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Die Androidin

Auf der Flucht

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Kategorie: Literatur

Gerade einmal ein Dreivierteljahr ist es her, dass der Fischer-Verlag eine Fusion mit dem amerikanischen Tor-Label einging. Hieraus entsteht ein Angebot an deutschsprachiger Fantasy- und Science Fiction-Literatur, das sich jährlich auf circa 25 Neuerscheinungen beschränken soll. Klein aber fein lautet die Devise. Zu den ersten Publikationen des FISCHER Tor Verlags zählt auch die Buchreihe Die Androidin.

Der erste Band Auf der Flucht ist gleichzeitig auch Joel Shepherds erster Roman. Der Autor wurde für das unveröffentlichte Manuskript des Romans im Jahr 1998 für den George Turner Prize nominiert und gewann dadurch erste internationale Aufmerksamkeit. Im Jahr 2001 erschien das Buch in der englischsprachigen Hemisphäre unter dem Originaltitel Cassandra Kresnov – Crossover und wurde thematisch schon des Öfteren mit Blade Runner von Philip K. Dick verglichen.

Nach sechzehn Jahren schriftstellerischer Arbeit, drei abgeschlossenen Buchreihen und dreizehn veröffentlichten Büchern hat nun auch unser kleines verschlafenes Nest von dem australischen Autor Wind bekommen. Der gelungenen Publikation einer deutschsprachigen Fassung über FISCHER Tor steht also nichts mehr im Weg. Oder etwa doch?

Der erste Eindruck ist wichtig

Aber zunächst zu den Oberflächlichkeiten: Das vorliegende Buch unterscheidet sich äußerlich drastisch von dem Originaltitel. Vergleiche ich die Coveraufmachung und Namensgebung der englischen und deutschen Version, so beschleicht mich das Gefühl, dass hier Spartenliteratur mainstreamfähig gemacht werden soll. Die englische Fassung besticht durch eine knallige, cyberpunkige Aufmachung und der rockige Name Cassandra Kresnov – Crossover hört sich irgendwie nach Rage Against the Machine auf Russisch an. Die deutsche Version hingegen zeigt ein allzu hübsches Frauengesicht mit toller Cyberbrille. „Mainstreamthriller" war darum der erste Gedanke, als ich das Buch in den Händen hielt.

Auch die Namensgebung Die Androidin – Auf der Flucht, die in den folgenden Bänden ergänzt wird mit Die Androidin - Zwischen allen Fronten und Die Androidin – Weg in die Freiheit, halte ich für nicht wirklich gelungen. Es klingt irgendwie zu sehr nach Jugendbuch, wahrscheinlich auch weil Die Androidin ohne Probleme durch TKKG oder Die drei ??? ersetzt werden könnte. Also zum Beispiel TKKG – Auf der Flucht oder Die drei ??? und der Weg in die Freiheit. Warum wird das ursprüngliche Design nicht beibehalten und der Titel einfach übersetzt? Aber vielleicht handelt es sich auch um Urheberrechtsangelegenheiten, die hier im Wege stehen.

Nur die inneren Werte zählen

Ein Vergleich von Die Androidin mit Philip K. Dicks Blade Runner hört sich interessant an, birgt aber auch einige Unterschiede. Schließlich wird Die Androidin aus der Sicht von Cassandra Kresnov, einer Androidin, erzählt, während sich dies von Blade Runner nicht gerade sagen lässt. Joel Shepherd beweist eindrücklich, wie die Thematik auch im Jahrtausend der Bilder überzeugen kann. Die Androidin besitzt eine rhythmische Geschwindigkeit, die sich gut in das Tempo unserer Zeit einfügt. Alles wirkt geradeheraus und ohne große Umschweife auf den Punkt gebracht.

Auf schnörkelhafte Ausuferungen wird bewusst verzichtet und der Autor versteht sich weniger als Literat und mehr als lyrischer Zeichner. Ein Apartment in dem oberen Stockwerk einer Megacity. Vorbeiziehende Magnetschwebebahnen. Eine Androidin, die einen eigenen Willen entwickelt. An diesen Elementen ist als solches nichts Neues zu finden. Stattdessen schaffen literarische Geschwindigkeit, Rhythmik und Bildgewalt eine neue Erfahrung. Die typischen Science-Fiction-Bilder werden einwandfrei in Szene gesetzt und erwecken ein Déjà-vu vor dem geistigen Auge.

Eine Horizonterweiterung in 19 Kapiteln

Technisch einwandfrei überzeugt Shepherd mit einem jungen und frischen Stil mit eingängigem und ambitioniertem Charakter. Die deutsche Übersetzung von Maike Hallmann steht der temporeichen Schreibweise nicht im Weg und gibt problemlos die rhythmische Präsenz des Originals wieder. Joel Shepherd hat Film- und Fernsehwissenschaft studiert und zeigt dies ungeniert mit jedem Schwung seiner literarischen Feder. Gleichzeitig gibt Shepherd aber auch einer tieferen, psychologischen Ebene Raum. Eine vielschichtige Gedankenwelt verleiht der Protagonistin einen starken Charakter.

Abschließend bleibt zu sagen, dass im Unterschied zu allem, was in der Aufmachung des Romans falsch gemacht wurde, ab der ersten Seite nur Gutes zu erwarten ist. Sowohl Story als auch Übersetzung geben ein stimmiges Bild einer dystopischen Zukunft wider. Für jeden, der sich schon für die Blade Runner-Thematik interessiert hat – und auch für Neueinsteiger – ist Die Androidin eine klare Kaufempfehlung.

Die Androidin – Auf der Flucht
Joel Sheperd (Maike Hallmann)
(Fischer Tor, 2017)
576 Seiten, Taschenbuch
ISBN: 978-3596297283
Webseite: Die Androidin

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