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Bernsteinstaub

Zeit darf nicht gestohlen werden

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Kategorie: Literatur

Die Berlinerin Ophelia kommt oft zu spät. Doch das liegt nicht an der BVG, sondern an ihrer Gabe: Sie ist eine Zeitlose und kann Zeit sehen und beeinflussen, aber diese spielt plötzlich verrückt und Ophelia muss zum Bernsteinpalast der Zeitlosen.

Irgendwie kommt Ophelia ständig Zeit abhanden. Obwohl sie rechtzeitig aufsteht und losradelt – zu spät ist sie immer. Aber das hat sie akzeptiert, das ist wohl einfach ihr Ding, das stets-zu-spät-Sein. So wundert sie sich auch heute nicht, dass sie – mal wieder – Zeit verloren hat, und nicht pünktlich in der Schule ankommen wird, als feine Staubschwaden sie plötzlich von ihrem Fahrrad reißen. Eine ähnliche Situation erlebte sie bereits als kleines Kind, als ihr Vater bei einem mysteriösen Autounfall starb. Was hat es damit bloß auf sich?

Dieser Staub ist kein gewöhnlicher Staub – es ist die Zeit, die auf sich aufmerksam macht und Ophelia zu einer sogenannten Zeitlosen berufen hat. Als wäre dieser Umstand für die 16-jährige Ophelia nicht schon nervenaufreibend genug, besteht ihre Mutter auch noch darauf, dass sie sofort zur Pendulette-Verwandtschaft nach Paris zieht. Sommercamp adé. Auch Grete, Ophelias große Schwester, ist vor einiger Zeit zu den Pendulettes nach Frankreich gezogen. Angeblich, um dort ein Internat zu besuchen, doch Ophelia weiß es nun besser – ihr wird in Paris das Beherrschen der Zeit gelehrt!

Bereits der Weg zu ihrem neuen Zuhause ist anders, als Ophelia es sich vorgestellt hatte. Sie reisen auf les temps, einem unterirdischen Zeitstrom aus Zeitstaub, der die Welt miteinander verbindet und alle in Windeseile nach Paris befördert. Ophelias Wissbegierde wird gleich nach der Ankunft bereits ausgebremst, niemand will mit ihr über das Schicksal ihres Vaters reden und Zeit zum Lernen bleibt der jungen Zeitlosen ebenso nicht. Denn bevor ihr neuer Alltag losgehen kann, werden alle Zeitlosen vom Herrn der Zeit nach Rom in den Bernsteinpalast berufen, um sich der größten bisher dagewesenen Krise entgegenzustellen: les temps spielt verrückt, Zeiten überlappen sich und gehen verloren! Und so kommt es, dass Ophelia unfreiwillig ein wichtiger Bestandteil zur Rettung der Zeit wird, während sich die Ereignisse überschlagen.

 

Alles eine Frage der Zeit

Obschon der Tatsache, dass Ophelia eine Zeitlose ist, scheint ihr gerade die Zeit immer zu fehlen. Ob es sich dabei um pünktliches Erscheinen zu Verabredungen handelt, die neue Verwandtschaft kennenzulernen, oder um ihre neuen Fähigkeiten zu verstehen. Dass ihre Ururgroßmutter Pippa augenscheinlich etwa in Ophelias Alter zu sein scheint, macht den Umstand nicht leichter zu verstehen. Und von ihren Verwandten zu lernen, wie man die Zeit auch nur für einen kurzen Moment anhält, ist schwerer, als Ophelia es sich vorgestellt hat!

Dass ausschließlich im Bernsteinpalast die Zeit auf ewig stillsteht, ist sogesehen ein praktischer Nebeneffekt für die sich überstürzenden Ereignisse. Zwar bietet der Palast so Totgeweihten wie zum Beispiel Helena von Troja, deren Lebenszeit nur noch wenige Sekunden lang ist, eine Zuflucht vor dem Tod, jedoch nehmen die Vorkommnisse keine Rücksicht auf die hier vorherrschende Abwesenheit der Zeit. Zusammen mit ihrer Schwester Grete, Darius und dem wortkargen Sonderling Leander erfährt und widerfährt Ophelia ziemlich viel in kürzester Zeit. Auch ihr verstorbener Vater scheint eine zentrale Rolle innerhalb der Zeitzerwürfnisse zu spielen, was Ophelia immer weiter antreibt, nach Antworten zu suchen.

Das Buch beschreibt einen relativ engen Zeitabschnitt, doch nimmt sich die Autorin Mechthild Gläser auf 464 Seiten genug Raum für die Geschichte, bleibt aber in bestimmten Punkten für meinen Geschmack etwas zu oberflächlich bei genaueren Erklärungen. Das ist für Thematiken, die mit dem Thema „Zeit“ hantieren allerdings nicht so ungewöhnlich und durchaus verschmerzbar.

Die Hauptcharaktere Ophelia und Leander, aus dessen Sicht einige Passagen verfasst sind, bilden klar den Fokus des Geschehens, doch auch viele weitere Charaktere übernehmen wichtige Rollen in der Storyline. So können bisweilen Längen entstehen, die aber dennoch dazu beitragen, die Geschichte runder zu machen.


Fazit

Bernsteinstaub von Mechthild Gläser ist ein flüssig und flux zu lesender Jugendroman, der meine Lieblingsthematik „Zeit“ aufgreift und mich vom Aufbau sehr an ihr Vorgängerwerk Die Buchspringer erinnert hat. Generell baut Mechthild Gläser ein solides Setting um die junge Protagonistin auf, die nicht zu kindisch aber auch nicht zu erwachsen daherkommt – ein typischer Teenager eben, der den erwachsenen Leser gerne mit seinem Verhalten etwas nerven kann.

Wie ein „typischer Jugendroman“ kommt auch der Aufbau der Story daher, das muss man mögen, um Gefallen an dem Buch zu finden. So ist hier eine junge Heldin, der ein Elternteil fehlt, eigentlich ein ganz normaler Teenager, bis zu Tag X, an dem sich alles ändert, wegen Fähigkeit Y. Und obwohl eine große Unwissenheit und Unsicherheit ob der neuen Kräfte herrscht, ist sie die Rettung der Welt und nebenbei gibt es sogar ein wenig Romantik.

Doch das Schema X hat der Geschichte nicht geschadet. Mir hat das Buch sehr gut gefallen: Es war stimmig, flüssig runterzulesen, das Zeitkonzept und Zeitverhalten waren interessant und die Charaktere, trotz ihrer Eigenheiten, sympathisch und innerhalb ihrer Wesenszüge nachvollziehbar dargestellt. Außerdem ein Pluspunkt: Das Hardcover-Buch ist richtig schön gestaltet!

 

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