Too Many Bones – Mut, Taktik und Knochen
Viele Jahre nach der Veröffentlichung in den USA bringt der Bayreuther Spieleverlag Frosted Games das kooperative Fantasy-Würfel-Bau-Rollenspiel "Too Many Bones" auf den deutschen Markt. Doch sollte man sich von dem stolzen Listenpreis von 150 € abschrecken lassen? Worum geht es in diesem hochgelobten Spiel und für wen ist es besonders empfehlenswert?
Die Vorgeschichte zum Spiel
Das Brüderpaar Josh J. Carlson und Adam Carlson haben das geschafft, was sich viele passionierte Spieler*innen wünschen: Mit einer eigenen Firma namens Chip Theory Games ihre kreativen Ideen in tatsächliche Spiele zu verwandeln und dabei sowohl finanziell rentabel zu sein, als auch mit ihren Inhalten Spielende weltweit zu begeistern.
Wie so oft war der Anfang relativ klein. Viele haben erstmals von Chip Theory Games erfahren, als sie 2017 mit einem hochwertig produzierten Spiel namens Too Many Bones eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion über Kickstarter schafften. In den Jahren darauf folgten unter anderem zwei noch erfolgreichere Nachfolger: Too Many Bones: Undertow und Too Many Bones: Unbreakable, sowie etliche Erweiterungen. Zuletzt arbeitete Chip Theory Games sogar in Zusammenarbeit mit Bethesda Softworks an einem Spiel, das im The Elder Scrolls-Universum angesiedelt ist. Nach circa sieben Jahren des Wartens erscheint dieser allererste Achtungserfolg in deutscher Sprache bei Frosted Games. Trotz der exzellenten Bewertungen des Spiels, war dem Team von Frosted Games im Vorfeld nicht klar, ob nach all den Jahren noch ein ausreichendes Interesse an einer deutschen Version von Too Many Bones bestünde. Eine Vorbestellaktion im Juli 2022 zeigte jedoch, dass dies mehr als der Fall war. Lasst uns also gemeinsam einen Blick in die kompakte (und bis zum Rand gefüllte) Spielbox von Too Many Bones werfen und herausfinden, ob dieses Spiel zurecht seit Jahren höchste Bewertungen auf Top-Listen der Brettspielwelt genießt!
Bis zum Rand gefüllt - und dennoch schnell aufgebaut.
Worum geht’s?
Too Many Bones ist ein kooperatives Experten-Brettspiel für 1-4 Spielerinnen und Spieler, das in einer eigenen Fantasywelt angesiedelt ist. Jede und jeder verkörpert dabei einen Gearloc, faszinierende Wesen, die eine Mischung bekannter Fantasyspezien darstellen: Sie haben die spitzen Ohren der Elfen, die Statur von Kobolden und das technische Erfindertum von Gnomen. Gemeinsam mit bis zu drei weiteren Gearlocs stürzt ihr euch in ein Abenteuer, um eure Heimat vor einem der sieben finsteren Tyrannen zu verteidigen. Während mehrerer Tage erlebt ihr zahlreiche Begegnungen, bei denen ihr stets vor Entscheidungen steht, wie ihr diese lösen möchtet. Ihr kämpft gegen die Schergen des Tyrannen, sammelt wertvolle Gegenstände (Loot), verbessert eure Charakterwerte durch Training und meistert neue Fähigkeiten.
Nicht kleckern, sondern klotzen!
Bevor man zum spielerischen Aspekt des Spiels kommen kann, fällt als allererstes die aufwendige Produktionsqualität des Spiels auf. Bei Too Many Bones bekommt ihr einiges geboten: 139 bunte Würfel voller spezieller Symbole, fünf Neopren-Matten (für die vier Gearlocs, sowie für das Gefecht), 136 Poker-Chips (hauptsächlich für die Horden an Fieslingen und die Lebenspunkte) und das ganze in Plastikkisten, mit denen man das Spiel trotz des vielen Materials relativ schnell auf- und abbauen kann. Jetzt macht der Firmenname “Chip Theory Games” auch Sinn, da fast jedes ihrer Produkte wertige Chips beeinhaltet. Mit Ausnahme der Chips für die Lebenspunkte liegen alle schwer in der Hand und sind individuell beidseitig bedruckt.
