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Arkham Horror: Letzte Stunde

Die letzte Schlacht gegen die Großen Alten

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Die Großen Alten stehen wieder einmal vor unserer Tür. Diesmal haben Sie sich auf den gemütlichen Campus der Miskatonic Universität als Schauplatz des letzten Gefechtes konzentriert und senden ihr Gefolge gleich in Scharen. In Arkham Horror: Letzte Stunde, stellen wir uns mit bis zu vier Investigatorinnen und Investigatoren der Gefahr und drängen Welle um Welle an Ghulen, Tiefen Wesen und Sternengezüchten zurück.

Angesiedelt ist diese letzte Schlacht in der Welt von Arkham Horror. Die baut wiederum auf einer modernisierten Fassung des Cthulhu-Mythos von H. P. Lovecraft auf. Nicht nur, dass hier deutlich mehr Monster durch die Welt streifen als in den langatmigen Geschichten des Horroraltmeisters, auch haben unsere Charaktere wirkliche Chance, diesem Gezücht mit Waffengewalt entgegenzuwirken. Zudem schweift der Blick mehr auf die modernen Seiten der 20er und 30er Jahre. Wir verkörpern starke, leicht überzeichnete Charaktere beiderlei Geschlechts und auch Randgruppen kommen nicht ausschließlich als Karikaturen des Bösen daher. Wenn das der Altmeister wüsste …

Das es in der Letzten Stunde noch einmal fetziger zugeht als von Arkham gewohnt, wird schon am Titelbild deutlich. Jenny Barnes sitzt revolverschwingend auf dem Sozius von Tommy‘s Bike und entlädt ihre Magazine in umzingelnde Monster. Damit ist das Thema des Spiels gut getroffen. Die Letzte Stunde verspricht nicht nur in etwa einer Stunde gespielt werden zu können – Eldritch oder Arkham Horror sind mehr als abendfüllend –, auch steht hier der Kampf gegen Monster deutlich stärker im Mittelpunkt. Bei den großen Geschwistern der Reihe suchen wir üblicherweise in stimmungsvollen Begegnungen nach Hinweisen, rüsten uns langsam aus, verbessern unsere Fertigkeiten und versuchen einen Endkampf im besten Fall zuvorzukommen. Demgegenüber geht es in der Letzten Stunde gleich ans Eingemachte. Thematische Begegnungen oder vielfältige neue Ausrüstung suchen wir hier vergeblich, stattdessen heizen wir direkt den Monstern ein. Bis auf das Thema hat die Letzte Stunde wenig mit den anderen Spielen der Arkham-Reihe gemein, das muss aber ja nichts Schlechtes sein …

Campus-Defense

Will man das Spielprinzip herunterbrechen, dann haben wir es hier mit einer Art Tower-Defense Spiel zu tun. Runde um Runde kommen immer neue Monster auf den Campus-Spielplan und nähern sich bedrohlich einem Ritualplatz. Können wir nicht verhindern, dass sich dieser mit Monstern füllt, verlieren wir das Spiel. Dabei ist es hoffnungslos, dass wir jemals alle Monster besiegen, stattdessen müssen wir versuchen an den richtigen Stellen Platz freizuschießen, damit uns die Welle nicht überrollt. Monster sind dabei keine ernsthafte Gefahr für Leib und Leben – nur eine Handvoll können uns überhaupt verletzen –, sondern eine abstrakte Bedrohung. Dementsprechend liefern wir uns auch keine komplexen Würfel-Duelle, sondern fügen einfach eine bestimmte Summe an Schaden zu, die wir möglichst gut auf die Monster an unserem Standort verteilen. Die Letzte Stunde ist ein Kampfspiel in dem wir eine taktische Herausforderung lösen, kein stimmungsvolles Rollenspielderivat. Das Puzzle ist dabei äußerst gut aufgemacht und kann durch geschickt ineinander verwobene Regeln überzeugen. Während das Grundprinzip – töte die richtigen Monster, um nicht überrannt zu werden –, schnell verstanden ist und ohne große Überraschungen auskommt, sind die Kernmechanismen und die Siegbedingung äußerst innovativ.

Die Spielausstattung fällt gewohnt hochwertig aus.

