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Bernhard Hennen

„Es ist immer ein kritischer Augenblick, wenn das Bücherpäckchen mit den Belegen kommt.“

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Kategorie: Literatur

Die bekanntesten Werke von Bernhard Hennen sind sicherlich seine Elfen-Romane, mit denen er alle Bestsellerlisten stürmte und sich an die Spitze der deutschen Fantasyautoren schrieb. Doch auch abseits davon ist der Erfolgsautor, der mehr als 30 historische und phantastische Romane sowie eine Reihe von Kurzgeschichten veröffentlicht hat, ein begabter Erzähler. Im Interview mit Karsten Dombrowski berichtet er von seinen aktuellen Projekten.

Zauberwelten: Gerade ist Band 3 der Chroniken von Azuhr erschienen. Für alle Leser, die noch nie etwas von dieser Romanreihe gehört haben – worum geht es darin? Was macht aus Deiner Sicht das Besondere an dieser Serie aus?

Bernhard Hennen: Die Geschichte beginnt in einer Welt ohne Magie und Fabelwesen. Die Insel Cilia, der Schauplatz der ersten beiden Romane, erinnert an ein spätmittelalterliches Süditalien. Dann verändert sich durch ein kosmisches Ereignis die Wirklichkeit. Wenn Menschen fest an etwas glauben, kann es sich manifestieren, und so erscheinen zunächst die Märengestalten, Figuren aus Märchen und Sagen, an die vor allem Kinder glauben. Doch das ist erst der Anfang … Es geht auch nur auf den ersten Blick um Märchen, denn eigentlich ist dies ein Roman über Fake News und wie sie die Wahrheit überlagern, bis sie aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet. Diese Magie bietet aber auch neue Chancen. Wenn nur genügend Menschen daran glauben, kann eine neue, gerechtere Gesellschaft entstehen. Nie war das Paradies näher. Eine Besonderheit beim dritten Band war, dass ein lange gehegter Schriftstellertraum nach einem Vierteljahrhundert wahr geworden ist. Ich hatte immer darauf gehofft, einmal während des Schreibens einer Geschichte an Orten zu verweilen, die den Schauplätzen zumindest ähneln. In diesem Frühjahr ist das endlich wahr geworden. Viele Szenen des Romans Die Chroniken von Azuhr – Der träumende Krieger spielen im Khanat, also in einem asiatischen Setting. Die Mehrzahl davon habe ich in Seoul, in Südkorea, als Gast des Seoul Art Space_Yeonhui geschrieben. Dort habe ich ein kleines Appartment von der Stadt Seoul gestellt bekommen und konnte an der Seite meiner Kollegin YK Yoon einige der Geheimnisse dieser großartigen Stadt erkunden. Wenn ich die Paläste des Khanats beschreibe, habe ich den Königspalast Gyeongbokgung (Strahlende Glückseligkeit) im Kopf, ich habe gelernt, wie man Suppe mit Stäbchen isst und wie man sich an frittierten Teigtaschen mit Honigfüllung gleichzeitig die Zunge und die Finger verbrennen kann.

ZW: Ohne zu viel zu verraten, was kannst Du uns über den aktuellen Band erzählen? Worauf können sich die Leser freuen? Was hat Dir beim Schreiben besonders Spaß gemacht?

Bernhard: Nachdem die ersten beiden Bände der Reihe auf der Insel Cilia spielten, beginnt nun eine große Reise, die durch die halbe Welt führen wird. Auf der einen Seite gibt es das Reich mit seiner spätmittelalterlichen Kultur, das an Europa im frühen 15. Jahrhundert erinnert, mit seinen Fachwerkstädten, Burgen, einem machtvollen Ritterorden und zum Teil etwas ungewöhnlichen Märengestalten, wie dem Brennenden Mann, den Nachzehrern oder der Famurgan. Demgegenüber steht das Khanat, das sich in vielen Aspekten an China nach dem Tod des Kublai Khan orientiert. Wir begleiten den Wandernden Hof des Khans, der rastlos durch das Reich zieht und von grausamen Intrigen geprägt ist. Beide Reiche rüsten für den großen Krieg, der das Schicksal der Welt bestimmen wird, und versuchen, Märengestalten in ihre Heere einzubeziehen. Zugleich sind die Protagonisten der Geschichte, Milan, Nandus und Nok einer Jahrhunderte währenden Verschwörung auf der Spur.

