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Die Bibliothek des Wahnsinns

Seltsame Bücher, skurrile Manuskripte und andere literarische Kuriositäten - auch fürs Rollenspiel

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Kategorie: Literatur

Betreten Sie die Welt der Die Bibliothek des Wahnsinns von Edward Brooke-Hitching, das die bemerkenswertesten und einzigartigsten Bücher aus der ganzen Welt zusammenführt. Als Ergebnis von zehn Jahren sorgfältiger Forschung, öffnet es die Tür zu einer Sammlung, die weit über das Gewöhnliche hinausgeht. Von wissenschaftlichen Kuriositäten bis hin zu historischen Raritäten – jedes Buch in dieser Zusammenstellung erzählt eine eigene Geschichte über menschliche Kreativität, Neugier und manchmal auch Obskurität. Es lädt ein, die Vielfalt und Tiefe literarischer Schätze zu erkunden, die jenseits der konventionellen Literaturgeschichte liegen.

Eine Dekade auf der Jagd nach dem Außergewöhnlichen


Umgeben von Büchern seit seiner frühesten Kindheit und als Sohn eines Antiquars, widmete Edward Brooke-Hitching die vergangenen zehn Jahre der Sammlung von Material für ein Projekt, das einzigartig in seiner Form ist. Fasziniert von der Welt der Bücher, hegte Brooke-Hitching die Vision, eine Bibliothek ins Leben zu rufen, welche die physischen und inhaltlichen Grenzen dessen, was ein Buch sein kann, neu definiert. Er strebte danach, jene verborgenen Schätze aus den Tiefen der Depots ans Licht zu bringen, um eine Sammlung zu erschaffen, die die unermessliche Neugier und die vielfältigen Facetten des menschlichen Geistes widerspiegelt. Seine unermüdliche Suche nach der "ultimativen Bibliothek" führte ihn zu den skurrilsten und außergewöhnlichsten Büchern der Welt, weit entfernt von den gängigen Erstausgaben der Weltliteratur. Ausgehend von der leitenden Frage, welche Werke eine Sammlung literarischer Kuriositäten bilden würden – zusammengestellt von einem Sammler, der sich nicht durch Raum, Zeit oder finanzielle Mittel einschränken lässt –, gelang es ihm, die faszinierendsten Exemplare zusammenzutragen.


Auswahl der Bücher: Ein Kaleidoskop des Kuriosen

Die Sammlung umfasst Werke, die die tiefste Exzentrik des menschlichen Verstandes zeigen. Wir erfahren, dass Bücher, die in Menschenhaut gebunden wurden, zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert überraschend verbreitet waren. Diese Praxis umfasst verschiedene Kategorien: Zum einen wurden Bücher von Verbrechern häufig in deren eigene Haut gebunden, als eine Art makabre Erinnerung an ihre Taten. Zum anderen gab es Bücher, deren Inhalt in direktem Bezug zu der Haut stand, in die sie gebunden wurden; so wurden etwa Werke über den weiblichen Körper in weibliche Haut eingebunden. Eine besonders kuriose Anekdote ist die Geschichte einer Verehrerin eines Astronomen, die ihm nach ihrem Tod ihre Haut vermachte, damit er sein neuestes Werk darin binden lassen konnte. Diese Praxis wirft ein Licht auf die komplexen und oft verstörenden Wege, auf denen die menschliche Haut als Material für Bucheinbände verwendet wurde, und eröffnet tiefere Einblicke in die kulturellen und persönlichen Bedeutungen, die Büchern beigemessen wurden. Hier sind weitere Beispiele aus Brooke-Hitchings Sammlung:

Der Blut-Qur’an von Saddam Hussein ist ein verstörendes Zeugnis der Eitelkeit und des Tabus. Es ist ein beeindruckendes Werk, das den Gipfel menschlicher Eitelkeit und spiritueller Verwirrung darstellt. Über zwei Jahre ließ der ehemalige irakische Diktator Saddam Hussein zwischen 24 und 27 Liter seines Blutes abzapfen, um einen Qur'an zu schreiben. Das Ergebnis ist ein ästhetisch atemberaubendes, aber ethisch höchst umstrittenes Buch, das in der Moschee Umm al-Ma'arik in Bagdad ausgestellt wurde. Seine Existenz warf nach dem Sturz des Diktators schwierige Fragen auf, die bis heute unbeantwortet bleiben. Für Muslimas und Muslime ist es "haram" also sündenhaft und sollte zerstört werden. Da es sich jedoch um einen Qur'an also die heilige Schrift handelt, ist eine Zerstörung verboten. Zurzeit liegt es hinter drei Schlössern im Depot.

