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Aftermath: Ein Spiel mit Abenteuerbuch

Auf leisen Pfoten in den Untergang

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Kategorie: Brett- und Kartenspiele

Das Thema von Endzeitspielen ist altbekannt. Irgendetwas – bevorzugt eine Atomkatastrophe oder Zombiehorden – hat die Welt in Trümmer gelegt. Nach dem Untergang – im Aftermath – geht es ums blanke Überleben, die Sicherung von Territorium. Das ist auch im Spiel von Jerry Hawthorne nicht viel anders. Nur dass wir hier nicht in die Haut fieser Bandenbosse schlüpfen, sondern in die Felle von Meerschweinchen Grummel, den Mäusen Whisper und Meziah sowie dem Hamster Ringo …

Schon an dem ungewöhnlichen Setting kann man eine gewisse Nähe zu den anderen Spielen aus der Feder von Jerry Hawthorne erkennen, allen voran Maus und Mystik, das als indirekter Vorgänger des Spiels gelten kann. Hawthornes Spiele sind grob gesprochen Dungeoncrawler – also kooperative kampffokussierte Abenteuerspiele – die ungewöhnliche Themen mit innovativen Spielmechaniken verbinden. Das tierische Thema erinnert an besagtes Maus und Mystik, man erkennt aber auch deutliche Parallelen zu den Abenteuerbuchspielen Der Herr der Träume und Komanauten. Neben dem Endezitsetting hebt sich Aftermath dabei durch eine Kampagnenfixierung und einen neuartigen Kartenmechanismus hervor. Aber der Reihe nach …

Optisch Hui!

Schon Maus und Mystik konnte durch eine ganz eigene Optik und tolle Figuren überzeugen. Dessen postapokalyptischer Nachfolger steht dem in keiner Weise nach. Im Gegenteil: Es konnte sogar deutlich aufgerüstet werden. Auch wenn der Charme des Mäusefantasy-Settings nicht ganz erreicht wird, haben wir es mit einer wundervoll stimmigen Welt zu tun, die über tolles Artwork und beeindruckende Modelle realisiert wird. Die sind nicht nur – wie etwa der gigantische Kater – äußerst beeindruckend, sondern dank Tuscheoptik auch unbemalt ein echter Hingucker. Hinzu kommen die passenden Kartenartworks und die zahlreichen, jeweils liebevoll individuell gestalteten Schauplätze. Oder wo sonst können wir uns ein Spielzeugwagenrennen in einem Supermarkt liefern oder in einen Süßigkeitenautomat klettern? Und sogar die Zustandszähler sind ein echter Augenschmaus geworden und durch passende Drehscheiben dargestellt, die nicht nur äußerst thematisch sind, sondern als komfortable Speicherfunktion dienen.

Auf dem Tisch macht das Material einiges her und unterstützt das Spiel optimal.

Selbst die Spielbox ist einen zweiten Blick wert. Die Stacheldrahtoptik des Inlays fühlt sich passend nach radioaktiver Sperrzone an, hält darüber hinaus aber auch die Karten an Ort und Stelle. Die finden zwischen den Missionen übrigens in eigenen Spielkartenschachteln Platz, sodass der Kampagnenfortschritt ohne Notizzettel gespeichert werden kann. So sieht durchdachtes Spielmaterial aus!

Mechanisch Pfui?

Wer andere Spiele von Jerry Hawthorne kennt, merkt Aftermath schnell seine Herkunft an. Nicht nur das knuddelig-ernste Setting, auch die Regeln weisen deutliche Parallelen zu den anderen Spielen der losen Reihe auf. Wie schon in Maus und Mystik wurde so etwa auf eine starre Gegneraktivierung verzichtet. Statt jede Runde zum Zug zu kommen, lösen bestimmte Karten eine Bedrohung aus, die mit der Zeit anwächst und die Gegner ab einem gewissen Punkt aktiviert, was aber etwas kontrolliert werden kann. Das spielt sich dynamisch, führt aber gelegentlich zu kontraintuitiven Situationen. Schön ist dafür, dass wir in Aftermath nicht mehr ausschließlich auf Feinde treffen, sondern mit den anderen Figuren auch ohne Waffengewalt interagieren können, sofern die Situation sicher ist.

Von Komanauten und dem Herrn der Träume wurde außerdem das Abenteuerbuch übernommen. So bewegen wir uns durch geskriptete und wundervoll illustrierte Szenen in einem Ringbuch, wodurch der Aufbau der einzelnen Missionen äußerst schnell vonstatten geht und die Begegnungen deutlich individueller ausfallen als im mausigen Vorgänger.

Der Kater ragt deutlich über die anderen Charaktere hinaus und ist ein echter Hingucker.

Die große Änderung ist jedoch, dass das erste Mal Spielkarten statt Würfel im Mittelpunkt stehen. Der Spielkartenstapel bestimmt unsere möglichen Aktionen und treibt die Bedrohung voran, wobei er mechanisch interessant eingesetzt wird. So können wir Karten weitergeben und es wurde eine Katastrophenkarte eingebaut, die eine besondere Bedrohung auslöst. Außerdem erlangen wir im Spiel mit der Zeit charakterspezifische Karten.

