreitet sich die allgemeine Sorge, dass etwas schief gehen könnte. Deswegen gibt es seit einiger Zeit auch die neumodische Tradition des DryRun. Der DryRun ist im Prinzip eine abgespeckte Variante des Heiligabends, die Generalprobe. Da natürlich nicht bereits am 21.12. alle Geschenke verteilt werden können – und am 24. schon wieder – wird dieses Jahr ein neues Gebäude eingeweiht – die DryRun-Fabrik.  

“Meeeehr Kunstschneeeee auf Haus sieeeeebenundvierziiiig!”, ruft Swea, die frisch gebackene Abteilungsleiterin, den Wichteln an der Schneekanone zu, als sie ihren abschließenden Rundgang durch die ausgeklügelte Mini-Weihnachtswelt macht. “Und bei Haus 23 den Sonnenschein-Scheinwerfer bitte so anwinkeln, dass es Abenddämmerungsniveau hat! Der muss richtig gut in den Augen blenden beim Fliegen!”  

Swea ist aufgeregt. Sie kennt den Weihnachtsendspurt-Parkour in- und auswendig, hat ihn nicht nur konzipiert, sondern auch selbst unzählige Male absolviert. Auch die Weihnachtsfrau hat gestern erst mit einer Spitzenzeit von 4 Stunden 58 Minuten für alle vier Disziplinen die Latte hoch gesetzt. Und ohne auch nur einem Fallstrick zu erliegen. “Und da kommt er auch schon! Hallo Weihnachtsmann!”, stellt Swea erfreut fest.  

Mit anerkennendem, aber auch skeptischem Blick betritt der Weihnachtsmann mit seinen Rentieren die umgebaute Fabrik. “Swea, ich muss sagen … das sieht nach einem Abenteuer aus. Bist du dir sicher, dass das alles nötig ist? Ich meine, ich mache das Geschenkeausliefern schon einige Jahrhunderte und …". “... und man kann nie genug vorbereitet sein, Weihnachtsmann, ganz genau! Übung macht den Meister”, schließt Swea seinen Satz ab.  

Der Weihnachtsmann unterdrückt den Drang, die Augenbrauen hochzuziehen. “Sie meint es ja gut”, sagt er sich.  

“Also”, beginnt Swea die Einweisung in den DryRun, “wir starten ganz klassisch am Anfang. Station 1 ist das Beladen des Schlittens und der Take-off. Du hebst kurz ab, drehst eine Runde über der Ebene und landest wieder. Die Boxenstop-Wichtel entladen ganz schnell alles – was so natürlich niemals passieren wird, aber darum geht es hier nicht – ehe sie eine weitere Fuhre einladen und du wieder abhebst. Die Ladungen sind immer ganz unterschiedlich gepackt, mal perfekt, mal etwas wackelig, mal mit großen Geschenken, mal viele kleinere, mal sind sie von zerbrechlicher Natur, manchmal einfach nur sagenhaft schwer. Das ein oder andere Paket kann sogar laufen.”  

“Hast du etwa Haustiere in Schachteln gesteckt, Swea? Du weißt, dass wir sowas nicht machen. Also weder Tiere in Boxen verpacken noch sie verschenken”, mahnt der Weihnachtsmann die Wichtelin streng. “Nein, nein!”, beruhigt Swea ihn sogleich. “Da sind ja quasi kleine Roboter drin. Das heutige Spielzeug wird technisch immer ausgefuchster. Da kann es schon mal passieren, dass sich ein Geschenk beim Transport versehentlich einschaltet. Erinnerst du dich noch, als sich die Menschen das erste Mal Staubsaugerroboter gewünscht hatten und Dancer sich dermaßen erschreckt hat, dass … ?” “... erinnere mich bloß nicht daran”, unterbricht der Weihnachtsmann Swea. “Das war ein dunkler Tag für uns alle. Gehen wir bitte einfach weiter, ja?” 

Swea versucht, ihre Schamesröte zu verbergen. Sie räuspert sich. “Die nächste Übung wird komplett in der Luft absolviert”, erklärt Swea und deutet zur Decke der Fabrik. “Dort befindet sich eine Schlitten-Strecke, die das Reaktionsvermögen der Rentiere und selbstverständlich auch von dir auf die Probe stellen wird, Weihnachtsmann.” “Du hast wirklich an alles gedacht ...”, murmelt der Weihnachtsmann, genauso anerkennend und gespannt wie auch unwillig, den restlichen Tag in diesem Übungscamp zu verbringen. “Der Wagen ist noch von Station 1 gepackt und ihr manövriert euch durch unterschiedliche Wetterlagen, Sonnenstände, Höhenunterschiede und heranfliegende Störobjekte … aus der Luft, wie vom Boden.” 

Der Weihnachtsmann horcht auf, als Swea zum Satzende hin immer leiser wird und schließlich mit "vom Boden” schließt.  

“Vom Boden?”, fragt er daher nach.  

“Ja ...”, druckst die Wichtelin herum, “Du weißt schon. Es kann ja immer mal jemand auf eine blöde Idee kommen, so wie bei Jack damals, als er dich ‘vertreten’ hat … Ich möchte einfach, dass du vorbereitet bist, sollte ... naja, sowas w i r k l i c h passieren.”  

