Mit "Murtagh. Eine dunkle Bedrohung" hat Christopher Paolini nach dem vierbändigen Eragon-Epos sein neuestes Buch vorgestellt, und damit eine auf seine Art neue Geschichte mit bekannten Charakteren. Während der Protagonist dieses Buches bislang eher eine Nebenrolle einnahm, rückt er nun mehr in den Mittelpunkt der Geschichte. Doch nicht nur ihn allein, sondern auch seinen Drache Dorn lernen die Lesenden kennen.
Zwei Außenseiter
Murtagh und Dorn sind Gejagte, ausgestoßen von der Gesellschaft Alagesias aufgrund von Verbrechen, die sie auf Veranlassung des verstorbenen Königs Galbatorix begehen mussten. Der dabei schwerwiegendste Verrat ist derjenige an seiner heimlichen Liebe, der neuen Königin Nasuada. Deshalb fliehen Murtagh, der Drachenreiter, und Dorn in die Weiten des Landes, um zur Ruhe und zur Besinnung zu kommen. Murtagh muss zudem seine Zauberkräfte, gespeist durch seine Energie und Dorns ganz eigene Magie, erproben und verbessern, um sich gegen alle möglichen Feinde zu behaupten.
Doch bald müssen unsere Helden sich wieder in die Zivilisation begeben, um einer Verabredung nachzukommen, die sich jedoch bald als Falle herausstellt. Mit Müh und Not entkommt Murtagh – auch ohne die Hilfe von Dorn, der sich bei den Menschen nicht sehen lassen darf.
Der Verschwörung auf der Spur
Auf der Flucht erfährt Murtagh von einer Gruppierung von Anhängern einer neuen Bewegung – den Träumenden. Diese tauchen unter den Bewohnern der Städte und Dörfer auf und scharen immer mehr Menschen, Zwerge und Elfen um sich. Doch niemand weiß, woher sie kommen. Im Sterben gibt der Häscher, von dem Murtagh Informationen erhalten sollte, den Hinweis, in einer entfernten Stadt nach Antworten zu suchen. Tief besorgt begeben sich Murtagh und Dorn dorthin und müssen verschiedene Abenteuer bestehen, um die begehrten Informationen zu erhalten. Zwischen Fischen und Katzen, der Obrigkeit und den Zauberern muss Murtagh ohne Dorns Hilfe Wahrheit von Lüge unterscheiden. Dorn ist tief traumatisiert und kann sich nicht in Situationen begeben, in denen er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Murtagh kann ihm nicht helfen, muss aber seine Aufgabe erfüllen. Die beiden erfahren von einem geheimen Ort, uralt und berüchtigt, von dem eine große Gefahr ausgehen soll. Murtagh, der sich geschworen hat, sich selbst und Dorn nie wieder unter ein fremdes Joch zu stellen, muss sich entscheiden, aber zwangsläufig birgt jeder der möglichen Wege Gefahren. Werden Murtagh und Dorn am Ende siegen? Lest es selbst ...
Reisebericht oder Therapiesitzung?
Es ist zwar eine Geschichte von Drache und Reiter, aber sie ist viel persönlicher und tiefgehender als die von Eragon. Durch das viele Leid, das Murtagh und Dorn erleben mussten, sind sie gestählt, aber dennoch sind Wunden vorhanden – und sie schmerzen. Es ist eine Geschichte von Mitgefühl und Vertrauen in dunklen Zeiten. Die drohende Gefahr lässt aus Feinden Brüder werden, offenbart aber fundamentale Unterschiede zwischen den Rassen und ihren Vorstellungen von Macht und Stärke.
Ausdauer wird belohnt
Das Buch ist lang, aber bei ersten Teilen einer neuen, mehrbändigen Reihe ist das wohl so. Zwar ist der Leser Alagesia, seine Bewohner und die Sprache von Eragon gewohnt, dennoch schadet es nicht, mit dem Buch nochmals eingeführt zu werden. Dabei ist Murtagh keinesfalls eine Wiederholung von Eragon mit anderem Reiter und anderem Drachen, nein, es ist eine gänzlich andere Geschichte. Es ist aber meiner Meinung nach von Vorteil, die Eragon-Reihe, zumindest das letzte Buch, zu kennen, denn es gibt zahlreiche Anspielungen und Verweise auf die zeitlich vorgelagerten Ereignisse.
Die Geschichte ist sehr flüssig erzählt. Paolini versteht es, den Reiz von Eragon wieder wachzurufen. Zwar sind die Beschreibungen der Szenerie und der Handelnden geringer ausgefallen als bei Eragon, das liegt aber daran, dass viel vorausgesetzt werden kann. Die Einzelheiten der jeweiligen Rasse spielen in diesem Buch eine geringere Rolle als bei Eragon. Hier geht es mehr um Gedanken, Gefühle und innere Kämpfe. Die Geschichte ist durchaus spannend, hat aber auch ihre Längen. Man kommt sich beim Lesen ein bisschen verloren vor, wenn man versucht, den Reiseweg auf der Karte nachzuvollziehen. Tipp: Runen lernen!
Man merkt, dass der junge Shootingstar und einstige Debütautor mit seinen märchenhaften Schilderungen, netten, nahbaren Charakteren und einem klar definierten Spiel zwischen Gut und Böse erwachsen geworden ist. Murtagh ist folgerichtig auch erwachsener, tiefgehender und kontroverser. Zwischen dem Charme eines mittelalterlichen Fantasysettings geht es um zutiefst menschliche und aktuelle Probleme wie Verlust, Schuld, Gewissen, Reue und Hoffnung. Die Hauptfigur wächst den Lesenden unweigerlich ans Herz, weil sie so normal ist. Aufgrund der Verbindung von Dorn und Murtagh erhält man als Lesender Einblick in gleich zwei Gemüter. Trotzdem ist das Buch nicht überfordernd, sondern ausnahmslos ein ordentliches Fantasyepos, das sich gut fortsetzen und erzählen lässt. Paolini hat bereits angekündigt, dass wir mehr von Murtagh erfahren werden, und dies hier ist ein ziemlich guter Anfang!
Ja und nein, denn die Parallelen zwischen Murtagh und Eragon sind klar erkennbar, immerhin sind sie Halbbrüder. Die Erzählweise der Heldenreise ist nicht neu, aber auch hier wieder sehr unterhaltsam. Wer Eragon verschlungen hat, dem wird es bei Murtagh nicht anders gehen.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.