 

De integritatis et corruptionis virginum von Séverin Pineau ist eine düstere Reflexion über die Vergänglichkeit und den Charme der Makabrität. Dieses Werk über Jungfräulichkeit, Schwangerschaft und Geburt, eingebunden in die Haut einer Frau, spiegelt eine makabre Faszination für menschliche Haut als Einbandmaterial wider, die besonders im 18. und 19. Jahrhundert in Europa und den USA verbreitet war. Es dient als ein dunkles Zeugnis dafür, wie Bücher als Statussymbole und morbide Kunstwerke dienten und wie sich unser Bezug zum toten Körper in der Zeit ändern kann.


Die erfundenen Tiere von Constantine Samuel Rafinesque sind dagegen eine humorvolle Erinnerung an die Grenzen der Wissenschaft und die Leichtgläubigkeit. Rafinesque, ein französischer Naturhistoriker, wurde vom berühmten John James Audubon mit fiktiven Tieren in die Irre geführt, die er dann akribisch dokumentierte. Dieses Beispiel zeigt, wie wissenschaftliche Entdeckungen und menschliche Eitelkeit Hand in Hand gehen können.

 

Das Dreieckige Buch des Grafen von St. Germain ist ein mystisches Werk, das Unsterblichkeit schenken sollte. Zumindest behauptete es St. Germain im 18. Jahrhundert. Es war der gleiche St. Germain der ebenfalls behauptete, dass er anwesend war, als Jesus Wasser zu Wein verwandelt hatte.

 

Auszüge aus Poissons, ecrevisses et crabs von Louis Renard begrüßen die Leserin oder den Leser auf dem Vorsatzblatt. Es ist ein farbenfrohes Beispiel für die frühe europäische Auffassung von der exotischen Tierwelt Indonesiens, das wissenschaftliche Genauigkeit zugunsten künstlerischer Freiheit opferte. Renards Werk ist voll von Fischen mit menschlichen und vogelähnlichen Zügen, die die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischen.


Jenseits der Bücher: Die Geschichten, die sie erzählen

Brooke-Hitching interessiert sich nicht nur für die physischen Objekte, sondern auch für die Geschichten hinter den Büchern. Er erforscht Werke, die "Bücher, die gar keine sind", darstellen und erzählt von historischen Kommunikationsmitteln, die vor Büchern existierten. Sein Interesse gilt den Geschichten und den Kontexten, die jedes Buch umgeben, und den unkonventionellen Wegen, die zur Entstehung dieser Werke geführt haben. Besonders faszinierend ist Brooke-Hitchings Erkundung von Kommunikationsformen, die vor der Erfindung konventioneller Bücher existierten. Er beleuchtet etwa die Nutzung symbolträchtiger Gegenstände bei den Skythen oder die Knotenschrift der Inka, die als frühe Versuche der Menschheit gelten, Wissen und Botschaften zu übermitteln. Diese Betrachtungsweise eröffnet eine neue Perspektive auf das, was ein Buch ausmachen kann, und erweitert somit unseren Horizont hinsichtlich der Definition und Funktion von Literatur.

 

Schreibstil: Informativ, unterhaltsam und oft humorvoll

Der Autor vermag es, die Leser*innen mit einem Stil zu fesseln, der informativ, interessant und oft humorvoll ist. Er bringt Licht in die dunkelsten Ecken der Literaturgeschichte und macht Die Bibliothek des Wahnsinns zu einer unterhaltsamen und lehrreichen Lektüre. Leider gibt es nicht für jedes erwähnte Werk eine Geschichte und manches Bild bekommt höchstens einen Untertitel, aber keine Ausführung. Ebenfalls wäre es interessant, welche Quellen neben der reduzierten Bibliografie herangezogen wurden und welche Museen oder Sammlungen der Autor sonst empfehlen würde.

