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15 Jahre Erdenstern

„Musik ist das Abenteuer in Deinem Kopf“

Zur klassischen Webseite

Kategorie: Musik

Kein Film funktioniert ohne Musik, doch wie ist das mit Filmen im Kopf, wie Rollenspieler ihre Erfahrungen beim Spielen oft nennen? Viele Rollenspieler schätzen Musik als Untermalung ihrer Spielrunden, und seit 15 Jahren können sie dabei auf die Musik von Erdenstern zurückgreifen. Für die Zauberwelten befragt Laura Richter die Bandmitglieder Per Dittmann, Eva-Maria Irek und Andreas Petersen zu den Anfängen von Erdenstern, der Entstehung ihrer Musik und kommenden Projekten.

Zauberwelten: Ihr seid seit 15 Jahren am Start – warum und wie fing das alles an?

Eva-Maria Irek: Es begann wie so oft mit einer verrückten Idee. Andreas hatte schon länger für das Fernsehen und für Spiele Musik komponiert. Als dann Per dazu kam und ein paar der CDs und Musikstücke hörte, beschlossen die beiden, dass es Zeit sei, mal etwas zusammen zu probieren. Das Ergebnis war ANNWN (Anmerkung der Redaktion: Ein Vorläufer zum ersten offiziellen Album von Erdenstern). Als wir uns dann zu dritt das Album durchhörten, war uns schnell klar, dass diese Art beschreibender Musik zur Literaturvorlage sich sehr besonders anfühlte. Denn Musik und Buch geben Dir keine Bilder vor – alles entsteht in Deinem Kopf.

Per Dittmann: Uns war klar, da ist etwas Neues, Besonderes. Auch wenn wir zunächst nicht wirklich genau wussten, wo es uns hinführte, gründeten wir Literaturmusik.de, eine Basis, wo Musik und Literatur zusammenkommen können. Ein Projekt, das Musik für Literatur, Kultur und Filmprojekte liefert.

Andreas Petersen: Unsere ersten Projekte für Literaturmusik waren die musikalische Untermalung für ein Ausstellungsprojekt über den Märchenautor Hans Christian Andersen und für einen meiner Lieblingsromane, die Musik zu H.G. Wells Zeitmaschine.

Eva: Aus diesen Erfahrungen heraus kam uns die Idee, für einen Bereich Musik zu machen, der von vornherein dramaturgisch erzählt und wo alles im Kopf passiert: das Pen & Paper-Rollenspiel. Das war die Geburtsstunde der Bibliothek der fantastischen Musik.

Andreas: Basierend auf der positiven Erfahrung mit Literaturmusik gründeten wir 2004 zusätzlich das Projekt Erdenstern. Unser Ziel waren und sind generische Soundtracks für Rollenspieler, die gerne Musik zur Untermalung oder für den bewussten Einsatz beim Spielen und besonderen Szenarien nutzen. Aber uns war schnell klar, dass allein der Umfang dieser Bibliothek ein Problem für uns sein könnte, denn die Vielzahl der Möglichkeiten und Spielsysteme war schlicht atemberaubend. Also entwickelten wir mit Into the … Farb- und Themenstandards, die es uns leichter machen sollten, die richtigen Musikstücke zu produzieren. Diese Soundtracks, die nun entstanden, waren generisch angelegt, also passend für viele Spielsysteme, aber das Genre gab die Farbe und die Themen vor.

Per: Eine Farbe steht für ein Genre, und Begrifflichkeit und Adjektive helfen bei der Auswahl, die Bereiche Begegnungen, Orte, Kämpfe und so weiter sorgen für ein schnelles Finden des passenden Stückes. Alle Soundtracks sollen thematisch passend und unterschiedlich sein, aber kombinierbar bleiben. Auch die Länge der Stücke und die Loopfähigkeit waren ein wichtiger Punkt.

