Das Phantasie ein mächtiges Instrument ist um Kraft zu tanken und die bunte weite Welt zu entdecken, muss man Fantasyleser*innen kaum erklären. Auch Kinder wissen das meist von alleine und brauchen nur ein bisschen Anstoß, um die Phantasie zum Leben zu erwecken. Mit Kinderbüchern, die die Macht der Phantasie und Wunder der Welt zelebrieren, möchte Paula Schwanitz genau das machen. Und das hatte zumindest bei mir und den begeisterten Zuhörer*innen vollen Erfolg ...
Der Kinderbuchmarkt ist eine Welt für sich. Zwar passiert hier die letzten Jahre einiges, soweit ich überblicken kann, ist es hier für Autor*innen besonders schwer, sich jenseits der Großverlage durchzusetzen. So war ich erfreulich überrascht, als ich den Stand von Paula Schwanitz auf der KrähenFee finden durfte, die gleich zwei phantastische und reich illustrierte Kinderbücher im Gepäck hatte.
Mondscheinpiraterie
Worum geht es also? Beide Bücher haben ein reales Meerschweinchen zum Vorbild. Zum einen wäre da der grau-weiße Findling, der passenderweise “Moses” genannt wurde. Er liebt den Mond und streunert diesem eines Nachts in der Sorge hinterher, dass er verschwinden könnte. Bemerkt Moses doch, dass der Mond immer schmaler wird. Seite für Seite nimmt der Mond weiter ab und Moses Verzweiflung zu. Bis er schließlich eine weiße Eule trifft, die ihm anhand von gut aufbereiteten Illustrationen die Mondphasen erklärt. Das ist sicher keine übliche Kindergeschichte und vielleicht genau deshalb so schön. Ausnahmsweise geht es nicht um Freundschaft, Verzeihen und richtiges Verhalten, sondern einfach um ein Naturphänomen. Auf kluge Art und Weise werden die Kinder so ein bisschen für den Mond und seine Phasen begeistert und verstehen die Grunderklärung tatsächlich recht schnell.
Moses liebt den Mond und fürchtet sich, dass dieser eines Tages verschwinden könnte
Deutlich pädagogischer ist das Schiff voll Mut. Auch hier steht ein echtes Meerschweinchen Pate, das schwarzfellige, einäugige Marlenchen. Marlenchen traut sich nicht aus einem Blätterhaufen vor, da es glaubt, durch sein eines Auge ein Monster zu sein. Nun wäre es kein Kinderbuch, wenn es die Tiere des Waldes – inklusive Gastauftritt von Moses – dabei beließen. Sie ermutigen Marlenchen, dass sie nicht auf die "Lästermäuler" hören solle und schlagen eine Strategie vor, um sich von schlechtem Gerede frei zu machen. Marlenchen soll sich in die Phantasie flüchten und dort Mut finden. Sie soll ihren scheinbaren Makel als Idee für eine Piratengeschichte nehmen und verwandelt sich in dieser Schritt für Schritt in eine mutige Kapitänin. Wer hier Realitätsflucht befürchtet, darf beruhigt sein: Ich lese hier den Mut zur Phantasie und einem Aufruf zum Geschichtenerzählen heraus und keine Realitätsverweigerung. Marlenchen kann sich am Ziel der Reise selbstbewusst nehmen wie sie ist und am Ende präsentieren uns die Waldtiere die Hoffnung auf eine Welt, in der tatsächlich jeder ohne Angst verschieden sein kann. Der ganz dezent platzierte Hase mit nur einem Ohr kann dann übrigens ein wunderbares Beispiel dafür sein, dass uns "Andersartigkeit" garnicht auffallen muss und dadurch ein guter Gesprächsanlass über die Normalität von Diversität sein.
Das Schiff aus Mut endet hoffnungsvoll
Formuliert sind beide Bücher in Reimform. Das ist zweifelsohne eine Geschmacksfrage und ich bin ehrlich, dass es meins nicht ist. Die Reime sorgen für eine teils unnötig komplexe Sprache und manch komische Inversion. Während der Stil in Moses weitgehend gelingt, leidet die Verständlichkeit des sowieso etwas anspruchsvolleren Schiffes leider etwas am Reimstil. Auch das ist mit kurzen Erklärungen und Paraphrasen sicher behebbar, trübt aber mein ansonsten enorm positives Bild etwas. Denn lohnen, tun sich beide Geschichten allemal.
Illustrationen
Beide Bücher sind durchgehend doppelseitig Illustriert und darf man damit wohl als Bilderbuch bezeichnen. Der Detailreichtum trifft dabei eine angenehme Mischung aus versteckten Details und Aufgeräumtheit. So wird man beim lesen nicht von überfrachteten Bildern erschlagen, kann aber bei genauen Hinschauen immer wieder was entdecken. Abseits der jeweils im Mittelpunkt stehenden Szene verstecken sich Pilze, Glühwürmchen oder seilt sich auch mal eine Spinne ab. Der Illustrationsstil ist dabei recht harmonisch gewählt. Ich würde ihn als weich gezeichneten Aquarellstil beschreiben, lasse aber die der Rezension beigefügten Bilder für sich sprechen. Uns hat der Stil enorm gut gefallen, besonders stark finde ich die Umsetzung der Phantasiereise von Marlenchen bei der sich das Meerschweinchen stückweise zur Piratin verwandelt und ein Baumstamm langsam zum Boot wird. Hier kommt die Verschmelzung von Wirklichkeit und Phantasie wirklich optimal zur Geltung. Caroline Bertl drückt den Büchern ganz klar ihren Stempel auf. Und das ist großartig!
Langsam verwandelt sich ein Baumstamm in ein wasserfestes Piratenschiff
Zielgruppe
Beide Bücher sind mit großzügigen Altersempfehlungen versehen. Zwischen 3 und 7 (Moses, das Mondschweinchen) oder 4 und 7 (ein Schiff aus Mut), sollen die kleinen Leser- bzw. Guck- und Hörer*innen am besten sein. Der Einschätzung kann ich mich nur anschließen. Kleinere Kinder finden auf den Seiten zwar immer wieder was zu entdecken, haben aber vermutlich keine Ruhe für die ganze Vorlesedauer und können der Geschichte auch sonst noch nicht ganz folgen. Auch die Papierseiten sind zwar ein bisschen dicker als üblich, aber dennoch schnell von energischen Kinderfäustchen verknickt. Mit vier Jahren geht das schon deutlich besser und mit erklärendem Kommentar durch die Vorlesenden kommen dann auch schon die Ideen der Geschichten bei den Kleinen an. In jedem Fall dürften Marlenchen und Moses schnell ein Plätzchen im Herzen der Kinder finden.
Fazit:
Moses und Marlenchen sind Meerschweinchen mit Herz. Beide Bücher überzeugen durch großartige Illustrationen und etwas andere Geschichten. Bilderbücher abseits des Mainstreams haben es sicher schwer, den Geschichten von Paula Schwanitz wünsche ich trotz dem ein oder anderen krummen Reim viele begeisterte Leser*innen. Die Geschichten haben es verdient und die beiden Meerschweinchen werden sicher schnell einen festen Platz in der Phantasie der kleinen finden. Natürlich auch als Kinderbuchgeschenk geeignet, dass ganz bestimmt noch nicht im Regal steht.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de