Wer sich schon einmal an einen Yakuza-Teil gewagt hat, wird festgestellt haben, dass die Erzählung stark im Vordergrund steht. Zwischensequenzen, die bis zu 30 Minuten dauern, sind keine Seltenheit. Oft jagt eine unerwartete Storywendung die nächste, bevor wir in einen dramatischen Showdown aus Martial Arts und Gänsehaut erzeugendem Pathos übergehen und dabei dem Gegner gehörig auf die Mütze geben. Und so brachial und heftig der Kampf auch ist, sind die geschlagenen Gegner letztlich noch immer putzmunter, nur um später erneut gegen uns anzutreten oder sich auf unsere Seite zu schlagen. Das ist die Yakuza-Reihe. Und wer einmal vom Fieber gepackt wurde, wird nach dem Ende unbedingt mehr wollen.
So war es zumindest bei mir. Da war die Tatsache, dass Yakuza 6 das Ende der Reihe einleitet, eher ungünstig. Doch wer sind all die Leute, die mir im Intro beiläufig vorgestellt werden? Für Einsteiger bietet das Spiel vor Beginn eine Übersicht der Handlung von Yakuza 1–5. Besonders hilfreich ist die Zusammenfassung jedoch nicht, da zu den zahlreichen japanischen Namen nicht immer die entsprechenden Figuren gezeigt werden.
Ein Epos in mehreren Akten
Doch um die Anfänge nachzuholen, muss man sich keine Playstation 2 auf dem Flohmarkt besorgen. Das erste Yakuza wurde im vergangenen Jahr unter dem Namen Yakuza Kiwami mit moderner Engine für die PS4 veröffentlicht. Mit Yakuza Zero wurde die Geschichte von Kazuma Kiryu um ein völlig neues Prequel ergänzt. Im Herbst erscheint mit Yakuza Kiwami 2 der überarbeitete Teil von Yakuza 2, und auch Teil 3–5 stehen als Remaster für die PS4 in den Startlöchern. Letztlich versteht man das Spiel aber auch ohne einen der Vorgänger gespielt zu haben.
Yakuza 6 schließt exakt an das Ende des fünften Teils an. Der blutige Endkampf des Finales hinterlässt einen schwer verletzten Kiryu, der sich durch die verschneiten Straßen Tokios schleppt. Seine Ziehtochter Haruka Sawamura, die es endlich geschafft hat, ihren Traum zu erfüllen und ein japanisches Teenie-Idol zu werden, verkündet in der Mitte des Konzerts ihren Rücktritt und die Rückkehr zu ihrer Familie. Als Idol hätte sie die skandalöse Bindung zu einem national berüchtigten Yakuza trennen müssen.
Doch das melodramatisch rührende Ende des fünften Teils wird durch neue dramatische Wendungen bereits zu Beginn des sechsten Teils wieder zunichte gemacht. Kazuma Kiryu landet nach seinem Krankenhausaufenthalt für drei Jahre hinter Gittern, die er freiwillig absitzt, um die Massen zu besänftigen. Haruka wird nach ihrem Abschied vom Pop-Business von penetranten Paparazzi verfolgt, die mit ihren schonungslosen Berichten nicht nur ihre Zukunft, sondern auch die Kinder ihres Waisenhauses „Morning Glory“ in Gefahr bringen. Also beschließt sie, zumindest so lange unterzutauchen, bis Kiryu seine Gefängnisstrafe abgesessen hat.
Doch als Kiryu nach drei Jahren das Gefängnis verlässt, fehlt von Haruka jede Spur. Nur wenige Tage später erfährt Kiryu, dass Haruka von einem Auto angefahren wurde und seitdem im Koma liegt. Doch Haruka war nicht allein. Am Tatort findet die Polizei Harukas einjährigen Sohn, der den Unfall unverletzt überstanden hat. Kiryu Kazuma macht sich also auf eine beschwerliche Suche nach dem Vater des Kindes und wird einmal mehr in einen intriganten Krieg zwischen den Yakuza-Familien und nun auch den chinesischen Triaden verwickelt.
Der wilde Osten
Bevor wir zum ersten Mal für längere Zeit das Steuer übernehmen, vergeht beinahe eine halbe Stunde. Aber was spielen wir hier eigentlich? Im Kern ist Yakuza ein klassischer Street-Brawler, wie wir es bereits von den Spielhallenautomaten der 90er kennen. Doch anstatt einer hanebüchenen Story mit klischeebeladenem Handlungsfaden à la Streets of Rage und der stetigen Aufforderung zum Münzeinwurf erwartet uns hier ein umfangreicher Einblick in die japanische Kultur. Kazuma Kiryu bewegt sich in einer fiktiven Nachbildung des Tokioter Rotlichtviertels Kabukicho namens Kamurocho und später auch im Hafenviertel Onomichi der Stadt Hiroshima. Die frei begehbaren Schauplätze dienen als Kulisse des Yakuza-Thrillers und bieten abseits der Hauptstory eine Unmenge an Beschäftigungsmöglichkeiten.
