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Celsius

Ein klimatisches Wetterleuchten

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Kategorie: Literatur

Unbemerkt von allen Geheimdiensten versetzen riesige, schwarze Flugdrohnen aus dem chinesischen Luftraum die ganze Welt in Aufregung. Kurz vor der Katastrophe erkennt eine Klimawissenschaftlerin ihren Zweck und ihr potentielles Ziel. Entgegen der Annahme, u.a. des Weißen Hauses, dass wahrscheinlich ein Angriff auf Taiwan bevorstehe, spricht sich die von Milliardär Emanuel Sanusi empfohlene UN-Wissenschaftlerin Fayola Oyetunde-Rabelt für eine ganz andere Theorie aus.

Die Ungewissheit über den Zweck und das Ziel der Flugobjekte soll eine chinesische Pressepräsentation am Mount Everest beseitigen, zu der nur handverlesene Auslands-Journalist*innen eingeladen werden. Darunter befindet sich der erfahrene US-Journalist Pat Welzer, der schon vor einiger Zeit seinen journalistischen Zenit überschritten hat und nun als China-Korrespondent unvermittelt ins Zentrum der Ereignisse rückt.

Zur gleichen Zeit initiiert die führende britische Klimaaktivistin Sienna Banks aufsehenerregende Protestaktionen, die aber aufgrund der weltpolitischen Ereignisse ins Abseits der öffentlichen Wahrnehmung geraten. Nichtsdestotrotz wird sie von mächtigen Regierungskreisen zunehmend als gewaltbereite Bedrohung wahrgenommen.

Während die ganze Welt rätselt, erkennt der Südafrikaner Tony Vermaak, dass er diese bzw. ähnliche Flugobjekte schon vor sieben Jahren bei einem Filmdreh in Nigeria gesehen hat. Als er eine alte Freundin deswegen kontaktieren möchte, stellt er fest, dass sie bei einem Unfall ums Leben kam.

Klima = Wandel

Als Wetterleuchten bezeichnet man ein Gewitter, das den Betrachtenden durch seine Entfernung nur den Widerschein von Blitzen und nicht den Blitz selbst wahrnehmen lässt. Ähnlich ergeht es den Charakteren im Roman von Marc Elsberg, als sie zum ersten Mal die schwarzen Drohnen im Luftraum Chinas wahrnehmen.

Wie auch in seinen bisherigen Romanen (u.a. Blackout, Zero, Gier) zeichnet sich die Story durch ihre tagesaktuelle Thematik aus, der immer der globale Blick innewohnt. Die besondere Dynamik erhält der Roman durch Elsbergs vielleicht schon typischen Erzählstil. In zahlreichen, parallel verlaufenden Erzählsträngen besteht die Geschichte aus Schlaglichtern, die die gleichzeitigen Ereignisse an verschiedenen Orten vorantreiben. So wirken die Hauptfiguren wie zufällige Akteur*innen im Geschehen, die von den Zwischenfällen in der Welt gänzlich überwältigt werden. Eigentlich haben sie doch alle ein eigenes, ganz normales Leben mit den dazugehörigen Problemen. Wen interessieren schwarze Drohnen oder der Klimawandel, wenn doch die Kinder in die Schule müssen. Und zu Hause sieht es auch nicht vorzeigbar aus, vor allem nicht, wenn man ohne Vorbereitung eine Liveschaltung ins Weiße Haus hat.

Kritik

Was passiert eigentlich, wenn nicht nur, wie bisher, das Klima von wenigen Ländern auf der Welt in eine negative Richtung forciert wird, sondern wenn zukünftig das Klima von wenigen Ländern beliebig verändert werden kann und das Weltklima von einzelnen Menschen oder Staaten bestimmt wird? 1-2 Grad Celsius mehr oder weniger, das klingt nach wie vor nicht viel. Aber 1-2 Grad Celsius können den Unterschied zwischen Prosperität und Armut oder Leben und Tod ausmachen, je nachdem wo man sich auf der Welt befindet. Diese Frage ist nur eine von vielen beängstigenden Vorstellungen, die sich beim Lesen von Marc Elsbergs Celsius unweigerlich in die Gedanken der Lesenden drängen.

Nur wenige Kleinigkeiten haben beim Lesen etwas gestört. Bisweilen treibt es der Autor mit den Handlungssträngen für meinen Geschmack etwas zu sehr auf die Spitze, indem er z.B. auch mögliche Szenarien in den Text einfließen lässt und man beim Lesen nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden kann. Diese Konfusion beim Lesen ist zweifelsohne beabsichtigt und jene Passagen sind handwerklich erstklassig gemacht, jedoch störte es bei mir manchmal den Lesefluss.

Unweigerlich versucht man beim Lesen sich mit den Hauptfiguren zu identifizieren, ihre Gedanken und Beweggründe nachzuvollziehen, frei nach dem Motto: „Wie würdest du entscheiden?“. Aber irgendwie wollte der Funke dieses Mal nicht auf mich überspringen, was möglicherweise am global widersprüchlichen Kontext (z.B. sehr unwahrscheinlichen Bündnissen) lag. So sind die Hauptfiguren eher Betrachter der Handlung statt Agierende. Dabei geht es durch alle Gesellschaftsschichten und die Orte wechseln über mehrere Kontinente. Alle Figuren bleiben mehr oder weniger machtlose Spielbälle des jeweiligen Szenarios, während andere die Fäden der Geschichte ziehen.

Fazit

Alles in allem ist Celcius ein aufrüttelnder und rasanter Klimathriller, in dem Marc Elsberg eine beängstigende Vision menschlichen Handelns beschreibt. Stetig finden die Ereignisse gleich mehrere Aufschlagpunkte auf der Welt und machen dem Lesenden so deutlich, wie sehr der Klimawandel ein globales Phänomen und Machtmittel ist, das ohne Weiteres die bisherige politische Tektonik aushebeln kann.

Von der ersten bis zur letzten Seite bleibt die Spannung hoch. Die schnellen Wechsel der Personen und Orte vermitteln einen stark cineastischen Eindruck. Wenn Celsius in absehbarer Zeit verfilmt werden sollte, würde ich es mir auf jeden Fall anschauen. Danach würde ich aber natürlich aus dem Kino gehen und sagen: "Also, das Buch war viel besser." 

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