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Berechnend: Wie Joseph den Weg zum Stall fand

Das 9. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Im neunten Türchen unseres Kurzgeschichten-Adventskalenders lässt Ruka uns teilhaben an einer typisch weihnachtlichen Geschichte oder daran, wie man ganz klischee-getreu den Weg zum Stall findet.

„Äh … das sieht hier nicht richtig aus.“ Vorsichtig warf Maria ihrem Mann einen Seitenblick zu. Josef war eh schon mega angespannt und sie wusste, wenn sie jetzt einen falschen Nerv traf, dann gäbe es wieder stundenlang Geschrei und Gezeter. Aber trotzdem hatte sie wenig Lust, noch weitere unzählige Stunden durch den ätzend heißen Wüstensand zu wandern, bevor der Herr endlich zugeben würde, dass er sich verlaufen hatte. „Wir könnten doch vielleicht eine Karte … ?“ Sie traute sich kaum, den Satz zu Ende zu sprechen, denn schon die Andeutung konnte ausreichen, um seinen Zorn zu wecken. Und ja …. ja, da drehte sich der magere Mitdreißiger auch schon mit wut-geweiteten Augen zu ihr um. Na toll.

„Wie oft soll ich es Dir noch sagen?! Ich brauch keine Karte! Ich orientiere mich, wie jeder richtige Mann, am Sonnenstand und der Windrichtung, um mein Ziel zu finden. Wann kannst Du mir endlich mal glauben, dass ich weiß, was ich tue?! Ich red Dir ja auch nicht in Deine Kocherei rein. Selbst dann nicht, wenn ich sehe, wie Du den Herd schon wieder nicht energieeffizient bedienst.“ Wie jedem richtigen Mann schossen Josef bei seiner verbalen Standpauke gelegentlich kleine Spucketröpfchen aus dem Mund, wie um seinen Punkt zu unterstreichen. Allerdings verpufften sie, genau wie die Argumente, auf dem heißen Wüstenboden.

„Uff“, stöhnte Maria, genervt davon, nur noch zwischen Streit und Herumwandern wählen zu können, während das letzte bisschen Wasser in ihrem Körper sich bereits in ihren Beinen versammelt hatte, um ihr das Gehen noch beschwerlicher zu machen.

„WAS?!“, fuhr Josef sie sofort wieder an.

„Nix, nix“, versicherte Maria schnell, verzog jedoch einen Mundwinkel spöttisch nach oben, als Joseph sich wieder den Wegweisern zuwandte. Geduldig wedelte sie einige Fliegen aus ihrem Gesicht und ließ sich schwerfällig auf einen Stein fallen, auf dem quasi ihr Name und die Bezeichnung „Ruhepause“ geschrieben stand. Es sah schon heroisch aus, wie Joseph da stand, breitbeinig, mit seinem beige-farbenen Obergewand, das ihm bis knapp über die Knie reichte, und entschlossen die Fäuste in die Hüften gestemmt hatte. Die Heldenpose spiegelte nur leider nicht den Erfolg seiner Unternehmung wider. Schmunzelnd angelte Maria den Wasserschlauch aus dem Tragetuch und prüfte den Inhalt. Nicht mehr viel übrig und sie musste für zwei trinken.

„Ich mein ja nur, wir könnten es uns auch ein wenig einfacher machen. Es sieht ja keiner, wenn wir mal eben einen schnellen Blick auf die Karte …“

„NEIN!“ Es hätte Maria nicht gewundert, wenn aus dem wolkenlosen Himmel plötzlich Donner und Blitz auf sie hinabgefahren wären, so bestimmt brüllte Josef ihr seine Entscheidung direkt in die Seele. „ICH! KANN! DAS! SELBST!“

„Is ja gut! Meine Güte. Kein Grund, gleich hochzufahren.“ Sichtlich angefressen ließ Maria sich vom Sitzstein auf den weichen Sand fallen, und stellte sich auf weiteres, ewiges und erfolgloses Herumirren ein, als ihr am Horizont eine Bewegung auffiel. „Gott sei gesegnet, vielleicht können wir nach dem Weg fragen“, nuschelte die Schwangere bewusst leise, damit höchstens Gott, auf keinen Fall aber ihr Mann hören konnte, was sie sagte. Mit der Aussicht auf Hilfe entspannte sie sich und ließ sich noch etwas tiefer in den warmen Sand sinken. Nur eine kleine Pause, bis der Mensch da hinten am Horizont angekommen sei. Nur kurz die Augen ausruhen …

