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Burnout-Prävention mit der Taskforce Skip-BO

Das 23. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Am letzten Tag vor Weihnachten ist das Potenzial für Ausfälle durch Erschöpfung auch am Nordpol sehr hoch. Daher hat sich eine Taskforce gegründet, über die Ruka in ihrer Geschichte erzählt.

„Also gut, meine Lieben. Wie ihr wisst, beginnt jetzt die besonders kritische Phase des großen Festes. Ausfälle und Verzögerungen kann sich keiner mehr leisten, das perfekte Fest muss stattfinden!“ Die letzten beiden Worte betonte Brellart besonders. Als Leiter der Abteilung für weihnachtliche Standhaftigkeit und Besinnungsausdauer war es seine Aufgabe, Krankheitsausfälle und andere Störungen vor dem Weihnachtsfest zu verhindern. In den letzten Jahren hatten sie die Erfahrung gemacht, dass die Stressbelastung durch Weihnachten signifikante Erhöhungen verzeichnete. Das wiederum bedeutete eine steigende Gefahr von Burnouts der besonders belasteten Zielgruppen. Zu diesen zählten Briefträger, Paketboten, Mitarbeitende im Einzelhandel und der Gastronomie sowie Frauen; insbesondere Mütter. Auch am Nordpol selbst hatte sich der Krankenstand durch psychische Belastung erhöht, was neben dem Wichtelverlust durch Bandabwicklung und Archivgänge nicht mehr tragbar war.

Aus diesem Grund hatte Brellart die Taskforce Skip-BO (wobei BO natürlich für BurnOut stand) gegründet, die wiederum effektive Maßnahmen zur Burnout-Prävention ergriffen hatte. Das Wellnessangebot ‚Entspannen unter Tannen‘ war im höchsten Maße beliebt gewesen und die Teilnehmenden befanden sich bislang ohne Ausfälle im stressigen Weihnachtsgeschäft.

Ebenso ausgebucht – viele Abteilungsleitende aus dem oberen Nordpol-Management hatten ihre Mitarbeitenden dazu angemeldet – war die sportlich orientierte Veranstaltungsreihe „Rennen statt flennen“, die darauf abzielte, sich den Stress einfach aus der Seele zu sprinten. Wer nach einem ordentlichen Hundertmetersprint noch Kraft hatte, Tränen zu produzieren, der konnte auch nochmal 50 Meter dranhängen. Auch bei den Wichteln, die daran teilgenommen hatten, war der Krankenstand quasi bei null. Gut, bei einigen hatte sich danach leichtes Muskelzucken eingestellt, besonders, wenn jemand durch die Tür trat oder das Wort „Dauerlauf“ verwendet wurde, aber wie sagt man immer so schön: ein bisschen Schwund ist immer.

Lediglich der eher medizinisch angehauchte Vorschlag zur Bekämpfung von und durch De(kom)pression hatte keinen Anklang gefunden. Der Große Rote hatte ausdrücklich verboten, schwache Nerven der Mitarbeitenden einfach chirurgisch entfernen zu lassen. Brellart musste sich fügen, auch wenn er dem Großen Roten Verzärtelung der arbeitenden Massen vorgeworfen hatte.

„Neben den präventiven Maßnahmen haben wir nun auch einige Akut-Behandlungen vor uns. Ziel ist es, die Erkrankten oder Überbelasteten möglichst schnell wieder auf die Straße zu bringen, damit sie ihren Job machen können. Kranksein kann man auch nach Weihnachten, da ist noch Zeit genug, sich auf die Couch zu legen. Jeder weiß, was er zu tun hat?“