Eva: Als wir uns für die ersten sieben Farben entschieden hatten, war uns allerdings nicht klar, dass wir wirklich alle produzieren würden. Als die erste Auflage von Into the Green in unseren Händen lag, steckte immerhin fast ein Jahr Planung, Komposition und Arrangement in diesen ersten 80 Minuten Musik. Wir dachten zunächst, das ist schön, aber diese Auflage läge jetzt für sehr lange Zeit in unserem Lagerraum. Zum Glück kam es anders. Wir fanden schnell einen Distributor, jede Menge treuer Fans, und bereits nach einem Jahr mussten wir neben der nächsten Farbe eine neue Auflage produzieren.

Andreas: Ja, das war wirklich toll, damals die erste riesige Palette mit dem ersten Werk zu sehen. Während das erste Album Into the Green in den Verkauf ging, produzierten wir bereits das zweite … Aus diesem Rhythmus sind jetzt schon fast 15 Jahre geworden – verrückt.

ZW: Eure Musik richtet sich an Rollenspieler – welche Beziehung habt Ihr selbst zu diesem Hobby?

Eva: Für uns war Rollenspiel eine wichtige Erfahrung in den späten 1980ern. Man hatte damals zwar noch keine so Riesenauswahl an Spielsystemen, aber Andreas und ich waren ziemlich früh in Dungeons & Dragons unterwegs.

Per: Mich hat es schon früh nach Aventurien verschlagen. Schon damals war Musik ein extrem wichtiges Tool. Ich bin auch heute noch auf verschiedenen Larps unterwegs.

Andreas: Ich fand das Erzählen und Entwickeln von Geschichten toll. Musik war da immer irgendwie schon ein Teil davon. Als Klassik- und Soundtrack-Hörer war es schon damals wichtig die richtige Schallplatte zu haben um, Szenen besonders zu machen. Heute sind so fantastische, gut durchdachte Geschichten und Welten auf dem Markt. Manche sind besser als so manches Filmdrehbuch. Als Rollenspieler macht es Spaß das zu erleben, und es ist toll für Lovecraftsche Welten, Science Fiction oder auch für Urban Fantasy wie die Dresden Files Soundtracks schreiben zu dürfen. Auch wenn Filmmusik und Musik für Videospiele andere Herausforderungen hat, finde ich viele Parallelen beim Komponieren.

ZW: Ihr macht Musik mit/von echten Instrumenten ohne echte Instrumente. Was heißt denn das genau?

Andreas: Zunächst beginnt alles ziemlich klassisch mit einem Klavier und Ideen, die notiert oder aufgenommen werden. Dabei ist es manchmal schon klar, welche Instrumente später zum Einsatz kommen werden. Dann geht es an die Orchestrierung. Normalerweise stünde an dieser Stelle das Ausarbeiten in Partitur und einzelner Notenblätter im Orchestersaal oder Studio und die lange Vorbereitung mit dem Konzertmeister. Bei uns passiert das virtuell. Jedes einzelne virtuelle Instrument, von der Picolloflöte bis zur Tuba, wird Schicht für Schicht einzeln eingespielt. Dabei nutzt man realistische Instrumente, deren Klang aus hunderten Einzelsamples jedes Tones besteht und erzeugt so nach und nach ein virtuelles Orchester. Das wird wiederum mit klassischen Instrumenten, wie Violinen, Stimmen oder Gitarre, kombiniert. Dadurch entsteht unter fast realen Bedingungen ein eigener Orchesterkörper mit einem entsprechenden Klang und Volumen.

Per: Wir nutzen mittlerweile bis zu sieben verschiedene Orchester-Bibliotheken, weil sich die Technik in diesem Bereich im Laufe der letzten Jahre immer wieder verbessert hat und die Instrumente immer wieder etwas anders klingen sollen. So wie individuelle Musiker auch immer ein bisschen anders klingen.

ZW: Damit ist aber noch nicht getan – komponieren ist eine komplexe Angelegenheit – wie läuft da der Schaffensprozess?

