Auf der Spielemesse Essen hat Andreas Wilde 2024 das Spiel einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die asymmetrischen "Völker", ein Deckbuilding Element und vor allem auch eine App-Einbindung sind vielversprechend und das, was auf der Messe gezeigt werden konnte, spielte sich bereits sehr herausfordernd und ausgeklügelt. Der Zauberwelten-Redakteur Marco Troschka hatte im Nachhinein noch einige Fragen zum Spiel und den Designer für Zauberwelten-Online um Frage & Antwort gebeten.
Marco Troschka (Zauberwelten-Online): Bist du Vollzeitdesigner oder machst du noch etwas anderes? Was hat dich motiviert mit dem Entwickeln anzufangen?
Andreas Wilde: Ich bin kein Vollzeitdesigner, weil ich noch einige andere Dinge mache. Ich war eine Zeit lang in Elternzeit, ich lehre, auch im Bereich Game Design, und immer wieder andere Jobs, manchmal in der Wissenschaft. Die Sache, die ich aber wirklich konsistent in den letzten 7 Jahren gemacht habe, war, mit unserer Firma Hypergames Spiele zu entwickeln und an den Mann zu bringen.
Ich konnte mir nach dem Studium nicht vorstellen, ein Architekturbüro zu gründen oder in einem abgestellt zu werden. Ich habe Architektur studiert und wollte Kreativität und solche Dinge mit etwas Ordentlichem verbinden. Nach dem Studium habe ich den Mut gefasst, einmal ein Brettspielprojekt auszuprobieren, um zu sehen, ob man damit nicht auch Geld verdienen könnte. Glücklicherweise ist Soviet Kitchen so gut angelaufen, dass ich seitdem in erster Linie Game Designer und Verleger bin.

Marco: Was spielst du am liebsten? Welche Spiele gefallen dir besonders? Welche Spiele hast du am liebsten?
Andreas: Ich mag viele verschiedene Spiele, also ich spiele viele Brettspiele, aber ich nenne mal ein paar Beispiele: Seven Wonders, Terraforming Mars, Concordia und fast alle Worker-Placement-Spiele. Spirit Island, dazu kommen wir später noch.
Obwohl das jetzt vielleicht nicht auf alle diese Spiele zutrifft, die ich jetzt beschreibe oder genannt habe, glaube ich, dass so ein unterliegendes Thema für mich Exploration ist. Also dass man in irgendeiner Form sich selbst erkundet oder mal schaut, was passiert. So eine Offenheit und dass am Anfang des Spiels die Frage steht: Was könnte daraus werden?
Das finde ich auch ganz besonders in Spielen, in denen man sein eigenes Reich baut oder so. Auch am Computer, wie Civilization, Anno, oder Die Siedler von Catan am Tisch. Spiele, wo man auf eine leere Landkarte guckt und sich fragt, worüber man später alles herrschen könnte und was man alles bauen könnte. Das ist ein großes Thema für mich.
Marco (ZWO): Du hast ja bereits mehrere andere Spiele entwickelt. Inwiefern hat dich das beim Entwickeln von Towers of Yoma beeinflusst? Welche Erfahrungen haben dir geholfen?
Andreas: Thematisch und mechanisch ist Towers of Yoma weitgehend Neuland für mich. Aber das heißt nicht, dass ich nicht einen sehr großen Teil an Dingen schon gelernt habe oder beherrsche. Das betrifft vor allem die Verlagsseite dieses ganzen Unterfangens: wie man überhaupt so ein Projekt stemmt, was alles zum Crowdfunding dazugehört – das ist nicht unser erstes Crowdfunding-Projekt –, wie man ein Regelheft setzt, Spiele übersetzt und so weiter. Es gibt super viele Themen, die erstmal gar nicht so viel mit dem Spiel selbst zu tun haben, die ich aber in den letzten Jahren mit den letzten vier oder fünf Spielen gelernt habe.
Bei Soviet Kitchen und anderen unserer Spiele habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, was beim Koop-Spielen alles schief gehen kann und was sich besonders gut anfühlt. Insofern steht Towers of Yoma auch in einer Tradition solcher Koop-Spiele, da mehr meiner Spiele Koop-Elemente haben als nicht.
In Sachen Playtesting und Umfang ist das Spiel aber eine ganz neue Herausforderung für uns. Es fiel mir auch nicht immer leicht.