Weltenrettung ist Teamarbeit

Wie bereits angedeutet, kommt die Letzte Stunde ganz ohne Würfel aus. Dementsprechend verfügen unsere Heldinnen und Helden auch nicht über einen Charakterbogen oder Spielwerte. Stattdessen besitzen unsere Charaktere lediglich eine je nach Spieleranzahl andere Anzahl an Lebenspunkten und zehn individuelle Aktionskarten. Diese Karten haben es dafür in sich. Statt uns nur eine Aktion zu ermöglichen, kommt jede dieser Karten mit zwei Bereichen daher. Ein sehr positiver Haupteffekt ermöglicht uns üblicherweise uns zu bewegen, spannende Sonderaktionen auszuführen und Schadenspunkte zu verteilen. Der darunter abgedruckte zweite Effekt fällt deutlich schwächer aus und aktiviert zudem noch Monster oder bringt neue ins Spiel. Hier kommen nun die sogenannten Prioritätskarten ins Spiel. Wir halten je vier der von 1-30 durchnummerierten Karten in der Hand und wählen reihum ohne Absprache, welche Zahl wir unserer verdeckt ausliegenden Aktionskarte zuordnen. So spielen die Investigatoren je Runde gemeinsam vier Aktionskarten aus, von denen die beiden niedrigsten Zahlen in aufsteigender Reihenfolge den Haupteffekt auslösen, während bei den anderen der negative Effekt aktiviert wird. Statt zwischen mehreren Aktionskarten zu wählen, gilt es vielmehr abzuwägen, wie stark unser Haupt- und wie schwach unser Nebeneffekt ausfällt. Habe ich einen negativen Effekt, der nur Monster aktiviert die uns zurzeit nicht gefährlich sind, kann ich eine höhere Prioritätskarte riskieren. Vielleicht ist mein Haupteffekt aber auch gleichzeitig so gut, dass ich doch lieber eine niedrigere einsetze?

Das Prinzip ist äußerst ungewöhnlich und sorgt für eine ungewöhnliche Spieldynamik. Statt lediglich optimale Spielzüge zu planen, müssen wir aus den gegebenen Optionen die beste wählen; und das ohne die Optionen der Mitspieler zu kennen. Das ist taktisch herausfordernd und sorgt für eine ganz andere Art von Strategie als üblich. Hinzu kommt, dass wir nur vier zufällige Prioritätskarten zur Verfügung haben und vielleicht gar nicht so hoch oder niedrig spielen können, wie wir gerne würden. Und dann erfüllen diese Karten auch noch zwei weitere Effekte …

Das Ritual

Neben einer Zahl von 1-30 sind die Prioritätskarten noch mit 0-2 Omen- und einem Ritual-Symbol versehen. Die Omen-Symbole erschweren unsere Prioritätsauswahl noch einmal. Je nachdem wie viele Symbole wir ausgespielt haben, lösen wir am Ende der Runde einen unterschiedlich starken Effekt des „Großen Alten“ aus. Haben wir es geschafft, kein einziges Symbol auszuspielen, bleibt alles ruhig. Meist sind aber ein oder mehrere dieser Symbole ausgespielt und bringen neue Monster ins Spiel oder bewegen bereits vorhandene. Da der Effekt um so schlimmer wird, je mehr Symbole wir als Gruppe aufdecken, versuchen wir unsere Omen-Symbole so auszuspielen, dass uns der negative Effekt wenig schadet, oder zumindest keine zu hohen Summen zu erreichen. Einen ganz anderen Zweck erfüllen schließlich die ebenfalls aufgedruckten Ritual-Symbole, die in der zweiten Spielhälfte wichtig werden.

Bisher wissen wir nämlich nur, wie wir das Spiel nicht verlieren: Den Ritualort beschützen und nicht sterben. Um zu gewinnen, müssen wir das große begonnene Ritual umkehren. Dazu werden zu Spielbeginn Hinweismarker unbesehen an den Standorten verteilt. Im Verlauf des Spiels dürfen wir diese aufdecken, um entweder seltene Objekte zu finden oder eines der fünf verschiedenen Symbole zu erfahren. Insgesamt gibt es jedes Symbol zweimal im Spiel, wobei zwei Marker zufällig dem Ritual zugeordnet werden. Mit der Zeit finden wir so nach Ausschlussverfahren heraus, welche Symbole nicht herausgelegt wurden und können Rückschlüsse auf das Ritual ziehen. Haben wir genug Symbole aufgedeckt, um eine gute Idee zu haben, welche beiden Marker das Ritual ausmachen oder sind wir einfach gebeutelt genug, um es in einem letzten Kraftakt darauf ankommen zu lassen, können wir versuchen, das Ritual umzukehren. Dazu spielen wir ohne große Absprache all unsere Prioritätskarten aus und vergleichen wie viele Symbole mit den beiden bisher geheimen Ritual-Symbolen übereinstimmen. Entsprechen etwa zwei Drittel unserer Karten den Symbolen, haben wir das Spiel gewonnen. Wenn nicht, sieht es düster für die Hexenstadt am Miskatonic aus. Und für die ganze Welt.