Die Taskforce ‚Skip-BO‘ nickte eifrig. „Erstwichtel Blobba, prüfen Sie die Ausrüstung für den Straßeneinsatz.“ Ein schmaler Wichtel trat einen Schritt vor und begann nach und nach Ausrüstungsgegenstände von seiner Uniform zu präsentieren, während seine Kollegen und Kolleginnen es ihm gleichtaten. „Erste Gürteleinheit: Taschentücher! Dreilagig, reißfest und mit leichtem Lavendelduft zur Beruhigung!“ Blobba hob ein Päckchen Taschentücher hoch, drehte es prüfend um 360 Grad und verstaute es wieder in der entsprechenden Tasche. „Zweite Gürteleinheit: Schokolade! Vollmilch für milchtrinkende Menschen, Zartbitter für Veganer und Laktoseintolerante, Marzipan für Weihnachtsfanatiker*innen.“ Beispielhaft wurde eine Tafel Vollmilchschokolade präsentiert und  wieder eingesteckt. „Dritte Gürteleinheit: Baldriangranate für den Masseneinsatz!“ Stark riechende grüne Kugeln wurden in die Höhe gereckt und verschwanden in den dafür vorgesehenen Fächern. „Und zu guter Letzt, Rucksackeinheit 1: Drei Haselnüsse für Aschenbrödel als DVD, Bluray und Videokassette für die besonders Betroffenen!“ Die Anwesenden wühlten in ihren Rucksäcken, prüften auf Vollständigkeit und verschlossen die Taschen sorgsam. „Alles bereit, Abteilungsleiter Brellart!“ “Was ist mit der Akut-Behandlung bei schwerwiegenden Härtefällen?” “Oh, ja, fast vergessen.” Blobba stürmte ins Büro und kam mit einem kleinen Körbchen zurück, aus dem ein kleiner Zipfel Flauschdecke herausragte. Vorsichtig öffnete der Wichtel die ins Holz eingelassene Tür und zog ein verschlafen guckendes Flauschbällchen heraus: “Babykätzchen für akute Notfälle bereit.” Wie zur Bestätigung gähnte besagtes Babykätzchen herzhaft und herzzerreißend süß, miaute quietschend und kuschelte das Köpfchen in Blobbas Hand. Einen Moment standen Taskforce wie Abteilungsleiter verzückt lächelnd herum, machten “aaaaw” und “ach Gottchen, ist das niedlich” und betrachteten das schlafende Etwas glückselig – bis sich Bellart wieder der Dringlichkeit seiner Aufgabe besann. “Ja, funktioniert! Wegpacken!”, bellte er befehlerisch. Blobba bugsierte das Kitten vorsichtig zurück in sein Körbchen und verschloss die Gittertür.

Brellart war sehr zufrieden. Seine Leute waren ausgezeichnet vorbereitet für den Endspurt vor dem Fest. So konnte nichts mehr schief gehen. Allerdings … irgendwas stimmte doch da nicht? Er zählte die Wichtelhüte: ‚Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, s … sechs … sechs nur?‘ „Wo ist Wichtelin Minna?“ Unruhig blickten sich die Mitglieder der Taskforce gegenseitig an und traten verlegen von einem Bein auf das andere. „Also?“ „Äh … Wichtelin Minna ist gestern im Außeneinsatz gefallen.“ „Wie bitte?!“ Entsetzen schlich sich in das zuvor so zufriedene Gesicht Brellarts. Gefallen? Ausgerechnet einer aus seiner Taskforce? Wie konnte das nur passieren? „Wie konnte das nur passieren?“, fasste Brellart seine Bestürzung in Worte. „ Es … äh, also … es war ein besonders schwerer Einsatz.“ „Was für ein Einsatz?“ „Im lokalen Einzelhandel.“ „Herrgott, jetzt lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen! Rücken Sie schon raus mit der Sprache!“ „Naja, die haben im Einkaufszentrum eine Rabatt-Aktion für kurzentschlossene Männer gemacht … mit einer perfektes-Geschenk-für-die-Ehefrau-Garantie.“ ‚Einen Tag vor Heiligabend?! Große Güte‘, dachte Brellart. ‚Wie sollten sie es jemals schaffen, den Krankenstand und die Burnout-Ausfälle vor Heiligabend zu verhindern, wenn es Menschen auf der Welt gab, die scheinbar zu allem fähig waren. Selbst zu einer solchen weihnachtlichen Kamikaze-Aktion?‘ Eine Schweißperle stahl sich über Brellarts Stirn. Krankheitsausfälle waren in der Taskforce nicht eingeplant. Und sie konnten sich einen solchen auch nicht leisten. Sie arbeiteten ja schon in Notbesetzung, weil keiner Lust hatte, in der Abteilung für weihnachtliche Standhaftigkeit und Besinnungsausdauer mitzuhelfen. Er musste etwas unternehmen, um einen weiteren Ausfall zu verhindern. „Der Feierabend heute Abend muss leider ausfallen“, verkündete er entschlossen. „Um weitere Komplikationen zu vermeiden, werden wir stattdessen heute Abend gemeinsam an der Burnout-Präventionsmaßnahme ‚Stress vertagt heißt nicht versagt‘ unterziehen, in der wir lernen, den kommenden Burnout auf die Tage nach der Weihnachtszeit zu verlegen.“

Blobba bemerkte die Veränderung in den Augen seiner Kameraden und Kameradinnen und öffnete seufzend die Gittertür des Weidenkörbchens, um Schlimmeres zu verhindern.

 

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