Andreas Giesbert (Zauberwelten-Online): Lieber Christian. Ich bin vor einigen Jahren auf dich durch dein Faar-Rollenspiel aufmerksam geworden. Mittlerweile stolpere ich immer mal wieder über Projekte, an denen du beteiligt bist. Du bist offenkundig Autor, Illustrator und Rollenspieler. Vermutlich noch viel mehr.
Magst du dich kurz vorstellen und vielleicht auch sagen, wie du zur Phantastik kamst und was dich dabei hält?
Christian Günther: Hallo Andreas, danke für die Einladung, hier Rede und Antwort zu stehen. Ich bin jetzt bald 50 Jahre alt und arbeite als selbstständiger Mediengestalter. Räumlich hat es mich im Laufe meines Lebens von Bielefeld bis nach Buxtehude verschlagen – das glaubt einem kein Mensch, da muss man ja in der Welt der Phantastik zu Hause sein. Begonnen hat es bei mir mit Filmen und Büchern, schon früh haben mich z.B. die Klassiker von Jack Arnold begeistert („Der Schrecken vom Amazonas“, „Tarantula“, „Die unglaubliche Geschichte des Mister C.“), dazu kamen viele weitere Horror- und SF-Filme. Horror hat für mich immer eine besondere Faszination, ich erinnere mich lebhaft daran, in dicken Stephen King-Wälzern zu versinken. Etwas später kam dann das Pen & Paper-Rollenspiel dazu, ich habe sehr intensiv gespielt und dann auch Artikel und Abenteuer für Zeitschriften wie die WunderWelten oder den Ringboten verfasst. Von dort war es nur noch ein kleiner Schritt dazu, den ersten Roman zu schreiben.
Diese Faszination für phantastische Themen hat mich nie losgelassen, inzwischen bin ich Mitorganisator der Convention „Andere Welten“ hier bei mir vor Ort und liebe es immer noch, die kreative und spielerische Atmosphäre von Spiele- und Bücherconventions zu genießen.
Andreas (ZWO): Kommen wir doch direkt auf Faar zu sprechen. Was ist Faar? Ist es ein Kontinent? Ein Königreich? Ein Konzept? Und was macht diese Welt aus? Du untertitelst Faar ja als “Das versinkende Königreich”. Offenbar spielt Verfall eine große Rolle?
Christian: Faar ist der Name des Königreichs, in dem ich meine Romanreihe „Faar – Das versinkende Königreich“ angesiedelt habe. Es ist das Herzstück der Hintergrundwelt, die sich im Wesentlichen an Prä-Tolkien-Phantastik anlehnt. Das bedeutet, wir haben hier eine düstere, grob mittelalterlich wirkende Welt, die ohne Elfen, Zwerge oder Orks auskommt. Dennoch gibt es allerlei bunte Kreaturen, allen voran die Meermenschen, die nicht zufällig Erinnerungen an den Horror von H.P. Lovecraft wecken. Ich versuche, die klassische Fantasywelt mit Horrorelementen zu verfeinern.
Andreas (ZWO): Ich habe deinen Herr der Wälder gelesen, in dem sich der Wald die brüchige Zivilisation einverleibt und die spärlichen Dörfer am Grenzgebiet zu heftigen Mitteln greifen, um den Wald zu befrieden. Ich musste - nicht zuletzt wegen des starken Titelbildes der Geschichte - sofort an Symabroum denken. Darf ich die Parallele ziehen, oder wo kommen deine Einflüsse her? Der erwähnte Lovecraft ist mir bei den Meermenschen auch direkt aufgefallen, wobei das Titelbilds des Rollenspiels nicht ganz unschuldig war.
Christian: Ja, wie erwähnt, ist der Lovecraft-Einfluss durchaus gewollt. Zusätzlich bin ich Fan der Romane von Fritz Leiber um Fafhrd und den grauen Mausling, der Conan-Geschichten von Robert E. Howard und der Kane-Erzählungen von Karl Edward Wagner. Wer diese etwas älteren Klassiker mag, sollte in Faar richtig sein.
Symbaroum habe ich tatsächlich erst kennengelernt, nachdem ich Herr der Wälder geschrieben habe, und finde es absolut fantastisch, insbesondere die Illustrationen sind spektakulär. Wälder finde ich auch in der Realität sehr schön und spannend, weshalb ich häufig dort wandere oder jogge.