Die Übersetzung von Lutz-W. Wolff ist äußerst gelungen und der Text liest sich damit auch im Deutschen flüssig.

 

Relevanz fürs Rollenspiel

Ungeachtet dessen, dass das geliebte Necronomicon lediglich eine Erwähnung als "Zauberbuch" (S.77) findet, ein Hinweis auf die Grenzen zwischen Fiktion und der Realität der gesammelten Kuriositäten, bietet diese Sammlung hunderte Anknüpfungspunkte fürs Rollenspiel. Ob Pen'n'Paper, Larp oder beim Programmieren eigener Computerrollenspiele, bietet die Bibliothek des Wahnsinns für viele Genres Material.

Verknüpft man die Geschichten rund um bizarre Publikationen mit dem Komischen Grauen, bekommt man Ideen für ein eigenes Abenteuer für Call of Cthulhu oder Trail of Cthulhu. Sucht man aufheiternde Artefakte für Shadowrun oder Vampire, finden sich zahlreiche Beispiele, wie die japanische Schriftrolle He-Gassen (1600-1800), die comichaft einen Furzwettbewerb zeigt, bei dem sogar Katzen weggepustet werden. Aber auch klassische Fantasy-Kampagnen profitieren sowohl von einzelnen bizarren Büchern im Kapitel "Werke des Übernatürlichen" als auch von Plottwists, wenn das zu findende Buch sich als das größte oder schwerste Buch der Welt entpuppt und die Heldengruppe vor die logistische Frage stellt, wie man es aus dem Magierturm transportiert. Hierzu inspiriert der 300 Kilogramm schwere Koran, der im Hof der Bibi-Chanum-Moschee in Samarkand zu finden war.

Rätselfreunde finden Beispiele für Steganografie, einer Kommunikationsform, die sich durch ihre Verborgenheit auszeichnet, indem sie den Anschein erweckt, nicht vorhanden zu sein. Neben anderen Formen der Geheimschrift untersucht Brooke-Hitching eingehend die diversen Methoden und Techniken, die im Laufe der Jahrhunderte entwickelt wurden, um Informationen so zu übermitteln, dass sie vor den Blicken Unbefugter geschützt bleiben. Das Buch gewährt Einblick in eine Vielzahl von Beispielen – von historischen bis hin zu komplexen Codierungen, die sich in literarischen Werken oder den Marginalien seltener Manuskripte finden – und beleuchtet die intellektuellen Herausforderungen sowie die kreativen Lösungen, die zum Schutz und zur Weitergabe von Wissen, Geheimnissen oder gar verbotenen Inhalten genutzt wurden.

Das Kapitel über Bestiarien, das sich von der Antike bis zur frühen Neuzeit erstreckt – einer Ära, die durch die Entdeckungsreisen von James Cook und anderen Seefahrern bereichert wurde –, stellt sich als unschätzbarer Fundus für Rollenspieler*innen heraus. Die dazu passende Podcast-Folge "Antike Fabelwesen und Wundervölker" von Ungeheuer Vernünftig liefert zudem wertvolle Ergänzungen und taucht tief in die Eigenheiten dieser faszinierenden Kreaturen ein. Dieses Kapitel erweitert also nicht nur das Verständnis für die früheren Vorstellungen von Fabelwesen in fernen Ländern und vergangenen Zeiten, sondern liefert authentisches und originelles Rollenspielmaterial.

Ein besonderes Beispiel für den Einsatz von Geheimschriften ist die im Kamasutra beschriebene "45. Kunst", das Mlecchita-Vikalpa, also die Technik, Briefe zu verschlüsseln. Diese Methode zur Nachrichtenverschlüsselung veranschaulicht nicht nur die Vielschichtigkeit kultureller Praktiken verdeckter Kommunikation, sondern vermittelt durch die Bezüge zum Kamasutra, welches vorrangig für seine erotischen Inhalte bekannt ist, auch Einblicke in das ausgeprägte Verständnis alter Zivilisationen für geheime Botschaften. Die Betrachtung dieser Verschlüsselungskunst verdeutlicht die historische und kulturelle Relevanz der Diskretion und des Datenschutzes in der Kommunikation. Diese vertiefen eingebaute Rätsel, die im Larp oder am Tisch von der Spielleitung ausgeteilt werden können.

 

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