Folgen wir nur der Haupthandlung, geraten wir in einen spannenden Konflikt zwischen den verfeindeten Yakuza und Triaden-Clans. Neben den eher schwächeren Mobs treten wir auch gegen den einen oder anderen Boss an, deren Kampfkünste mit den unseren auf Augenhöhe stehen. Im Gegensatz zu den Vorgängern trainieren wir in Yakuza 6 nur einen Kampfstil, den wir mit den gewonnenen Erfahrungspunkten nach und nach ausbauen und um neue Moves ergänzen. Während des Kampfes füllen wir mit Tritten, Schlägen und Griffen die Heatanzeige. Ist diese aufgefüllt, können wir mit voller Wucht angreifen und verheerende Kombos austeilen. Teilweise ist der Heatmodus aber so stark, dass selbst harte Bosskämpfe nach kurzer Zeit vorbei sind. Damit ist Yakuza 6 kurioserweise der einsteigerfreundlichste Teil der Reihe.
Japan Simulator 2016
Darüber hinaus trifft Kiryu überall in der Stadt auf Mitbürger, die seine Hilfe benötigen. Die Substorys sind witzig inszeniert und motivieren, auch wenn sie teilweise nur aus simplen Aufgaben bestehen. Beispielsweise sammeln wir für ein Katzencafé streunende Katzen von den Straßen, verfolgen einen entflohenen Säuberungsroboter oder werden von einer korrupten Smartphone-Ki terrorisiert. Immer wieder überspringt der Grundton des Spiels dabei die gähnende Kluft zwischen todernster Erzählung und surrealem Slapstick. Nach sieben Yakuza-Teilen ist man diesen Wechsel aber gewohnt und würde ihn vermissen, wenn er plötzlich fehlte.
Neben Spielhallen mit diversen Segaklassikern können wir uns im Dart, Mahjong oder Baseball versuchen oder uns mit Hostessen den Abend versüßen. Natürlich ist auch Karaoke wieder mit dabei. Ein witziges Minispiel – in dem wir innerhalb eines Livechats durch Quicktime-Einblendungen unter Zeitdruck einzeilige Kommentare schreiben, um das Camgirl anzufeuern – spiegelt auf humoristische Weise wider, dass unser gealterter Kiryu mit moderner Technik mittlerweile völlig überfordert ist. Dass er trotz alledem immer noch topfit ist, erkennt man daran, dass er nun seinen eigenen Baseballverein managen darf und anstatt gemütlich zu angeln lieber mit der Harpune auf Tiefseejagd geht.
Mit dem Clansimulator zieht Kiryu später sogar seine eigene Streetgang hoch. In einem Ministrategiespiel lassen wir unsere Truppen gegen andere Gangs antreten, um die Terrorherrschaft der Streetgang Justis zu beenden. All das kann man aber auch ignorieren, wenn man nicht zwangsweise auf Erfahrungspunkte aus ist. Die bekommt man übrigens auch, indem man regelmäßig die Speisekammern der örtlichen Fastfoodketten leert. Ein gesundes Menü aus Burgern, Cola und noch weiteren Burgern liefert mehr Erfahrungspunkte, als in derselben Zeit herumlungernde Mobs zu verdreschen.
Technisch ist Yakuza 6: Lied des Lebens von allen PS4-Umsetzungen die ausgereifteste. Die hochdetaillierten Innenräume lassen sich nun endlich auch ohne Ladezeiten betreten und alle Dialoge sind vertont. Die originale japanische Sprachausgabe sorgt dafür, dass alle Dialoge genauso wirken wie sie sollen. Dass es wieder nur englische Untertitel gibt, ist allerdings ein Ärgernis, das den Erfolg der Reihe erneut unnötig schmälert.
Fazit
Wer der englischen Sprache mächtig ist, erlebt einen spannenden Yakuza-Thriller im Gewand eines Street Brawlers und erhält zudem nicht nur einen interessanten Einblick in Japans Kultur, sondern auch eine sehr unterhaltsame Ansammlung motivierender Nebenbeschäftigungen. Das Gameplay eignet sich besonders gut für Einsteiger. Vorkenntnisse der Reihe sind hilfreich, aber nicht essentiell, um Yakuza 6 zu verstehen. Für Fans von Kazuma Kiryu trumpft die Reihe mit einem epischen Finale und bringt die Legende des Drachen von Dojima zu einem befriedigenden Ende.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de