Ein leichtes Rütteln an ihrer Schulter weckte die müde Frau. Träge blinzelte sie gegen die Sonne und versuchte, den Schatten zu erkennen, der sich über sie beugte. „Joseph? Ich glaub, ich bin eingeschlafen.“ „Ja, mach Dir keine Gedanken, Maria. Du hast Dir eine Pause mehr als verdient. Komm, ich helf Dir auf, wir gehen weiter.“ Verwundert nahm Maria die Hand ihres Mannes und ließ sich hochziehen. „Wieso bist Du auf einmal so gut gelaunt?“, sprach sie ihn skeptisch auf seine Fröhlichkeit an. „Was meinst Du? Ich bin doch immer gut gelaunt?“ Falls Joseph sie mit dieser Antwort hätte beruhigen sollen, war er damit ungefähr so erfolgreich, wie mit seinen Fähigkeiten als Pfadfinder. Nun noch misstrauischer geworden mühte sich die Schwangere, trotz ihres Bauches und des vielen Wassers in ihren Beinen, einen gleichmäßigen Schritt zu finden, um die Straße hinauf zu laufen. Neben ihr ein fröhlich pfeifender Josef, der übertrieben auffällig den Sonnenstand prüfte, indem er die Hand vor die Augen legte, dann gegen die Sonne streckte und mit dem anderen Arm Gott weiß was für einen Winkel bildete. Was das wieder für einen seltsamen Zweck haben sollte, wollte sich Maria einfach nicht erschließen. „Ja, davon verstehst Du nichts, meine liebe Frau“, kommentierte Josef sein seltsames Vorgehen, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Das ist höhere Physik, das ist nicht für Weiber gemacht.“

„Seltsam, wie schnell sich der Wind drehen kann“, dachte Maria, während sie ihren frohlockenden Mann beobachtete und gleichzeitig spürte, wie sich Unmut in ihren Zehen zu manifestieren begann, die das Wasser in ihren Beinen zum Kochen brachte. Doch sie verkniff sich einen Kommentar, um den brüchigen Frieden nicht zu stören. Für eine handfeste Auseinandersetzung hatte sie gerade keine Nerven.

So gingen sie weiter – der eine von Optimismus, die andere von Ärger getrieben – bis die nächste Weggabelung sie zum Einhalten bewegte. „Und? Wo lang, oh großer Physiker?“ So ganz konnte sie sich den Spott ja dann doch nicht verkneifen.

„Setz Dich, mein Weib. Ich muss hochkomplizierte Berechnungen durchführen, um unseren Weg zu finden. Dabei darf ein Genie nicht gestört werden.“

Gegen eine Pause hatte Maria nichts und wenn es wirklich dabei half, dass sie bald ihre Beine in einem kühlen Fußbad entspannen durfte, dann wollte sie ihm seinen genialen Moment gerne gönnen. Erschöpft suchte sie sich ein wenig Schatten und lehnte sich gegen den dürren Stamm eines Wüstenbaumes. Josef begann schon wieder, die Sonne zu inspizieren, seltsame Bewegungen mit den Armen zu vollführen und Zeichnungen in den Sand zu ritzen. „Drei gegen den Wind und vier für die Sonne, macht eins im Sinn und sechs für den Osten“, hörte sie ihn murmeln. Erstaunt kratze sie sich am Kinn. Also davon verstand sie wirklich nichts. Vielleicht hatte sie Josef unterschätzt? Das klang ja schon sehr professionell, was er da berechnete. Leider drehte er sich ständig mit dem Rücken zu ihr, sodass sie nicht verfolgen konnte, welche Bewegungen für die Ermittlung der Richtung wohl vonnöten seien. Aber gut, jeder hatte seine Profession und wenn Joseph es war, der die richtige Richtung fand, hatte sie nichts dagegen.