Andreas (ZWO): Welche Bücher hast du denn schon in Faar angesiedelt? Und mit welchem Buch kommt man denn am besten in die Welt hinein?
Christian: Bislang gibt es vier Bücher aus der Welt von Faar. Zum einen die Romanreihe, die aus Die Aschestadt, Blinde Wächter und Am Seelenbrunnen besteht. Zusätzlich gibt es noch die Novelle „Herr der Wälder“, über die wir gerade schon gesprochen haben. Diese wird von einigen gern als „Einstiegsdroge“ verwendet, in dem Band kann man die Welt und meine Art zu erzählen kennenlernen, wenn einem das gefällt, sollte man mit „Die Aschestadt“ weitermachen.
Andreas (ZWO): Du hast wie erwähnt ein – übrigens frei zugängliches – Rollenspielsystem zu Faar geschrieben. Was eignet die Welt von Faar denn so gut zum bespielen? Welche Arten von Abenteuern können wir erleben?
Christian: Im Laufe des Schreibens der Romane hat sich eine enorme Menge an Hintergrundmaterial angesammelt, viele Fragmente und Notizen zur Landschaft, zu Orten, Kreaturen und Bewohnern von Faar und den umliegenden Ländern. Diese Dinge habe ich dann zu einem Quellenbuch zusammengefasst, mit dem man in die Welt spielerisch eintauchen kann.
Was zum Spielen reizt? Die bedrohliche Atmosphäre, mit den rätselhaften Meermenschen, den bizarren Monstern, und natürlich der Bruderschaft. Diese beherrscht das Reich, hat den König in ihrer Gewalt, und hat strenge Regeln zum Umgang mit den Meermenschen und allem, was mit dem Wasser zu tun hat, erlassen. Es gibt viel Unsicherheit, Verfolgung, Misstrauen unter den Menschen. Die Bruderschaft hat im Grunde ein faschistisches Regime errichtet, was viel Anlass für Heldentaten bietet.
Man kann also von Stadtabenteuern in Alaris oder Kath, Wildnisabenteuern im Land von Faar bis zu den exotischen Urwäldern jenseits des Weltenbruchs allerhand verschiedene Schauplätze finden. Vielleicht auch nach Süden, in die Wüsten von Lygia? Oder weiter östlich, auf den Spuren der Geistergeschichten von Myngai.
Was es nicht gibt, ist Seefahrt, da sie von der Bruderschaft untersagt wurde. Ebenso wenig gibt es in Faar Magie – von der sehr lebhaften Geisterwelt einmal abgesehen.
Andreas (ZWO): Du hast dich entschieden, ein eigenes Regelsystem zu verwenden. Worauf hast du hier einen besonderen Fokus gelegt?
Christian: Im Grunde wollte ich ein Quellenbuch erstellen, mit dem jede und jeder in seinem bevorzugten Regelsystem spielen kann. Um jedoch Werte von Kreaturen usw. sinnvoll angeben zu können, habe ich ein ganz simples Regelsystem erstellt, das sich schamlos aus allem bedient, was mir bei anderen Spielen gefallen hat, aber sicher das Rad nicht neu erfindet.
Ich war erstaunt, dass ich das meiste Feedback zu den Regeln erhalten habe, die ich dort präsentiere. Ich würde mir wünschen, dass die Welt mehr Interesse weckt als die schnöden Würfelregeln – wobei ich mir generell mehr Feedback wünschen würde. Das ist, angesichts der nicht wenigen Downloads und Besucherzahlen, sehr gering. Aber ich fürchte, so geht es den meisten derartigen Projekten.
Andreas (ZWO): Ja, das geht sicher vielen Projekten so. Auf der Webseite kündigst du weitere Inhalte für das Rollenspiel an. Sag uns doch mal etwas mehr dazu.
Christian: Ich habe das Rollenspiel in Website-Form aufbereitet, man kann kostenlos darauf zugreifen. Ergänzend schreibe ich derzeit das Abenteuer „Der Libellenthron“, das ich auch bereitstellen möchte. Ein Einführungsabenteuer, das auf Conventions usw. erhältlich sein soll, plane ich ebenfalls. Ich muss aber bei allem um Geduld bitten, da es natürlich eine Frage der verfügbaren Zeit ist, all das fertigzustellen.