Marco (ZWO): Towers of Yoma – magst du das Spiel und den Kern vielleicht in ein paar Sätzen beschreiben?
Andreas: Ja, gerne. Towers of Yoma ist ein Tower-Defense-Game. Und zwar ein waschechtes. Es hat all die Dinge, die ich an Tower-Defense-Spielen liebe und die ich in Brettspiel-Varianten manchmal vermisse. Es gibt verschiedene Fraktionen mit verschiedenen Türmen (Turmkarten), es hat einen experimentellen Charakter, bei dem man ausprobieren kann, welche Türme mit was ziehen und was passiert, wenn man dies und das baut.
Das Mazing ist für mich der persönliche, ganz starke Link zu Tower-Defense-Spielen: das Gefühl, eine Spirale oder einen Zickzack zu bauen, um Gegner daran zu hindern, geradeaus zu marschieren. All das ist Towers of Yoma, nur eben auf einem Brett, nicht am Computer. Mechanisch gesehen ist es ein Koop-Deckbuilder mit Brett und damit nicht ganz unähnlich beispielsweise Spirit Island.
Marco: Gibt es Spiele, die dich inspiriert haben?
Andreas: Ja, ganz klar WarCraft 3. In WarCraft 3 gibt es das sogenannte Battle.net, und dort existieren Fun-Maps oder Custom-Maps. Leute haben dort eigene Spiele gebaut, und der Editor war so mächtig, dass ganze Genres daraus entstanden sind – wie League of Legends, Dota oder die Idee eines Tower Defense, die wahrscheinlich direkt aus dem WarCraft 3 Battle.net stammt. Ich wollte da ganz klar anknüpfen und Menschen, die diese Zeit erlebt haben, mit Towers of Yoma ein ähnliches Gefühl von Zuhause geben.
Das war aber gar nicht so leicht, weil ich mich zunächst eng an die Formel des Computerspiels geklammert habe. Es hat relativ lange gedauert, bis ich bestimmte Aspekte loslassen konnte. Zum Beispiel hatten wir lange Zeit Türme, ähnlich wie im Computerspiel, mit verschiedenen Fähigkeiten. Aber es war schwer, einen sinnvollen Link zwischen den Türmen auf dem Brett und deren Beschreibung auf einer Spielkarte herzustellen.
Das hat sich erst geändert, nachdem ich einige Male Spirit Island gespielt hatte. Ich habe gemerkt, dass Spirit Island den experimentellen Charakter in den Karten abbildet und das Brett mehr für die taktische und strategische Ebene nutzt. Dadurch hat Spirit Island dieses Projekt, glaube ich, ein Stück weit gerettet, weil ich gesehen habe, wie experimentell ein Spiel sein kann, in dem man auf Gegner "schießt", ohne dass man unzählige Teile auf dem Tisch braucht.

Marco: Warum wolltest du ein Tower-Defense-Game entwickeln?
Andreas: Ich denke, dass Nostalgie auch eine Rolle spielt. Ich kann mich noch so gut daran erinnern, wie ich diese Spiele vor 15, 20 Jahren gespielt habe, zum Beispiel auf LANs. Und ich wünsche mir, dieses Gefühl im Wohnzimmer in zwei bis drei Stunden replizieren zu können.
Das ist jetzt vielleicht ein bisschen redundant, aber es geht mir, glaube ich, sehr stark um das Experimentelle und um diesen Neuanfang. Du kommst auf eine große leere Karte, und kannst es kaum erwarten, sie mit abenteuerlichen Inhalten zu füllen.
Marco: Warum habt ihr euch dafür entschieden, eine App zu benutzen?
Andreas: Ja, also gleich vorweg: Ich finde, Apps sind erstmal eine ziemlich coole Komponente im Spiel, weil sie einfach alles sein können. Man muss sich nicht mehr an die Regeln des physischen Spiels halten.
Die eigentliche Antwort ist, dass ich Spirit Island sehr gerne spiele, aber ich persönlich bin, glaube ich, einfach zu doof für das Management der Gegner. Da gibt es diese Design-Tabelle, die beschreibt, wie die Engländer reagieren und wie die Franzosen sich auf der Insel verhalten würden. Dazu kommen verschiedene Kartenstapel, die man miteinander mischen, aufteilen und dann an bestimmten Momenten von einem Stapel zum nächsten gehen muss.
Ich weiß, dass es Leute gibt, die das bevorzugen, aber ich denke, es gibt auch viele, die das eher frustrierend finden. Die wollen einfach nur spielen, gucken, was passiert, und ihr Deck bauen – ohne ständig 15 Minuten für den Aufbau oder im Laufe des Spiels immer wieder 5 Minuten für das Management der Gegner aufzuwenden. Dieses ordentliche Abarbeiten, damit die Maschine nicht kaputt geht, feiere ich persönlich nicht so sehr.
Deshalb freue ich mich total, dass wir unser Towers of Yoma mit einer App bauen können. Wir wissen aber, dass es Leute gibt, die Apps nicht mögen. Deswegen entwickeln wir gerade zusätzlich ein Spiel, das auch ohne App funktioniert.