Plötzlich hörte das Gefuchtel auf, Joseph stand mit geneigtem Kopf mitten in der Wüste und hielt inne. Vielleicht ein paar Berechnungen im Kopf, für die er sich konzentrieren musste? Nur der Oberarmmuskel zuckte ab und an kurz, wie eine müde Sandschlange, die sich nicht entschließen konnte, ob sie weiterziehen oder noch ein Nickerchen halten wollte. Aufmerksam betrachtete Maria ihren Mann, immerhin entdeckte sie gerade eine ganz neue Seite an ihm. Eine sehr professionell wirkende Seite. Eine entschlossene Seite. Ein liebevolles Lächeln stahl sich auf Marias Lippen. Joseph mochte nicht immer einfach sein, aber sie hatte auch ihre schwierigen Momente. Und die Ehe hieß ja schließlich, dass man sich versprach, sich zu lieben und zu ehren, trotz dieser charakterlichen Herausforderungen. Wie um sie zu bestätigen, ertönte ein kleines, nur schwer zu hörendes Piepsen aus Josephs Richtung. Erstaunt schüttelte Maria den Kopf, als sei das Geräusch direkt in ihrem Gehörgang ertönt und sie könne es durch die Bewegung herausschütteln. „Was war das?“ Wie ertappt zuckte nun auch Joseph zusammen und drehte sich halb mit dem Oberkörper zu ihr herum. „Was war was, Frau?“, fuhr er sie an. Die gute Laune schien verflogen. „Das Piepsen“, beharrte Maria. „Was für ein Piepsen?“, entgegnete Joseph etwas zu übertrieben ungläubig. „Na, das Piepsen grade. Das musst Du doch auch gehört haben.“ „Hier piepst nix. Wir sind mitten in der Wüste, Frau, was soll denn hier piepsen?! Ein Maus vielleicht?“ Ja, stimmt. Mitten in der Wüste piepste es eigentlich eher selten. Aber sie hatte es doch gehört, oder nicht? Oder hatte sie sich das eingebildet? Eine akustische Halluzination vielleicht wegen der Anstrengung des Marsches? Als hätte Joseph ihre Gedanken gelesen, griff er den Faden auf: „Du bist sicher müde und erschöpft von der langen Reise. Da hört man schonmal Geräusche, die gar nicht da sind. Aber keine Sorge, wir sind bald im nächsten Ort, da kannst Du Dich ausruhen.“

Also raffte sich die Schwangere erneut auf, verwarf ihre Skepsis ob des seltsamen Piepsens und freute sich insgeheim darüber, dass die Reise nun bald ein Ende finden würde. Lange hätte sie es auch nicht mehr geschafft, herumzuziehen. Aber da Joseph inzwischen einen so entschlossenen Eindruck auf sie machte, war sie gerne gewillt, zu glauben, dass er die Phase der Orientierungslosigkeit hinter sich gelassen hatte und sie nun zu einer schönen Unterkunft bringen würde. Mit neuer Hoffnung beschleunigte sie ihre Schritte, schloss zu Joseph auf und lächelte ihn an.

Und tatsächlich, nach einer Weile des rhythmischen Trottens konnte sie, noch sehr klein, aber deutlich, die Umrisse von Häusern am Horizont erspähen. Mit neuen Augen blickte sie zu ihrem Mann, der selbstzufrieden zu grinsen begann. Naja, das hatte er sich nun wohl auch verdient. Immerhin hatte er sie wirklich durch die karge Landschaft zu einer Ortschaft geführt, wo sie nun hoffentlich endlich ihre müden Füße hochlegen konnte. Gelobt sei Joseph, dessen Fähigkeiten sie augenscheinlich unterschätzt hatte. Wie man sich doch in Menschen täuschen konnte. Mit schlechtem Gewissen nahm sich Maria vor, nicht mehr so schnell über ihren Mann zu urteilen und ihm mehr Vertrauen zu schenken.

Eine kurze Zeit später betraten sie die Gassen zwischen den ärmlichen Häusern. Die Gebäude waren alt und windschief: eine wohlhabende Ortschaft war das nicht. Aber Maria war nicht verwöhnt, ein kleines Zimmer mit einer Schale voll Wasser würde ihr schon reichen. Hauptsache keine Ratten oder Kakerlaken, immerhin wollte sie zeitnah ein Kind zur Welt bringen und das sollte nicht die Augen öffnen und in das freche Gesicht eines Ungeziefers blicken. Es sollte in weichen, warmen Tüchern zur Welt kommen. Frisch gebadet und bereit für die Zukunft. Da passten Ratten einfach nicht ins Bild.