Der beim Ritual angewendete Deduktionsmechanismus erlaubt keine großen logischen Kniffe. Wir schließen mit der Zeit Symbole aus und wägen ab, wann wir die richtigen Karten haben, um das Ritual umzukehren. In Verbindung mit den Prioritätskarten wird dem Spiel jedoch mit der Zeit eine weitere taktische Komponente hinzugefügt. Dann geht es nicht mehr nur darum, die richtige Prioritätskarte auszuspielen, um die gewünschte Aktion auszuführen und die Omen-Symbole im Griff zuhalten, sondern auch noch darum, Karten auszuspielen, die kein potentielles Ritual-Symbol tragen. Wir bereiten in den letzten Runden also zusätzlich unser Ritual vor und schränken dabei unsere Optionen weiter ein. Ein Mechanismus, der sich perfekt in die Grundidee einfügt: Aus wenigen Optionen die beste auswählen.

Umfang und Aufmachung

Die Letzte Stunde ist ein Fantasy Flight Spiel und lässt optisch und in Sachen Produktionsqualität kaum Wünsche offen. Leider fehlt wieder einmal ein Beutel für die Monster – stattdessen soll man den Spielschachtel-Deckel nutzen –; Für den Preis könnte man so ein Gimmick allerdings durchaus erwarten. Außerdem wurden die meisten Grafiken aus anderen Produkten des Arkham-Universums zweitverwertet – die sehen dafür aber auch einfach hervorragend aus. Lediglich bei den Spielplättchen wurde ein etwas abstrakteres Design gewählt, das zwar übersichtlich und etwas lockerer ist, aber etwas hinter den Rest des Spiels zurückfällt. Die Lebenspunktemarker sind fast comichaft überzeichnet und Siegel, mit denen wir Wegverbindungen kappen, erinnern an simple Polizeiabsperrungen. Dadurch verstehen wir zwar sofort, was der Effekt dieser Marker ist, thematisch soll es sich hier aber eigentlich um Bannrituale oder Zeichen handeln, die Monster abwehren und nicht um mundanes Flatterband. Überhaupt tritt die Thematik deutlich hinter der Mechanik zurück. Die Aktionen unserer sechs Helden sind passend benannt und ab und an weist eine Zeile Stimmungstext darauf hin, was die Aktion darstellen soll, im Spiel geht das jedoch völlig unter. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Aktionen unserer Helden und Heldinnen überhaupt sehr austauschbar. Wir werden die Letzte Stunde also nicht aus dem Schrank holen, um noch einmal einen neuen Charakter auszuprobieren, sondern weil wir Lust auf das Gefecht haben. Und auch die drei „Großen Alten“ – also die enthaltenen drei Missionen – versprechen nicht allzuviel Abwechslung. Die Missionen unterscheiden sich leicht im Aufbau und bringen andere Spezialmonster und Sonderaktionen ins Spiel, bieten aber letztlich ein etwas anderes taktisches Puzzle und kein neues Spielgefühl. Während die anderen Arkham-Spiele üblicherweise eine ganze Flut an Erweiterungen mitbringen, macht die Letzte Stunde einen abgeschlossenen Eindruck. Neue Investigatoren oder Endgegner dürften das Spiel nicht genug verändern, um eine Erweiterung wahrscheinlich zu machen. Das ist allerdings auch genau das, was das Spiel verspricht: Ein eigenstehendes, kurzweiliges und taktisches Spiel im Arkham-Universum, das die anderen Spiele der Reihe nicht ersetzen soll. Kurzum: Die Letzte Stunde ist nicht Arkham Horror.

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