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Barcamp 2: “Hilfe, mein Hamster steckt im Tannenbaum”

Das 19. Türchen des Kurzgeschichten-Adventskalenders

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Kategorie: Kurzgeschichten Literatur

Wie wichtig es ist, Brandschutzvorkehrungen zu treffen, wenn Haustiere am Weihnachtsabend mit anwesend sind, erfahrt ihr von Nadine hinter dem neunzehnten Türchen unseres Kurzgeschichten-Adventskalenders.

„Es freut mich, dass ihr so zahlreich zu meinem Vortrag ‘Hilfe, mein Hamster steckt im Tannenbaum!’ erschienen seid“, spulte der für Sicherheit am Arbeitsplatz zuständige Wichtel Wilfram seinen Begrüßungssatz herunter, obwohl nicht einmal die Hälfte der zur Verfügung stehenden Sitzplätze belegt war. „Bei dem ulkigen Titel hatte ich auf mehr Interessierte gehofft. Aber die ‘Deeskalation für Familienangehörige’, geleitet von der Weihnachtsfrau, ist wahrscheinlich spannender für die meisten als mein Vortrag“, dachte Wilfram missmutig. „Nie denken die Leute an die Probleme und Gefahren für ihre Haustiere in der festlichen Zeit … besonders an Heiligabend!  

Sein Gedankengang produzierte eine ungewollte Pause, die der halbleere – nein, der halbvolle! – Raum ihm direkt übel zu nehmen schien. Wilfram räusperte sich und klickte eine Folie auf seiner Power-Point-Präsentation weiter. Zu sehen war dort ein recht drastisches Bild: Ein mit echten Kerzen erleuchteter Weihnachtsbaum, der leider den plüschigen Schwanz der im Schildpatt-Muster gefärbten Maine-Coon-Katze zu einer lebendigen Fackel auf vier Pfoten gemacht hatte. Kreischende Familienmitglieder rundeten das Bild dieser vermeidbaren Weihnachtstragödie ab. Wilfram liebte diese Schockbilder, sie rüttelten den Geist der Zuhörenden wach und mahnten dazu, mehr auf Sicherheit zu achten. „Natürlich wurde bei dieser Aufnahme keine Katze geschädigt“, versicherte er seinem Publikum. „Hierbei handelt es sich um eine Bildmanipulation zu Schulungszwecken. Mir liegt die Sicherheit der Tiere sehr am Herzen.“ „Offenes Feuer“, fährt der in die Jahre gekommene Wichtel fort, „ist nicht erst zu Heiligabend ein grundlegender Gefahrenherd für eure Haustiere.“  

“Schade, den Wortwitz mit offenem Feuer und Gefahrenherd scheint keiner bemerkt zu haben“, ärgerte er sich insgeheim und packte direkt die nächste Horrorstory aus, um keine Zeit verstreichen zu lassen. „Wer von euch hat Wellensittiche zu Hause?“ Nur vereinzelt fanden ein paar Wichtel-Hände den Weg in die Höhe. „Und wer von euch hat einen Adventskranz auf dem Tisch oder der Anrichte stehen?“ Ein paar mehr Hände hoben sich. Wilfram lächelte, er liebte diese Geschichte, die er seinen willigen Zuhörenden nun erzählen würde. „Stellt euch vor!“, bellte er, „euer geliebter Sittich Brittibert macht seinen allabendlichen Rundflug durch eure Wohnstube, segelt nichtsahnend mal höher und mal tiefer durch das Zimmer und kommt zu nah an den lodernden Flammen der Adventskerzen vorbei! PUFF! Schon liegt ein halb gebratener kleiner Vogel vor euch auf eurem Teller!“  

Die Radikalität, mit der Wilfram sein Publikum traktierte, kam nicht gut an, doch nun war er in seinem Element und ließ sich nicht beirren. Konfrontation mit der harten Realität war seine Devise. Nur so ließ sich Lehrstoff einwandfrei vermitteln und letztlich viele Leben retten. 

Mit einem Klick auf seiner Fernbedienung erschien ein putziges Hundebild auf der Projektionsfläche an der Wand. Ein Dackel mit einem Weihnachtspulli, der mit einer Vielzahl an angenähten bunten Stoffbällchen versehen wurde, war zu sehen. Wilfram öffnete bereits seinen Mund, um dem Publikum zu „erklären“, wie sagenhaft gut billige Plastikwolle brennen konnte, als er jäh unterbrochen wurde. Feueralarm.  

„Oh, welch Ironie des Schicksals!“, lachte Wilfram auf. „Alle raus hier, zügig und geordnet, ihr kennt das ja, unser Brandschutzseminar ist noch nicht mal einen Monat her!“  

In seiner beschwingten Euphorie angesichts dieses surrealen Zufalls – sein Vortrag zu den Gefahren von Feuer und dann ein echter Feueralarm! – bemerkte Wilfram gleich zweierlei Dinge nicht. Zum einen, dass eine Dreiergruppe von Wichteln angestrengt versuchte, sich ein Lachen zu verkneifen. Zum anderen, dass dieser Feueralarm nicht so durchdringend und schallend laut daherkam, wie er es eigentlich sollte. Folglich entging Wilfram auch, dass sich der Ton der Sirene nicht veränderte, sondern ihm und seiner Gruppe in gleichbleibender Intensität bis auf den vorgeschriebenen Sammelplatz vor dem Gebäude zu folgen schien.  

Erst dort angekommen, wo Wilfram stolz mit seiner folgsam nach draußen geleiteten Gruppe auf dem ausgewiesenen Treffpunkt für ihren Gebäudekomplex stand, dämmerte dem Wichtel, dass etwas nicht stimmte. Keine Feuerwehr war bislang eingetroffen. Niemand sonst war aus dem „brennenden“ Gebäude herausgekommen. Sein Brandschutzseminar – und wahrlich auch der gesunde Verstand, der einem jeden Wichtel innewohnt – sollte mittlerweile eigentlich mehrere Hundert Wichtel in die Sicherheit des Vorplatzes getrieben haben.  

Plötzlich verstummte der rätselhafte Sirenen-Ton, der für das geübte Gehör von Anfang an so klang, wie von einem Smartphone auf voller Lautstärke abgespielt. Nur die Stille und das sanfte Rauschen des Winter-Windes blieben für mehrere Sekunden in der Luft hängen. „Oh. Nein“, hörte Wilfram jemanden mit gespielter Trauer in der Stimme aus der Gruppe verlauten. „Die Zeit ist schon um und jetzt fängt doch gleich der Vortrag Der perfekte Garpunkt – Gans, Tofu und Co. an!“  

„Wie schade, sowas aber auch“, hörte Wilfram eine weitere Stimme kichernd hervorbringen, während sich alle Zuhörenden zügig und geordnet, wie bei einem Feueralarm, davonmachten und zum nächsten Vortrag des Barcamps zum Thema Sicherheit an Heiligabend eilten. 

 

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