Der Weihnachtsmann war gerührt. Natürlich wusste er, was Jack und dem Schlitten vor all diesen Jahren zugestoßen ist. Aber dass ihm das auch einmal blühen könnte, das kann er sich im Traum nicht ausmalen. Zu seinem Glück muss er auch nicht weiter darüber nachdenken, denn mittlerweile standen sie vor dem dritten Abschnitt. Oder besser gesagt: Vor einer Fressmeile, die ihm “Wettessen” entgegenzuschreien schien.  

“Das hier ist jetzt zweifellos total komprimiert. Aber du bekommst bei so vielen Menschen etwas zum Naschen, Essen und Trinken hingestellt, dass du nicht nur deinen Magen auf die Menge trainieren, sondern auch verkraften musst, dass die unterschiedlichen Geschmäcker und Gewürze nicht immer harmonisch zusammenpassen. Und dein Bauch wird ja von Baum zu Baum voller ...” Swea wusste gar nicht, wo sie hinschauen sollte. Zwar ist der Weihnachtsmann ein geübter Esser, der mit einer Tonne Zucker im Blut erst so richtig auf Betriebstemperatur kommt, aber durch Zucker induzierte Fehler sind nun leider immer noch Fehler. Und die dürfen nicht passieren. Doch der Weihnachtsmann lacht schallend, während er sich den Bauch hält. 

“Das ist eine Übung nach meinem Gusto. Ein all-you-can-eat-Weihnachtsbuffet, und das schon vor dem Heiligen Abend! Das werde ich mit Bravour bestehen, Swea”, entgegnete der Weihnachtsmann über die Maßen zuversichtlich, während einige der Rentiere hinter ihm ihre Augen rollen. Gerade als Rudolph das Augenscheinliche anmerken will, weswegen Swea diese Übung überhaupt eingebaut hat, unterbricht sie das Rentier einfach und schiebt allesamt weiter zum finalen Abschnitt. Niemand muss jetzt davon reden, wie sich der Weihnachtsmann bereits das ein oder andere Mal übergeben musste und das Malheur dann einem Haustier – oder wenn keines dort ist, Waschbären oder Einbrechern – in die Schuhe schiebt. Zucker macht schreckliche Dinge mit den Menschen.  

“Hier werden wir das Landen auf den Dächern üben und den Zutritt zu den Wohnräumen. Außerdem wirst du deine Geschenke platzieren und ungesehen wieder zu deinem Schlitten zurückkehren.” “Das ist mein Lieblingsteil von Weihnachten”, sagte der Weihnachtsmann an das Rentier Donner gewandt. “Hier werde ich sicherlich keine Probleme haben.”  

“Wir haben jede typische Wohnform hier nachgebildet, vom Microhome, übers Einfamilienhaus bis hin zum Hochhaus. Von Bauwerken aus sonnigen Gefilden wie aus eisigen, mit Haustieren von Insekten über Amphibien, hin zu Katzen und Hunden aber auch Vögeln und Pferden. Die Einheiten sind unterschiedlich belegt, es können dir bis zu 20 Bewohnerinnen und Bewohnern pro Lieferung begegnen. Und natürlich sind wir, was die “Dachdekorationen” angeht, auf dem allerneusten Stand – es gibt sowohl Solarpanels als auch Urban Gardening auf den Dächern, die sich zwischen blinkenden Lichterketten verstecken. Pass also gut auf, wo du hintrittst.”  

Jetzt war es am Weihnachtsmann, die Augen zu rollen. “Ein einziges Mal bin ich an diesen neumodischen TV-Antennen hängen geblieben, die im Schnee versteckt waren und vom Dach gestürzt. Muss man mir das nach all den Jahren wirklich immer noch aufs Brot schmieren?”, beschwerte er sich, mehr gekränkt als nötig, denn der Unfall hätte im betreffenden Jahr fast das Aus von Weihnachten bedeutet. Unter starken Schmerzen musste er weiter Geschenke ausliefern. Und die darauffolgenden unzähligen Operationen waren auch nicht ohne. Er hatte bis zum nächsten Weihnachtsfest Physiotherapie erhalten, um seine Mobilität wiederherzustellen.  

Betretenes Schweigen schlägt dem Weihnachtsmann entgegen. Zweifelsohne haben gerade alle an diesen schlimmen Unfall und die Folgen gedacht. Das war keine leichte Zeit für ihn und so etwas möchte er nie wieder erleben.  

“Vielleicht habe ich die Sinnhaftigkeit des DryRuns doch unterschätzt”, setzte er daher kleinlaut seinem Geschimpfe hinterher. “Photovoltaik-Anlagen sind unter Schnee schlecht zu sehen und rutschiger als eine Schlittschuhbahn. Das ist sehr umsichtig von dir geplant, Swea. Ich danke dir. Ich werde mir alle Mühe geben, einen Unfall zu vermeiden. Wirklich.”  

Swea fällt ein Stein vom Herzen. Genau das wollte sie mit dem DryRun erreichen. “Es ist nur zu unser aller Besten, Weihnachtsmann.“ Und … ”, fügte sie noch hinzu, “solltest du heute oder in drei Tagen auf Unwegbarkeiten stoßen: Die Weihnachtsfrau hat den DryRun bereits gestern mit einer super Zeit und ohne Fehlerpunkte absolviert. Sie kann im Falle eines Falles einspringen. Oder wenn alle Rentierstricke reißen. Oder dir die Lichter ausgehen. Oder du dir alles nochmal durch den Kopf gehen lässt. Sicher ist sicher. Aber mach dir keinen Druck, du schaffst das schon.”

 

Hier gehts zurück zum literarischen Adventskalender.

Weitere Artikel: