Hauptprotagonist Rex ist ein Bergungstaucher. Auf dem Rücken seines eher kleinen Titanenfreundes, den er liebevoll „Opa“ nennt, taucht er in den Tiefen des Ozeans nach uralten Artefakten, um den Gewinn seiner Heimatstadt zukommen zu lassen. Sein Ruf als Bergungstaucher verschafft ihm einen lukrativen Auftrag. Zusammen mit einer zwielichtigen Gruppe von Klingenmeistern soll er in unbekannten Gewässern nach einem Schiff mit einer mysteriösen Fracht suchen.
Zur falschen Zeit am richtigen Ort
Die Fracht entpuppt sich als eine der legendären Aegisklingen. Doch Klingen sind in Xenoblade Chronicles 2 nicht bloß einfache Waffen, sondern magische Wesen, die ihren Meistern im Kampf beistehen und ihnen einzigartige Kräfte verleihen. Rex kommt seinen Auftraggebern zuvor und berührt die Klinge. Ein Fehler, der ihn das Leben kostet. Zumindest für kurze Zeit. Durch die Berührung mit dem Schwert trifft Rex im Jenseits auf die Klingendame Pyra, die ihn bittet, sie nach Elysium zu bringen. Um Rex wiederzubeleben, teilt sie die Hälfte ihrer Lebensenergie mit ihm. Von nun an sind Rex’ und Pyras Schicksale untrennbar miteinander verbunden. Mit dem Ziel, Elysium zu erreichen, entfliehen sie dem Bergungsschiff. Unsere mysteriösen Auftraggeber sind darüber überhaupt nicht erfreut und verfolgen uns. Eine über 100 Stunden lange und gefährliche Reise beginnt.
Das Sammeln der Klingen ist von nun an eine unserer Hauptbeschäftigungen abseits der Kämpfe. Finden wir einen Kernkristall, können wir diesen mit einem unserer Mitglieder raisonieren (eine Bindung eingehen). Je nach Glück und eingesetzten Tugendverstärkern erhalten wir entweder eine einzigartige oder eine gewöhnliche Klinge, die wir von nun an in unseren Schlachten einsetzen können. Durch fleißiges Kämpfen und das Erfüllen bestimmter Herausforderungen erhöht sich die Harmonie und schaltet neue Attribute der Klinge frei. Zu Beginn können wir nur maximal zwei Klingen aktiv einsetzen.
Klingenlotterie
Die Klingen sind auf Techniken in den Bereichen Abwehr, Angriff und Heilen spezialisiert und bringen ihrerseits bestimmte Elementarkräfte mit. Optimalerweise sollten dann auch unsere festgelegten Angreifer von Angriffsklingen unterstützt werden. Doch nicht immer zieht man die richtige Klinge für seinen Recken aus dem Kristall und das Transferieren von Klingen ist durch streng limitierte Transferprotokolle begrenzt. Da einige unserer Mitglieder manchmal eigene Wege gehen und unsere Party verlassen, ist es immer vorteilhaft, auch für einen Kämpfer eine Heilerklinge in Reserve zu haben. Reguläre Klingen sind zwar unendlich vorhanden, jedoch bei weitem nicht so stark wie die einzigartigen Klingen und bringen nur einen Bruchteil der freischaltbaren Boni mit.
Außerhalb der Schlachten können die Elementarkräfte unserer ausgerüsteten Klingen auch Zugänge zu versperrten Bereichen mit wertvollen Schätzen freilegen. Entscheiden wir uns dafür, die Klingen wieder freizulassen (was für einzigartige Klingen nicht empfohlen ist), erhalten wir Tugendverstärker, um unsere Chancen auf einzigartige Klingen zu erhöhen. Einige von ihnen bringen sogar eigene Quests mit sich. Allerdings besitzen diese – teilweise stundenlangen – repetitiven Aufgaben oft wenig Unterhaltungswert. Die Elementarklinge Ursula müssen wir beispielsweise über hundertmal auf die gleichen Söldnermissionen schicken, sodass wir sie so gut wie nie im Kampf dabei haben. Auch erhalten wir dafür nur ein Minimum an Erfahrungspunkten. Jede einzigartige Klinge wurde übrigens von einem anderen Künstler designt.
Ohrfeige aus 30 Metern Entfernung
Im Kampf erhalten wir von jeder Klinge drei Angriffstechniken, mit denen wir unsere Spezialattacken aufladen. Diese können in vier Stufen gesteigert und durch Quicktime-Sequenzen verstärkt werden. Besonders effektiv sind diese in der Form von Klingenkombos. Aktivieren wir mit der Unterstützung unserer Mitstreiter drei aufeinander aufbauende Klingenangriffe, geben wir es dem Gegner mit exponentieller Kraft auf die Mütze.
Da die Schlachten in Echtzeit ablaufen, ist Timing oberste Priorität. Leider ist unsere Position nur nebensächlich relevant. Ein roter Kreis symbolisiert, wen der Gegner gerade angreift. Die Entfernung spielt dabei keine Rolle. Wenn wir einem viel zu starken Gegner ausweichen wollen, sterben wir trotzdem durch eine Ohrfeige aus 30 Metern Entfernung.