Eva: Wir setzen uns vor jedem Soundtrack zunächst einmal intensiv zusammen, untereinander oder auch gegebenenfalls mit dem Kunden, für den wir Musik produzieren. Hier werden Stimmungen oder Themen zurechtgelegt.

Per: Wir klären gemeinsame Vorstellungen und Stimmungen, besprechen die Struktur des Albums und entwickeln so etwas wie eine grobe Geschichte. Dann schließen wir Andreas im Studio ein und verstecken den Schlüssel … (lachen)

Eva: Genau! Und lassen ihn erst wieder raus, wenn er eine Partitur vorweisen kann …

Andreas: … und das kann manchmal dauern … Nein … Wenn wir zu dritt die Richtung kennen, lege ich für verschiedene Bereiche Themen an. Leitmotive, die verschiedenen Eigenschaften des Themas gerecht werden könnten. Manchmal nur Klavier, manchmal schon als Vorarrangement. Dabei halten mich die beiden davon ab, langweilig zu werden, mich zu verirren oder eventuelle Perlen zu übersehen. Dann treffen wir uns und schleifen am Material. Ist die Komposition der ersten Stücke fertig, geht es ins Arrangement. Da gibt es noch jede Menge zu mischen und zu feilen. So vergehen Monate, damit am Ende 80 Minuten Musik das Licht der Welt erblicken. Das geschieht meist an einem langen Wochenende, wo wir bis zum Schluss noch alles vorbereiten, bis es dann nach Berlin geht und final gemastert wird.

Per: Und Andreas nach dem langen Studio auch mal wieder Licht sieht.

ZW: Wie stark nutzt Ihr rein am Computer generierte Sounds?

Per: Bei einem Album wie Silicium oder auch Into the Grey kamen sehr oft synthetisierte Sounds zu tragen. Das bringt das Thema mit sich. Wir kombinieren diese Sounds dann oft mit Orchester oder sogar einzelnen traditionellen Instrumenten wie einem Cello.

Andreas: Synthesizer sind für mich wie eigene Instrumente, denn auch sie erzeugen besondere, individualisierbare Klänge. Während der Produktion von Silicium war das Erstellen von Sounds und Sounddesign eine besondere Erfahrung. Es fühlte sich zum Teil aber auch sehr natürlich an, weil Synthesizer zu meiner musikalischen Entwicklung gehören.

Per: Der Sound, den wir suchten, musste passend sein. Gerade bei Silicium war das Gefühl wichtig, sich in der richtigen Welt zu befinden. Wenn es sich ein bisschen wie der Blade Runner anfühlt, ist es richtig. Aber auch bei Steampunk, wenn man mit Metall und Samples von Dampf arbeitet. Es macht einfach Spaß.

ZW: Wie kommt Ihr auf Eure Ideen?

Eva: Unsere größte Inspiration holen wir aus besonderen Situationen: auf einer Klippe in Irland stehen, eine traurige Geschichte hören oder nachts im Regen auf der Autobahn zurück von einer Messe. All das bringt einen auf Ideen.

Per: Literatur, Bücher, die man liest, Erlebnisse mit Freunden, aber auch unsere gemeinsamen Gespräche funktionieren oft wie ein Brainstorming.

Andreas: Mein Denken ist oft sehr filmisch. Während ich Musik mache, erzähle ich eine Geschichte. Würde ich keine Musik machen, würde ich wahrscheinlich schreiben. Immer wenn ich für ein Thema arbeite, für das es noch kein Bild gibt, beginnt mein innerer Dramaturg oft eine Handlung zu entwickeln und zu erzählen. Das war bei mir schon immer so – keine Ahnung warum. Alles, was ich erlebe, füttert irgendwie meinen inneren kleinen Soundtrack.

ZW: Wie man Textideen auf die Schnelle festhält, versteht jeder – Zettel, Stift, Smartphone-Notiz – wie macht man das als Musiker?

Per: Man singt auf seine Mailbox. Ich notiere viel während langer Zugfahrten.