Die einzelnen Karten sind üblicherweise mit Werten von 1-3 und einem von vier Attributen (Beweglichkeit, Stärke, Instinkt, Widerstandskraft) oder einer Jokerfarbe (weiß) versehen. Um eine Probe zu initiieren, spielen wir nun die passende Farbe aus und bedienen entweder mit Karten der gleichen Farbe oder der gleichen Zahl, um die Probe zu erhöhen. Abschließend werfen wir einen oder zwei Spezialwürfel, die das Ergebnis noch einmal um -2 bis +3 verändern, und addieren Bonuswerte unserer Charaktere und Ausrüstung. Die finale Summe wird nun mit einer Schwierigkeit verglichen. So weit so simpel.
Leider liegt der Teufel hier wie auch bei den Vorgängerspielen im Detail. Obwohl die Grundidee schnell verstanden ist, hakt es im Spiel mitunter ganz gewaltig. Was einfach klingt, wird durch die fünfte Jokerfarbe, leicht abweichende Gruppenaufgaben und die zwei Würfel schnell zum Knoten im Kopf. Dürfen wir Jokerkarten mit allen Farben bedienen? Wie behandeln wir Joker in Gruppenaufgaben und haben wir in heiklen Proben dran gedacht, den weißen Würfel zu unserem Ergebnis zu addieren, aber den schwarzen zur Probenschwierigkeit? Und dass der schwarze Würfel die Schwierigkeit mitunter senkt, wenn er negativ ausfälllt? Wer in einschlägigen Regelforen sucht, wird zahlreiche Regelfragen dieser Art finden.

Das hat viel mit der vielleicht größten Schwäche des Spiels zu tun: Einem äußerst knappen Regelheft, dass auf nicht einmal zwölf Seiten alle Regeln des umfangreichen Spiels präsentieren will. So bleiben Spezialfragen fast notwendig offen und wir finden viele Erklärungen zum Kampagnenspiel erst im Begleitbuch erläutert. Allerdings fehlen uns die erklärenden Worte, dass eine solche Aufteilung überhaupt gewählt wurde.

Das soll Aftermath nicht schlechter dastehen lassen, als es ist. Die Regeln sind gut durchdacht und weitaus innovativer als bei so manchem Dungeoncrawler, die Präsentation erschwert uns den Einstieg allerdings ungemein und lässt immer wieder das flaue Gefühl im Magen, irgendetwas falsch zu spielen. Beispiel gefällig? In einer Szene sollen wir einen besonders schweren Gegenstand über den Spielplan hieven. Hier lässt sich nicht nur eine Sonderfertigkeit erstaunlich effektiv einsetzen, sondern wir haben auch einfach alle unbeteiligten Tiere mit minimalen Aktionen agieren und den Star der Szene alle Arbeit machen lassen. Ist das ein gewolltes Feature oder haben wir einen Bug ausgenutzt? Solche Fragen haben uns den Spielspaß immer wieder etwas vermiest, von der Recherchezeit in Regelforen einmal ganz abgesehen …

Kampagnenspiel

Die Abenteuer der vier flauschigen Held*innen sind als Kampagne im Sinne von Open-World-Spielen angelegt. Anstatt eine feste Reihenfolge an Abenteuern zu spielen, wählen wir aus Haupt- und Nebenmissionen aus, die in einem Kartenstapel abgebildet werden, der beständig mitwächst. Das ist vielleicht die größte Stärke von Aftermath, wenngleich uns eine ganz reale Pandemie leider von umfangreichen Testspielen ferngehalten hat. Während der Missionen machen wir Entdeckungen, die uns weitere Missionsziele oder Gegnertypen für Folgepartien an die Hand geben. So beobachten wir etwa eine seltsame Spezies an uns vorbeiziehen und mischen die passende Karte in den Monsterstapel, um den Kreaturen im weiteren Verlauf begegnen zu können. So entwickelt sich die Welt dynamisch mit, was durch die besagten Kartenboxen und Ressourcenräder auch ohne viel Aufwand automatisch gespeichert wird. Mir ist kein Spiel bekannt, dass eine ähnlich flexible und mitwachsende offene Welt bietet. Struktur bekommt das Spiel durch einen übergeordneten Handlungspfad und individuelle Ziele und Hintergründe der Charaktere, die immer wieder namentlich in den Texten erwähnt werden.

 

Die vier Hauptcharaktere verfügen über eigene Hintergrundgeschichten.

Selbstverständlich gibt es auch eine Charakter- und Basisentwicklung die ähnlich klug umgesetzt wurde. Um eine zu schnelle Charakterentwicklung zu vermeiden, müssen wir so etwa unsere Gegenstände instand halten. Hierzu brauchen wir Ersatzteile, sodass wir in jeder Partie planen müssen, welche Gegenstände wir instand setzen und welche wir zuhause lassen. Das ist nicht nur mechanisch klug, sondern auch in der Spielwelt äußerst stimmig.

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