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Drachenland-Verlag

„Wir haben auch noch nach 30 Jahren Spaß am Entwerfen von Abenteuern“

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Es begann mit einem Dachbodenfund, bei dem unserer Redakteurin Laura Richter in einem alten Karton einige größere Hefte und Bücher in die Hände fielen – Rollenspielabenteuer aus den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. Die Besonderheit: es waren universelle Fantasyabenteuer aus dem Drachenland-Verlag, einem kleinen Verlag aus Deutschland, die für unterschiedliche Rollenspielsysteme genutzt werden konnten. Während die Bücher zurück zu ihren Artgenossen ins Regal wanderten, stellte sich die Frage, was aus den Machern dieser Abenteuer geworden ist. Tatsächlich ist der Verlag immer noch aktiv und befindet sich bis heute in den Händen der ursprünglichen Gründer Ulf Zander und Andreas Mätzing. Für die Zauberwelten berichten Ulf und Andreas über frühe Textverarbeitung am Computer, die Rollenspielkarriere der Verlagsinhaber und ihre künftigen Pläne.

Zauberwelten: Wer steckt hinter dem Drachenland-Verlag, und was macht Ihr, wenn Ihr gerade keine Rollenspielabenteuer verfasst?

Ulf Zander: Im realen Leben sind wir mittlerweile mehr als fünfzig Jahre alt, führen seit geraumer Zeit unsere Ehen und sind beruflich sehr eingespannt. Andreas ist selbstständiger Architekt in Braunschweig. Ich bin Bauingenieur und als solcher in einer Forschungseinrichtung des Bundesverkehrsministeriums beschäftigt. Kurzgefasst versuche ich, das tägliche Chaos auf unseren Autobahnen etwas besser in den Griff zu bekommen. Von der Welt des Rollenspiels sind wir also zu 95 Prozent unserer Zeit weit entfernt. Wir leben fast ausschließlich mit Leuten zusammen, die nichts mit Rollenspiel am Hut haben, und weder Freunde noch Kollegen bringen uns – so denken wir zumindest – mit dem zusammen, was wir nach wie vor als unser Hobby betreiben: den Drachenland-Verlag.

ZW: 1986 habt Ihr Euren Verlag gegründet, mit dem Ihr bis heute universelle Abenteuer und ergänzendes Spielmaterial herausgebt. Wie hat Eure Leidenschaft für Rollenspiele begonnen? Was hat Euch dazu bewogen, selbst zu Verlegern zu werden?

Andreas: Wir haben mit Dungeons & Dragons, kurz D&D, angefangen. Ein Austauschschüler aus Amerika hat es damals mit uns gespielt, und wir waren sofort davon begeistert. Wir sind eine ganze Weile bei D&D geblieben, nicht, weil wir das für das beste System gehalten haben, es war schlicht das einzige, von dem wir damals wussten, denn Rollenspiel war noch etwas sehr Außergewöhnliches. Aber das System war uns eigentlich schon immer egal. Mit der Zeit sind wir dazu übergegangen, unsere eigenen Regeln zusammenzuschreiben, und wir haben es immer angeglichen, wenn uns etwas nicht mehr gefiel. Ursprünglich wollten wir nur ein weiteres Fanzine herausgeben, und wir haben mit dem Abenteuer dafür angefangen. Das ist dann so lang geworden, dass wir uns gefragt haben, ob wir unseren Plan nicht doch noch einmal überdenken sollten. Das haben wir dann gemacht – zum Glück! Damals hatten wir gerade mit dem Studium beziehungsweise der Lehre begonnen und hatten schon vorher viel gemeinsam im Bereich Fantasy verfasst, aber nichts Druckreifes. Das Positive daran war aber, dass wir uns das Verfasste immer gegenseitig zum Überarbeiten gegeben haben. Dadurch haben wir uns nicht nur der Kritik gestellt, sondern vor allem unseren Schreibstil gut aneinander angepasst. Darüber hinaus ist eine Freundschaft entstanden, die uns stark verbunden hat und bis heute sehr vertraut miteinander macht. Wir kennen unsere Marotten gut, wissen damit umzugehen und vertrauen uns fast blind.

ZW: Wie habt Ihr für Eure universell einsetzbaren Abenteuer die Werte ermittelt, so dass sie tatsächlich mit verschiedenen Systemen funktionieren?

Andreas: Wir haben von jeher die Spielwerte als nicht entscheidend betrachtet und uns bei ihrer Entwicklung an den bestehenden Systemen nur orientiert. Die Geschichte und die innere Logik waren uns stets wichtiger als die Werte der auftretenden Personen und Kreaturen. Der Anspruch, dass jede Spielgruppe, so unterschiedlich sie auch zusammengesetzt ist, in jeder Sequenz die gleiche Herausforderung findet, ist praktisch nicht durchzuhalten. Konkret heißt das zum Beispiel, dass ein Troll aus Das Schwarze Auge (DSA), aus Midgard und aus D&D nicht miteinander vergleichbar sind, was die Spielbalance angeht. Das kann man als Herausgeber nur näherungsweise ausgleichen. Jeder gute Spielleiter wird ohnehin die Spielwerte individuell an seine Gruppe anpassen.