ZW: Wie fühlt es sich an, nach getaner Arbeit ein fertiges Buch in Händen zu halten? Ist das heute immer noch spannend für Dich oder mittlerweile business as usual?

Bernhard: Es ist immer ein kritischer Augenblick, wenn das Bücherpäckchen mit den Belegen kommt. Ist das Cover in den Farben so geworden wie erhofft? Finde ich schon in den ersten fünf Minuten beim Blättern einen Fehler? Mit den Jahren im Geschäft wächst das Wissen, wie viel schiefgehen kann. Die Spannung ist also immer noch da, weicht aber nach einer Viertelstunde kritischer Prüfung fast immer großer Erleichterung. Und dann steht, je nach Jahreszeit, ein Erdbeerbecherschlemmen oder ein Waffelessen mit der Familie an, um das neue Buch zu feiern.

ZW: Sind die Chroniken von Azuhr mit diesem Band abgeschlossen oder wird es mit der Geschichte um Milan Tormeno oder zumindest mit Geschichten um die Welt Azuhr weitergehen?

Bernhard: Mit der Trilogie um Milan, Nok und Nandus ist eine große Geschichte zu Ende erzählt. Viele Kreise schließen sich im letzten Band. Doch auch wenn die Geschichte abgeschlossen ist, hoffe ich, dass nach der letzten Seite ein bisschen Wehmut bei den Lesern bleibt – die Sehnsucht, noch einmal in der Welt der Mären zu reisen. In mir schlummern schon zwei neue Geschichten für Azuhr, doch zunächst wird meine Reise als Autor mich in andere Welten führen.

ZW: Kommen wir zu einem ganz anderen Projekt, der Phileasson-Saga, die Du zusammen mit Robert Corvus vorantreibst. Worum geht es darin?

Bernhard: Auf den ersten Blick ist die Phileasson-Saga eine große Reisegeschichte. Sie führt auf eine Entdeckungsfahrt rund um den Kontinent Aventurien und darüber hinaus. Jedes Buch stellt andere Regionen und Kulturen vor. Entgegen dem aktuellen Trend in der Fantasy, sich mit dem Fighting Kingdoms-Thema zu beschäftigen, sind diese Bücher bewusst ein wenig oldfashioned. Es geht um Entdeckung auf allen erdenklichen Ebenen. Der rote Faden, der alle Geschichten miteinander verbindet, sind die Geheimnisse der lange versunkenen Hochelfenkultur. Vordergründig treten die zwei Thorwaler-Kapitäne (Thorwaler sind die Wikinger Aventuriens) Phileasson und Beorn zu einer Wettfahrt um den Titel König der Meere an, doch selbstverständlich geht es um viel mehr.

ZW: Wie kann ich mir Eure Zusammenarbeit vorstellen? Ihr sitzt vermutlich nicht zusammen in einem Büro und arbeitet gemeinsam an der Geschichte, oder?

Bernhard: Das tun wir auch, aber erst in der Endphase der Textbearbeitung. Wir benutzen die alten Rollenspielabenteuer, auf denen die Romane basieren, als Regieanweisung zur Entwicklung der Bücher. Darauf fußend entwirft Robert Corvus ein Kapitel-Exposé. Er schreibt die Ereignisse aus der Perspektive von Phileasson, ich schlüpfe in die Rollen Beorns und seiner Crew. Wenn unsere Texte fertig sind, teilen wir sie per Mail und bearbeiten sie. Schließlich treffen wir uns in Roberts Büro zum Feinschliff. Das sind Arbeitssitzungen, die dann gerne schon mal zehn Stunden und länger dauern. Wenn dies vollbracht ist, geht der Roman in das Lektorat des Ulisses-Verlags, um auf Weltenfehler geprüft zu werden, und erst danach bekommt ihn der Heyne-Verlag zum konventionellen Lektorat.