Übrigens, als ganz exklusive Top-News kann ich berichten, dass ich gerade erst alle Rechte an den Büchern zurückerhalten habe, da
sie nach mehreren Jahren aus dem Programm des Amrûn-Verlags herausgenommen wurden. Deshalb überarbeite ich derzeit die Gestaltung und auch den Inhalt ein wenig, um die Bücher dann im Selbstverlag neu herauszubringen. Das Design wird schön Retro sein, soviel sei verraten. Nicht, weil ich ein großer Retro-Fan wäre, aber weil es einfach zu den Büchern passt, schließlich bin ich schon sehr alt und meine Einflüsse stammen aus noch viel älteren Quellen 😊
Andreas (ZWO): Das sind schöne Perspektiven. Bleiben wir nochmal beim Thema Rollenspiel. Du bist auch Teil des Zombie Zone Germany Rollenspielprojekts. Was ist denn da deine Rolle und hast du Neuigkeiten für uns?
Christian: Dieses Projekt basiert ja auf einer Romanreihe des Amrûn-Verlags, die ich seit Beginn als Grafiker begleiten darf. Diesen Part übernehme ich auch für das Rollenspiel, das wir derzeit im Team entwickeln. Ein paar Textpassagen steuere ich auch bei. Wer dabei sein will, sollte dem Projekt auf Patreon folgen, da gibt es regelmäßig Kurzgeschichten, Hintergrundinfos und Auszüge aus dem Rollenspiel zu finden
Ich liebe Zombies und Zombiefilme und arbeite nebenbei daran, eine Liste aller existierenden Zombiefilme zu erstellen. Eigentlich wollte ich zu diesem Zweck auch alle ansehen, aber ich habe leider festgestellt, dass es jenseits der max. 20 brauchbaren Filme eine unendliche Menge an wirklichem Schrott in diesem Genre gibt.
Andreas (ZWO): Eine deiner Webpräsenzen nennt sich https://cyberpunk.de/ (Glückwunsch zur Domain!) und du hast auch eine Neosamurai-Reihe. Auch wenn es weit weg von Faar ist: Was fesselt dich an Cyberpunk?
Christian: Als ich mit dem Schreiben meines ersten Romans begonnen habe, war ich voll auf dem Cyberpunk-Trip und habe alles zum Thema gesammelt, was mir in die Finger kam. Ich habe immer wieder Blade Runner geschaut und sogar mein Wohnzimmer mit grünen Neonröhren dekoriert (keine gute Idee, das Licht macht einen verrückt).
Die Idee, Cyberpunk und Norddeutschland zu verknüpfen, führte dann zu den beiden Romanen under the black rainbow und Rost, die in Norddeutschland spielen und Cyberpunk und Dystopie miteinander verknüpfen. Diese Welt habe ich „Neon Samurai“ getauft, nach einer FastFood-Automaten-Kette, die es dort gibt. Im letzten Jahr ist der Kurzgeschichtenband Memory Cloud dazugekommen.
Andreas (ZWO): Zuletzt interessieren mich natürlich deine Pläne für die Zukunft. Was dürfen wir zukünftig von dir erwarten? Ein verchromtes Zombie-Faar vermutlich nicht, oder?
Christian: Nein, ich habe nicht vor, diese Welten zu verknüpfen, aber ich springe immer wieder hin und her. Derzeit arbeite ich unter anderem an dem dritten Band der „Neon Samurai“-Reihe, der einfach nicht fertig werden will. Es ist dort noch ein weiterer Band geplant, dann ist die Geschichte komplett erzählt, die mir im Kopf herumspukt.
Bei Faar soll es einen Band mit Erzählungen geben, aber auch ein vierter Roman ist in Planung.
Zu guter Letzt habe ich auch noch ein Konzept für einen Weltraum-SF-Roman, wann ich dazu komme, steht aber passenderweise „in den Sternen“.
Andreas (ZWO): Bei der Bandbreite dürfte wirklich für alle was dabei sein. Danke dir für die interessanten Einblicke! Da bleibt mir nur, die viel Erfolg und natürlich Freude beim Schreiben zu wünschen!