ZW: Ihr habt eine Hintergrundwelt erschaffen. Wie war die Herangehensweise?

Ulf: Die Welt Morh-Khaddur ist ein Nebenprodukt des Abenteuerschreibens. In den Anfängen haben wir Personen, Orte und Handlungsfäden aus alten Abenteuern aufgegriffen, um einen Zusammenhalt und Wiedererkennungswert zu schaffen. Erst in Drachenland 7 haben wir im Anhang eine umfassendere Weltenbeschreibung entworfen, die jedoch alles andere als präzise und vollständig ist. Sie bildet nur einen groben Rahmen, an dem wir uns orientieren, ohne uns in unserer Kreativität einzuschränken. Die Beschreibungen sollen uns und den Spielern genügend Freiheiten geben, um eigene Vorstellungen zu verwirklichen. Gleichzeitig möchten wir den Eindruck geben, dass alles miteinander verbunden ist, Kontinente, Kulturen und Personen nicht im luftleeren Raum existieren. Wir haben gegenseitig gelesen und korrigiert, daneben gab es Testspiele. Alles Grafische lag durchweg in Andreas’ Hand. Manche Gebäudepläne habe ich beigetragen.

ZW: Heute gibt es eine fast unüberschaubare Fülle an Regelwerken. 1986 gab es im Fantasybereich D&D, Magira, Midgard und DSA. Wart Ihr für die Verlage dieser Spiele eine Konkurrenz oder eine Ergänzung?

Ulf: Eine Konkurrenz waren wir für die Systeme nie. Wir betrachteten uns nicht als solche und wurden auch nicht so wahrgenommen. Damals war die Nachfrage nach neuen Abenteuern gewaltig, und die Systemherausgeber hatten eher Not, diese Nachfrage zu befriedigen. Insofern hat man unsere Abenteuer durchaus als Unterstützung aufgefasst. Vor allem Elsa und Jürgen Franke1 haben uns damals wohlwollend unterstützt und uns manchen guten Rat gegeben. Später hat sich mit Midgard sogar eine freundschaftliche Zusammenarbeit ergeben. Aber auch mit dem DSA-Publisher FanPro hatten wir ein tolles Verhältnis. Das führte dazu, dass wir irgendwann die Erlaubnis erhielten, unsere DSA-Produkte mit dem offiziellen Logo zu versehen. Wir durften die Karte der aventurischen Stadt Havena selbst herausgeben und um die Unterstadt ergänzen. Auch das waren Unterstützungen, die man nicht als selbstverständlich ansehen kann, sondern für die wir dankbar waren. So etwas war nur möglich, weil man im Allgemeinen gut miteinander umgegangen ist, und die Szene noch nicht so kommerziell geprägt war.

ZW: Commodore C64 und Atari ST – beides keine Computer jüngerer Bauart, gleiches gilt für die Textverarbeitungsprogramme, die darauf liefen. Ihr habt in Eurer Anfangszeit die kompletten Seiten darauf getippt und gesetzt, Fotos eingefügt und alles mit einer Schmuckleiste versehen. Wie hat das funktioniert?.

Andreas: Das hört sich schlimmer an, als es war. Es gab auch ein Leben mit nur vier Fernsehprogrammen, und man hat nichts vermisst, weil man nichts anderes kannte. Trotzdem, rückblickend war die Herstellung der Bücher wesentlich aufwändiger als heute. Damals gab es noch nicht einmal Spaltensatz, das heißt, wir haben jede Spalte einzeln ausgedruckt und anschließend auf einem großen Papierbogen nebeneinander geklebt. Dazwischen kamen dann die Bilder. Drachenland 1 bis 3 sind ursprünglich nur als kopierte Bände erschienen. Wir haben jede Seite als DinA3-Bogen zweiseitig kopiert, was damals noch nicht einmal in jedem Kopierladen möglich war. Wir haben alle Bögen per Hand gefaltet, sortiert und sind dann etliche Male zum Zusammenfügen der Bögen um Tische herumgelaufen. Anschließend wurden sie geheftet und mit allen Exemplaren sind wir dann zu einer Druckerei gefahren, wo wir die Ränder nachgeschnitten haben. Heute fallen diese Herstellungsschritte weg. Man setzt das Buch komplett auf dem Computer und schickt einfach die Datei an die Druckerei. Irgendwann erhält man das fertige Produkt mit einem Lkw vor die Haustür.

ZW: Im später erschienenen Sammelband von Drachenland 1 bis 3 schreibt Ihr, dass Ihr damals 108.000 Seiten per Hand gedruckt, gefaltet, geheftet und verschickt habt. Das alleine ist schon eine Leistung. Habt Ihr das Geld, das Ihr in den Druck dieser Bände investiert habt, wieder hereinbekommen oder war es ein Minusgeschäft?