ZW: Das Romanprojekt basiert auf einigen Abenteuerbänden zum Pen & Paper-Rollenspiel Das Schwarze Auge, die schon vor etwa 30 Jahren erschienen sind. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, diese nach all den Jahren in eine Romanreihe umzusetzen? Was fasziniert Dich immer noch an dieser Geschichte?

Bernhard: Das Rollenspielabenteuer ist seit drei Jahrzehnten im Druck. In dieser Zeit haben – rechnet man einen Computerspielableger dazu – deutlich über eine Viertelmillionen Menschen diese Geschichten gespielt. Man kann also sagen, sie sind beliebt. So kamen Robert und ich auf die Idee, diese Inhalte auch zu Lesern weiterzutragen und einen neuen Akzent gegen die Fantasywelle zu setzen, die vor einem Jahrzehnt mit Game of Thrones begann, indem wir uns bewusst sehr weit von George R. R. Martins Themen entfernen. Obendrein habe ich – wie auch meine Elfen-Romane zeigen – schon seit drei Jahrzehnten eine Vorliebe dafür, Elfen und Wikinger aufeinanderprallen zu lassen. Man könnte sogar sagen, in der Phileasson-Saga liegen viele der Wurzeln, aus denen meine späteren Arbeiten erwachsen sind.

ZW: Diese Rollenspielabenteuer entstanden, wenn ich das richtig sehe, relativ am Anfang Deiner literarischen Karriere. Hattest Du jetzt beim Schreiben der Romane so etwas wie ein Gefühl von Heimkehr nach Aventurien?

Bernhard: Es ist mehr eine Heimkehr zu den Menschen, mit denen ich einst die Testspiele zu meinen Rollenspielabenteuern gemacht habe. Manchmal haben wir uns zu acht in meinem Dreizehn-Quadratmeter-Studentenzimmer gedrängt, um mit Phileasson auf die Reise zu gehen. Zweieinhalb Jahre lang, fast jede Woche. Und wenn ich nun Robert besuche, liegt seine Wohnung nur dreihundert Meter Luftlinie von meiner alten Studentenbude entfernt. Manchmal, wenn wir Pause machen, sitzen wir in den Cafés und Restaurants, in denen ich schon vor dreißig Jahren gesessen habe – den wenigen, die übriggeblieben sind. Diese Romane zu schreiben, ist eine Reise voller Déjà-vus, und aus vielen Gesprächen mit Lesern weiß ich, dass es etlichen von ihnen ähnlich geht. All jenen, die diese einst gespielt haben und die inzwischen voller Wucht vom Leben überrollt wurden. Jene, die ihren aufgelösten Spielrunden nachtrauern, die meist die Schul- oder Studentenzeit nicht überleben, auch wenn man sich ewige Treue gelobt hat. Jene, deren Herzen für immer in Aventurien geblieben sind und die nun, manchmal, wenn es Abends still wird im Haus, mit einem Buch in der Hand zurückreisen zu den Abenteuern, die sie einst in einer erdachten Welt erlebt haben. Solche Leserinnen und Leser zu treffen und mit ihnen über die Phileasson-Romane zu plaudern, macht mich unglaublich zufrieden.

ZW: Es heißt, Du bist nicht nur ein Fan von Tabletop-Spielen, sondern setzt Deine Miniaturen auch zur konzeptionellen Planung der Schlachten ein, die Du in Deinen Romanen beschreibst. Werden die Schlachten auf dem Spielbrett entschieden oder wie kann ich mir das vorstellen? Welche Systeme/Miniaturen kommen dabei zum Einsatz?