Das könnte entweder über einen Mechanismus laufen, also über ein Brett und Karten, die nach bestimmten Regeln gezogen und aufgedeckt werden, oder – woran wir noch experimentieren – durch einen gegnerischen Spieler, der die App ersetzt. Das würde das Spiel in ein One-versus-Many-Format bringen. Das ist natürlich nicht einfach, und wir wollen sicherstellen, dass es wirklich gut wird, bevor wir es veröffentlichen.
Marco: Wie arbeiten die Spielenden zusammen, gibt es gemeinsame Synergien die erzeugt werden müssen, um erfolgreich zu sein?
Andreas: Man muss sehr stark zusammenarbeiten. Das Spiel ist so balanciert, dass man mit einer einzigen Fraktion nur schwer gewinnen kann, da jede Fraktion für sich allein nicht gut spielbar ist. Die Elfen beispielsweise haben großes Potenzial für mehr Aktionen und können durch Distanzschüsse ein wenig "aufräumen". Allerdings fehlt ihnen die Schlagkraft, um große Gegner wie Maschinen wirklich zu gefährden.
Andere Fraktionen machen möglicherweise mehr Schaden, müssten dafür jedoch ihre Aktionen aufwenden, um einzelne Gegner schon frühzeitig vor dem Ende des Labyrinths zu eliminieren. Erst durch sinnvolle Arbeitsteilung und das gemeinsame Ausnutzen geschickt designter Turm- und Wunderkarten wird das Spiel überhaupt schaffbar. Manche Karten verleihen Mitspielenden Boni. Doch brauchen diese gerade solche? Kann jemand einen Kristall spenden?
Marco: Kann man Towers of Yoma auch Solo spielen und wenn ja, inwieweit unterscheidet sich das Spielgefühl, gibt es überhaupt Unterschiede? Spielt man dann ein Volk, oder muss man quasi die Rolle mehrerer Spielender übernehmen?
Andreas: Anstatt euch etwas zu versprechen, erzähle ich direkt aus der Entwicklung:
Eben weil das Spiel kooperativ ist, ist der Solomodus gar nicht so leicht umzusetzen. Wir haben momentan zwei Solo-Prototypen.
Der erste entspricht weitgehend dem Spiel mit zwei Fraktionen. Ich weiß, dass einige Spieler das zweihändige Spiel einem dezidierten Solomodus vorziehen. Lediglich bei den Handkarten erlauben wir ein paar Komfortregeln, die das Solospiel vom Zwei-Spieler-Spiel unterscheiden.
Der zweite Ansatz testet das Solospiel mit einer Fraktion und einer Art gemischter Unterstützerfraktion, die zusätzlich zum eigenen Spiel ausgespielt wird. Das Deckbuilding der Unterstützerfraktion ist dabei limitiert, um den Fokus auf die Hauptfraktion zu bewahren.
Marco: Gibt es denn schon Planungen, wie das Spiel veröffentlicht werden soll?
Andreas: Wir planen eine Crowdfunding Kampagne über Gamefound im April zu starten, wobei das genaue Datum noch nicht feststeht.
Marco: Soll es dort dann auch die Crowdfunding typischen Stretch Goals oder Zusatzinhalte geben?
Andreas: Wir wollen hier eher versuchen die Materialien zu verbessern, wertigere Karten ermöglichen, die Box spannend gestalten. Auch könnte ich mir vorstellen, dass eine höhere Finanzierung dafür sorgen könnte, dass wir über Erweiterungen nachdenken können, oder neue Spielmodi entwickeln.
Marco: Gab es einen Grund, dass du die Gamefound Plattform gewählt hast und nicht Kickstarter?
Andreas: 1. Gamefound ist gerade im Höhenflug und gerade für größere Fantasy-Spiele sehe ich dort inzwischen mehr Publikum als bei Kickstarter. Das ist statistisch umstritten, aber unsere Kampagne läuft im Prelaunch wunderbar. 2. Gamefound ist komfortabler und übersichtlicher, für Projektmanagement auf jeden Fall, aber auch für User dank integriertem Pledge Manager. 3. Ich fand die Idee eines "europäischen Kickstarter" schon immer sehr reizvoll. Das galt schon vor Trump, aber jetzt noch viel mehr. Gerade in Polen geht gerade richtig viel und ich finde das wunderbar.
Marco: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, auf meine Fragen einzugehen.

Bilder: Andreas Wilde