„Hier links, Frau. Da geht’s zu unserer Unterkunft.“ Überrascht blickte Maria auf. Hä?! Konnte Joseph mit seinen komplizierten Berechnungen nicht nur die Richtung bestimmen, sondern auch die exakte Position einer Unterkunft? Wie war das denn möglich?! So sehr konnte sie ihren Mann doch jetzt auch nicht unterschätzt haben. Wie sollte das überhaupt gehen? Außer durch Hexerei vielleicht. Aber das traute sie Joseph jetzt wirklich nicht zu. Misstrauisch warf sie einen Blick auf den hageren Mann. Der schien nichts von der Überraschung seiner Frau zu bemerken, er begann sogar wieder, ein kleines Lied zu pfeifen. Zielsicher wechselte er die Richtungen, navigierte zwischen den Häusern her und betrat Gassen, als habe er sein Leben hier verbracht. Ab und an drehte er sich seltsam von ihr weg und schaute nach unten, fast, als suche er geheime Zeichen im Rinnstein. Konnte das sein? Gab es sowas wie wegweisende Zeichen, die sie nicht kannte? Möglich wäre das ja. Maria wusste auch nicht, dass Joseph mit komplizierten Berechnungen den Weg finden konnte, also wäre es ja durchaus möglich, dass sie ihn nun auch unterschätzte und er nur kundig war im Finden von Zeichen und Hinweisen, die zu einer Unterkunft führten. Aber so ganz glauben konnte sie das nicht.

Wie um die Fähigkeiten ihres Mannes zu bestätigen, tauchte nach der nächsten Abbiegung ein heimelig aussehendes Gebäude vor ihren Augen auf. Maria war so erleichtert, sie konnte schon fast die Engelschöre singen hören, als ihr Blick auf das einladende Schild an der Vorderseite des Hauses fiel. „Pension Zum Stall“ stand dort in großen Lettern geschrieben. Erleichtert seufzte Maria auf. Endlich. Erneut blickte sie warmherzig auf ihren Mann, der sie mit einem breiten Grinsen ansah. „Na, Frau, jetzt zweifelst Du hoffentlich nie wieder an meinen Fähigkeiten.“ Jegliches Misstrauen war verflogen, als Maria die Hand auf den Arm ihres Mannes legte. „Tut mir leid, Joseph, ich hätte Dich nicht anzweifeln dürfen.“ „Ja, Frau, denk daran, bevor Du mich das nächste Mal kritisierst. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen versteht ihr Weiber einfach nichts. Aber dafür habt ihr ja uns Männer. Das ist die Ordnung der Welt. Wir kümmern uns um die komplizierten Begebenheiten und ihr sorgt für ein schönes und bequemes Zuhause.“ Kurz zuckte es in Marias Augenbraue, doch sie war zu müde, die Bedeutung der Worte zu tief in sich sinken zu lassen. Entschlossen bewältigte sie die letzten Schritte Richtung Gasthaus. An der Tür angekommen, drehte sie sich um und sah, dass Joseph zurückgefallen war. Irgendwas war wohl mit seinem Gewand, immerhin fummelte er nervös an der Seite des Stoffes herum. „Kommst Du?“ Keine Antwort. Hm, was war denn da los? Besorgt beobachtete Maria ihren Mann, der immer hektischer an seinem Gewand herumfummelte. Vielleicht ein Tier, das sich im Tuch verhangen hatte? Mit beiden Händen versuchte er, den Stoff zu bezwingen, rupfte und rang, zerrte und schob. Langsam nahm die Sorge in Maria überhand. Was, wenn da sein Skorpion in den Falten saß? Vielleicht hatte er sogar schon zugestochen und Joseph war dem Tode nahe? Das würde seine aufkommende Panik erklären. Schnell drehte sich Maria um, um ihrem Mann zu Hilfe zu eilen. „Keine Sorge! Ich komme!“ Seltsamerweise sorgte ihr Ausruf aber nicht für Erleichterung in den Augen Josephs, nein, im Gegenteil. Jeder Schritt, den sie auf ihn zumachte, schien seine Panik zu vergrößern. Es musste sich um eine schlimme Gefahr handeln, von der er bedroht war. Aber Maria würde ihm beistehen! Nur noch zwei Schritte entfernt, kniff sie die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, was Joseph so in Not brachte. Aber sie sah nur seine Hände, in der Höhe der Gewandtaschen, wie sie irgendetwas zu bezwingen versuchten, was sich aber immer noch störrisch in den Falten des Stoffs verbarg. Josephs nun panischer Blick wechselte zwischen der Tasche und seiner nahenden Frau hin und her. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, während er weiter versuchte, den geheimnisvollen Gegner zu unterjochen. Als Maria bei ihm ankam, wollte sie sogleich dabei helfen, die Gefahr zu bannen, doch Joseph schug ihre Hand weg. „Geh weg, Frau!“