Bernhard: Das ist schon fast richtig. Allerdings gibt es kein Spielbrett, sondern einen großen Tisch, dessen Aufbau an die Landschaft einer Modelleisenbahn erinnert. Wenn ich mir wirklich Mühe gebe, soll auch die Umgebung der Figuren den Bildern, die ich für meinen Roman im Kopf habe, entsprechen. Spielsysteme, die ich benutze, sind: Lion Rampant, Saga, Hail Cesar und Black Powder. So unterschiedlich wie die Spielsysteme sind auch die Firmen, deren Figuren ich benutze. Da wären Westfalia und Perry Miniatures, Dark Sword Miniatures oder Figuren von Victrix und Warlord Games sowie etlichen Firmen, die längst im Dunkel verschwunden sind. Diese Figuren helfen mir manchmal, den Überblick zu bewahren, wenn ich Kampfszenen schreibe. Wer kann wen sehen? Welche Schwierigkeiten treten in Waldgelände oder den engen Gassen einer Stadt auf? Es sich vorzustellen, ist eine Sache, und eine blühende Fantasie zu haben, ist eine Grundvoraussetzung in meinem Beruf, doch es wirklich vor Augen zu haben, lässt mehr Detailfülle in die Beschreibungen einfließen und führt manchmal zu einer unerwarteten Wendung.

ZW: Wenn Du noch einmal von vorne anfangen würdest – gibt es Bücher, Geschichten oder andere literarische Projekte, die Du ganz anders oder gar nicht umgesetzt hättest?

Bernhard: Meine älteren Bücher haben einen anderen Ton, und ich wundere mich heute ab und zu, dass ich es einmal geschafft habe, Romane von nur dreihundert Seiten zu schreiben. Diese Bücher würden mit Sicherheit anders ausfallen, wenn ich sie heute schreiben würde. Einige der Kampfszenen daraus stammen noch aus der Zeit, bevor ich Schwertkampf gelernt habe, und haben mehr einen Hollywood-Touch, als dass sie realistisch wären. Und dennoch mag ich auch diese Bücher und werde sie nicht umschreiben. Ich bedauere allerdings, den letzten Band der Elfenritter-Trilogie unter zu großem Zeitdruck geschrieben zu haben. Dort fehlen Dinge, die noch ins Buch gehört hätten, und ich verhandele gerade über eine Neuausgabe dieser Romane und hoffe darauf, die Gelegenheit zu bekommen, diese Texte zu erweitern.

ZW: Steckt in den Charakteren, die Du erschaffst, ein Stück von Dir selbst? Welche der Figuren, die Du in all Deinen Geschichten belebt hast, hat die meiste Ähnlichkeit mit Dir beziehungsweise Deiner Persönlichkeit (unabhängig von Geschlecht und Optik)?

Bernhard: Am nächsten ist mir Till aus dem Roman Nebenan. Dies ist mein autobiografischstes Buch. Es erzählt Geschichten aus meiner Zeit als Schwertkämpfer zum Mieten (den Jahren, in denen ich auf Mittelaltermärkten aufgetreten bin) und auch aus meiner Studentenzeit. Das geschilderte Samhain-Fest auf einem einsamen Hügel in der Eifel hat es wirklich gegeben, bis hin zu dem im Buch leicht abgewandelten Spruch der Druidin: Wenn Du jetzt eine Tollkirsche isst, werden sich auch für dich die Pforten in die Anderswelt öffnen. In der neuen Ausgabe des Buches, die bei Piper erschienen ist, gibt es ein ausführliches Nachwort über die Geschichten hinter der Geschichte.

ZW: Der dritte Azuhr-Band ist gerade erschienen, die Folgebände der Phileasson-Saga sind in der Pipeline … was kommt sonst noch von Dir in nächster Zeit? Arbeitest Du an ganz anderen, neuen Projekten? Oder ist vielleicht sogar eine erzählerische Rückkehr in die Welt der Elfen und Trolle zu erwarten?

Bernhard: Ich habe damit begonnen, eine Trilogie über den Schattenkrieg zu konzeptionieren, die Epoche des Bürgerkriegs in Albenmark, in dem die Elfenfürstin Alathaia die Königin Emerelle bekämpft. Zurzeit ist geplant, dass der erste Band zur Buchmesse Leipzig 2021 erscheint. Die weiteren Bände sollen im Jahresabstand folgen. Ich kehre also zurück in die Welt der Elfen. Außerdem arbeite ich mit der Kollegin YK Yoon an einem Silk Punk-Roman, die asiatische Antwort auf Steampunk. Das Buch spielt während des ersten Opiumkrieges, allerdings in einer deutlich phantastischeren Welt als der unseren.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Zauberwelten Herbst 2019

 

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