Um solche Situationen zu vermeiden, sollten wir mit den Schultertasten durch die stets sichtbaren Gegner in der Nähe schalten, um das Level zu erkunden. Großen Gegnermassen weichen wir aus, indem wir sie per Steinwurf aus der Masse locken. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass sich plötzlich alle Gegner in der Umgebung in eine Schlacht einmischen. Zuerst sind es zwei Eichhörnchen. Danach gesellt sich ein Wolfsrudel dazu. Schließlich werden wir völlig aufgerieben, weil ein Level 92 Raubsaurier zufällig an unserem Geplänkel vorbeiläuft.
Ein Game Over führt aber nicht zum Zeitverlust. Wir behalten alle Erfahrungspunkte bis zu unserem Ableben und verlieren lediglich etwas Harmonie. Es kann allerdings vorkommen, dass wir von unscheinbaren Gegnern, denen wir längst davongelevelt sind, gnadenlos dezimiert werden. Andere Feinde, die uns überlegen sein sollten, können wir problemlos besiegen. Positiv anzumerken ist, dass uns schwache Gegner irgendwann nicht mehr angreifen und uns somit auch nicht unnötig aufhalten. Ausgenommen davon sind die einzigartigen Gegner.
Harte Schule
Zu Beginn ist das Kampfsystem vor allem für Einsteiger extrem überfordernd. Das Tutorial erklärt uns genau ein einziges Mal, was zu tun ist. Danach ist es nicht mehr abrufbar. Da wir zu dem Zeitpunkt noch nicht genügend Klingen besitzen, können wir die meisten Kombos nicht effektiv beenden. Das führt oft dazu, dass wir glauben, etwas falsch gemacht zu haben. Tatsächlich hängt aber vieles davon ab, ob wir überhaupt eine brauchbare Klinge im Inventar haben, mit der wir Kombos vollenden können, bevor das Zeitlimit abgelaufen ist. Wir sollten uns also mit dem Raisonieren unserer Kernkristalle nicht zurückhalten.
Wer der Hauptmission streng folgt, wird spätestens bei den Bosskämpfen kein Land mehr sehen. Das Klingenmanagement und häufiges Grinden sind Pflicht und bremsen den Erzählfluss teilweise aus. Zum Glück gibt es Nebenmissionen, die uns an abgelegene Orte führen. Haben wir diese abgeschlossen, wird uns die Erfahrung beim nächsten Gasthausaufenthalt gutgeschrieben. Auch unsere Klingen können arbeiten, während sie inaktiv sind. Im späteren Verlauf schicken wir sie auf Söldnermissionen, die nicht nur unsere Klingen trainieren, sondern auch die Beziehung zu den Städten verbessern, was zu dauerhaft niedrigeren Preisen führt.
Anfangs können wir auf der untersten Stufe nicht mehrere Söldnermissionen gleichzeitig in Auftrag geben. Da diese bis zu eine Stunde dauern können, verläuft der Erfahrungsgewinn vorerst sehr zäh. Viele Nebenmissionen verlangen für ein Weiterkommen zudem spezielle Talente oder Kenntnisse, die wir über viele Stunden zunächst mühsam trainieren müssen. Erst mit dem Abschließen der Nebenmission bekommen wir die Erfahrungspunkte zugeteilt. Auf diese Weise können wir die Nebenaufgaben meist erst spät im Spiel beenden.
Manisch-depressiv
Das Charakterdesign geht nun viel stärker in Richtung Anime. Große Kulleraugen, vollbusige Damen und übertriebene Cartoon-Gesichtsausdrücke stehen einer oft ernsten und dramatisch erzählten Fantasy-Story gegenüber. Die Stimmung schwenkt oftmals binnen Minuten von Drama zu Comedy. Auch bei der Synchronisation gibt es Diskrepanzen. Die Hauptprotagonisten Rex und Nia sehen aus wie Kinder, haben aber die Stimmen junger Erwachsener. Daher weiß man nicht, auf was für eine Reifestufe man sie eigentlich stellen sollte. Charakterlich verhalten sie sich nämlich wie Zwölfjährige.
Auf die Gesamtinszenierung bezogen, ist dies jedoch Meckern auf hohem Niveau, denn Xenoblade Chronicles 2 unterhält über die etlichen Stunden sowohl im erzählerischen, als auch explorativen Bereich bestens. Die Motivation, jede Klinge bis zum Maximum zu steigern, ist jederzeit gegeben, da man nahezu im Minutentakt neue Talente freischaltet. Auch technisch macht das Spiel eine gute Figur. Die Hardware der Switch wird gut ausgereizt, im Handheld-Modus wird lediglich die Auflösung reduziert, damit das Gameplay flüssig bleibt. Wer das Spiel in seiner vollen Pracht genießen will, sollte im Fernsehmodus spielen. Dazu gesellen sich angenehm kurze Ladezeiten und ein ohrwurmträchtiger Soundtrack. Die vielen Anzeigen im Kampfmodus erschlagen einen zu Beginn. Später weiß man jedoch jede einzelne von ihnen zu schätzen und zu nutzen.
Fazit
Xenoblade Chronicles 2 ist ein Umfangsmonster, das sein volles Potenzial erst über viele Stunden entfalten muss. Spätestens dann ist man aber so gefangen, dass man nicht eher wieder aufhört, bis das Spiel gemeistert ist. Kleine Designfehler, wie das knappe und nicht wiederholbare Tutorial und die teilweise unbrauchbare Karte, könnten Einsteiger vergraulen. Als Gesamtkunstwerk ist Xenoblade Chronicles 2 aber enorm motivierend und neben Mario und Zelda das dritte große Exklusivspiel für die Nintendo Switch, für das es sich lohnt, auf Nintendos Hybrid-Konsole zu setzen.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.