„Joseph, bitte, lass mich doch helfen!“

„Nein, ich mach das alleine! GEH WEG!“

Ach, dieser mutige Mann. Wollte sie vermutlich schützen und lehnte daher ihre Hilfe ab. Aber Maria war fest entschlossen, ihren waghalsigen Gatten zu unterstützen und griff erneut entschlossen nach den Falten des Stoffes. Joseph versuchte vehement, ihre Hände wegzudrängen, aber dieses Mal war sie vorbereitet. Sie würde ihren Mann nicht alleine lassen mit der Gefahr. „Nun lass doch …!“, fuhr sie ihn an und zog die Gewandfalte auseinander. Mit einem leisen Plöppen fiel eine kleine, unscheinbare schwarze Schachtel zu Boden. Für einen kurzen Moment starrten Joseph und Maria zu Boden, blickten sich dann gegenseitig an und ließen sich im gleichen Augenblick fallen, um als erstes den kleinen Kasten zu ergattern. Maria, trotz des üppigen Bauchumfangs, schaffte es mit reiner Willenskraft, schneller zu sein und schnappte sich das mysteriöse Objekt. „Was ist das?“, gefährlich langsam und bedächtig sprach sie die wenigen Worte, die Joseph zum Erzittern brachten.

„Äh … nix?“, versuchte er es.

„Joseph …“

„Nur eine kleine Hilfestellung … von dem netten Händler, der vorbeikam, als Du geschlafen hast. Nix großes. Eine Spielerei …“

Joseph rang sichtlich nervös die Hände, sah Maria mit Hundedackelaugen an und versuchte, ihr das Gerät sanft aus den Händen zu nehmen. „Wirklich nichts, mit dem Du Dich belasten müsstest, Maria. Guck, der Gasthof, Du wolltest Dich doch ausruhen. Komm ich nehm das, und wir schauen, dass du ein schönes Bad bekommst.“ Die Aussicht auf ein entspannendes Bad war wirklich etwas, womit man Maria gerade gut beeinflussen konnte. Aber das Misstrauen über das seltsame Teil in ihren Händen war groß. „Komm, Maria, gib mir den Kasten. Wir haben es doch jetzt endlich geschafft und sind da. Willst Du jetzt wirklich hier rumstehen und diskutieren oder möchtest Du endlich reingehen und was kaltes trinken?“ Die versöhnliche Stimme ihres Mannes und die Aussicht auf ein kühles Getränk ließen Marias Misstrauen verschwinden. Resignierend hielt sie ihrem Mann den kleinen Kasten hin, der auch gleich gierig danach schnappte. Erleichtert legte er Maria die Hand auf den Rücken und schob sie sanft Richtung Gasthaus. „Jetzt erstmal ein schönes Glas Wasser, hm?“ „Ja, das wäre jetzt wirklich toll.“ „Siehst Du, Hauptsache, wir haben endliche in Zimmer gefunden.“ „Ja, Du hast Recht, Joseph.“ Gemeinsam öffneten sie die Tür und betraten den kühlen Raum. Endlich.

„Sie haben Ihr Ziel erreicht“, verkündete der unscheinbare Kasten fröhlich.

 

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