Andreas: (lacht) Das finde ich eine großartige Idee. Ich habe auf meinem Handy tatsächlich mein Diktiergerät, auf dem ich bisher aber nur den fantastischen metallischen Sound einer Toreinfahrt beim Öffnen mitgeschnitten habe, und zum Glück ein Musikprogramm. Oft summe ich ein Thema, bis ich dusselig werde. Gerade wenn ich das Gefühl habe, das ist wirklich gut. Meistens vergesse ich dann, warum ich das so cool fand. Aber das Meiste kommt durch …

Eva: Bierdeckel und Rückseiten von irgendwas sind auch gute Notebooks …. Oder ich summe mit Andreas mit … ohne dass ich das merke. Dann spielt Andreas das ein, und ich sage nur: Das kenne ich irgendwoher ….

Per: Dann summen wir alle …

ZW: Wie lange braucht Ihr im Durchschnitt für ein Musikstück?

Andreas: Unterschiedlich. Manchmal dauert es Wochen mit allen Stimmen. Bei simpleren Stücken passiert das auch mal in Stunden.

Eva: Andreas hat für ein Musikstück live das Thema mit Klavier am Rechner eingespielt, während Per und ich dabeisaßen. Am Ende sagte Per nur: Und genau das lassen wir so … Und so kam es. Ich sagte nur schnell: Speichern! Jetzt!

ZW: Ihr bietet passionierten Soundbastlern für Rollenspiele eine tolle Möglichkeit namens Syrinscape an. Was ist das?

Eva: Das ist eine Sounddesign-App, die für verschiedene Spielsysteme und Genres das passende Sounddesign vorbereitet hat. Die App ist so cool, intuitiv und flexibel und die Qualität des Sounddesigns hat uns so überzeugt, dass wir bei einer Anfrage zur Zusammenarbeit nur ja sagen konnten. Der Australier Benjamin Loomes ist studierter Sänger, Komponist und Pianist – was uns besonders ehrt und ein bisschen stolz macht, ausgewählt worden zu sein. Im Moment arbeiten wir an der Musik für eine Kampagne zum Rollenspiel Pathfinder und es macht riesig Spaß.

ZW: Was habt Ihr künftig noch vor?

Eva: Oh je, wir wollen nicht zu viel verraten. Die Bibliothek der fantastischen Musik geht weiter. Die Zusammenarbeit mit Syrinscape geht voran, und die abgeschlossene Into the …-Reihe führen wir in Form der Element-Reihe fort. Dabei werden viele der Geschichten erweitert und auch noch mal ganz neu belebt.Wir greifen nicht nur Genres, sondern vor allem die Stimmungen der Szenerien auf.

Außerdem werden wir dieses Jahr wieder auf einigen Messen und Cons zu finden sein, mit hoffentlich viel neuem Material, und auch noch ein paar Projekte, die sind aber noch geheim.

ZW: Kommen wir abschließend zum Bildungsaspekt für unsere Leser: Was möchtet Ihr ihnen mit auf den Weg geben?

Andreas: Musik ist ein wichtiger Begleiter, ein Taktgeber. Musik entscheidet, wie sich etwas anfühlt, etwas duftet oder ob etwas lieb oder gefährlich ist. Sie nimmt unsere Instinkte und unsere Vorahnungen an die Hand und trägt sie auf eine neue Bewusstseinsebene. Genießt sie, benutzt sie und steigt in sie ein, denn sie wird etwas mit Euch machen – Musik ist das Abenteuer in Deinem Kopf.

 

Mehr zur Band und zu den Alben steht auf www.erdenstern.com. Dort gibt es auch Informationen zu Bezugsmöglichkeiten … damit auch Eure Rollenspielrunde demnächst die passende Begleitmusik hat.

Die im Interview erwähnte App Syrinscape findet ihr unter www.syrinscape.com.

Dieser Artikel erschien erstmals in der Zauberwelten Frühjahr 2019

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