Ulf: Zu unserer Überraschung war und ist es tatsächlich kein Minusgeschäft – zumindest wenn wir unsere Arbeitszeitkosten außen vor lassen. Zu Beginn hatten wir beide keine Vorstellung davon, welche Dimensionen das Verlagsgeschäft annehmen würde. Bis zum heutigen Tag haben wir in unserer 30-jährigen Verlagsgeschichte rund 45.000 Abenteuer verkauft, die sich auf 33 Bände verteilen. Wir hatten einen Traum und ein Abenteuermanuskript, und um dies zu publizieren, haben Andreas und ich die stolze Summe von 50,- DM  – für die jüngeren Leser: das entspricht etwa 25,- Euro – investiert. Seitdem wurde kein Geld mehr in den Verlag gegeben, und darüber hinaus konnten wir alle notwendigen Anschaffungen wie Computer und auch die Messebesuche aus den Einnahmen finanzieren. Mehr war aber auch nie unser Bestreben, es sollte immer unser Hobby sein.

ZW: Wie seid Ihr an die ersten Kunden gekommen?

Andreas: Das verdanken wir zum großen Teil einem verregneten Urlaub in Frankreich. Wir haben ihn abgebrochen und sind nach Deutschland in einen Rollenspielladen gefahren, der unsere Abenteuer schon führte. Dort kauften wir unsere eigenen Bücher und eine ZauberZeit2. Aus der ZauberZeit² bekamen wir die Adressen von sehr vielen Läden, und so verbrachten wir den Resturlaub mit einer Rundreise von Laden zu Laden, denen wir unsere Bücher anboten. Das war zum Glück genau das Richtige. Die Läden empfingen uns praktisch ausnahmslos mit offenen Armen, weil damals die Nachfrage nach Abenteuern sehr groß war. Von da an lief alles von selbst.

ZW: Wo steht der Verlag aktuell?

Ulf: Heute verkaufen wir nur noch einen Bruchteil von dem, was wir in der besten Rollenspiel-Zeit Anfang der 1990er Jahre abgesetzt haben. Der Verlag ist wieder in die Nischenposition zurückgefallen, aus der er einst gekommen ist. Wir sind heute im Rollenspielmarkt keine Größe, die man noch wahrnimmt und in einem Atem mit anderen Protagonisten nennt. Trotzdem, wir verkaufen nach wie vor ständig Abenteuer, wenn auch in deutlich niedrigerem Umfang als früher. Das ist aber für uns unbedeutend. Wichtig ist, dass wir auch nach 30 Jahren weiterhin Spaß am Entwerfen von Abenteuern, am Schreiben und Zeichnen haben. Es gibt kein anderes Hobby, das diese drei Aspekte in sich vereint.

ZW: Plant Ihr gerade etwas Neues?

Andreas: Unsere letzte Neuheit ist mit Drachenland 15 Das Narrenschiff noch nicht allzu lange auf dem Markt. Wir sind noch aktiv, auch wenn sich die Herstellungszeiträume deutlich verlängert haben. Wir planen für die Zukunft weitere Abenteuer und arbeiten bereits an Drachenland 16, das den Titel Königliches Blut tragen wird. Ein voraussichtlicher Erscheinungstermin ist aktuell noch nicht abzusehen.

ZW: Zu guter Letzt – spielt Ihr selber noch Rollenspiele oder bleibt dafür neben Beruf und Familie keine Zeit?

Ulf: Unsere ursprüngliche Rollenspielgruppe aus Braunschweig existiert seit mehr als dreißig Jahren und wird von Andreas regelmäßig jeden Freitag fortgeführt. Natürlich haben sich über die lange Zeit hinweg einige personelle Veränderungen gegeben. Dazu gehört, dass ich vor bereits zwanzig Jahren nach Bergisch Gladbach gezogen bin. Dort habe ich keine Gruppe, ich spiele also schon seit langem nicht mehr.

 

Der Bezug der Bücher ist über die Verlagswebseite www.drachenland-verlag.de möglich. Zusätzlich finden sich dort Spielhilfen wie Karten, die kostenlos heruntergeladen werden können, und Unmengen Material zum Regelwerk DSA – unter anderem die digitalen Fassungen des Fanzines: Der letzte Held (DLH). Letzteres kann für Spieler interessant sein, die erst neu eingestiegen sind, um zu sehen, wie alles angefangen hat.

1 Jürgen Franke ist ein deutscher Mathematiker. Neben seiner wissenschaftlichen Karriere ist er als Spieleautor tätig. Seit 1981 veröffentlicht er Regelwerke und Abenteuer des Rollenspiels Midgard.

² ZauberZeit – Das Magazin für fantastische Spiele und Bücher war von 1986 bis 1993 eine der führenden Zeitschriften für Fantasy und Rollenspiele.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Zauberwelten Frühjahr 2019

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