Hier findet man keine halbvolle Verpackung, sondern eine effiziente Spielbox mit exzellenten, gar opulenten Inhalten. Diese Qualität hat natürlich ihren Preis: Stolze 149,95 € kostet das Spiel! Über die Spitzenqualität des Materials gibt es nicht viel zu diskutieren, doch im Kern geht es natürlich nicht nur um Optik und Haptik, sondern um das Spielerlebnis. Wie spielt man also Too Many Bones und für wen ist dieses taktische Fantasy-Würfelabenteuer geeignet?
Bunte Würfel und Horden an Chips - das ist Chip Theory Games!
Von Gearlocks und Begegnungen
Too Many Bones inkludiert vier spielbare Charaktere, die klassischen RPG-Typen folgen: Tantrum ist ein wütender Berserker, Boomer eine explosive Fernkämpferin, Picket ein Verteidiger mit großem Schild und Patches ein Unterstützer, der sich auf Heilung spezialisiert hat. Neben den allgemeinen Charakterwerten Lebenspunkte, Angriff, Verteidigung und Taktik, verfügt jede Figur über 16 individuelle Würfel. Von diesen repräsentiert jeder eine Fähigkeit, die im Laufe des Spiels erlernt werden kann. Durch das Meistern dieser Fähigkeiten und das Sammeln von Loot wird man im Spielverlauf immer stärker.
Der Spielablauf ist rasch erklärt: Jeder neue Tag beginnt mit dem Ziehen einer Begegnungskarte. Man liest den Story-Text auf der Vorderseite und wählt anschließend eine der beiden Optionen auf der Rückseite aus. Oft führt dies zu einem Kampf gegen Fieslinge, dazu zieht man dann Fieslings-Chips und legt diese sowie die Gearlock-Chips auf die Gefechtsmatte. Auf dieser 4x4 Felder großen Matte gilt es, sich abzusprechen und clever zu taktieren, um siegreich aus dem Gefecht hervorzugehen.
War man erfolgreich, wird man mit Loot und Trainingseinheiten belohnt, bei denen man neue Fähigkeiten erlernen oder die eigenen Charakterwerte erhöhen kann. Insgesamt sind diese Begegnungen sehr vielfältig und machen besonders Spaß, wenn man zum ersten Mal auf sie stößt. Mal muss man mit ominösen Händlern eine Variante von russischem Roulette spielen, mal sich einer Rattenplage annehmen oder im brennenden Wald einen Drachen konfrontieren.
Bereits der erste Kampf kann zu einer Herausforderung werden!
Was bedeutet der Titel Too Many Bones?
Und warum heißt das Spiel eigentlich Too Many Bones - zu Deutsch also “zu viele Knochen”? Viele der Würfelseiten zeigen ein oder mehrere Knochensymbole, welche als Fehlschlag zählen. So darf man sich zurecht ärgern, wenn man selbst zu viele Knochen erwürfelt (wobei das meistens halb so schlimm ist). Die gewürfelten Knochen verfallen nicht, sondern werden auf dem sogenannten Backup-Plan in der Gearloc-Matte platziert. Sammelt man dort genügend Knochen, darf man besondere Zusatzfähigkeiten aktivieren oder sogar das persönliche Talent permanent verbessern.
Storytelling und Humor
Ein besonderes Highlight von Too Many Bones ist sein durchdachtes Storytelling und der einzigartige Humor. Jede Begegnungskarte beginnt mit einem einführenden Text auf der Vorderseite. Nach dem Lesen dreht man die Karte um und steht vor der Entscheidung meist zwischen zwei Optionen. Die deutsche Übersetzung von Frosted Games verdient Lob, da sie sowohl das Layout als auch den Charme der englischen Version gekonnt einfängt. Obwohl die meisten Entscheidungen letztlich zu Kämpfen führen, ist es dennoch spannend zu erfahren, unter welchen Umständen es dazu kommt. Ein Beispiel: Ihr steht auf der einen Seite einer uralten Seilbrücke, die zwei Bergkämme miteinander verbindet. Hinter euch befindet sich eine Horde an Verfolgern. Ihr habt zwei Optionen: Entweder bekämpft ihr jeden Fiesling nach und nach in einem Duell auf der Brücke oder ihr krabbelt rüber und versucht dem feindlichen Pfeilhagel auszuweichen. Jede Option bringt unterschiedliche Modifikationen und Belohnungen für den kommenden Kampf mit sich.
Der Humor des Spiels nutzt Fantasy-Klischees auf kreative Weise, indem er sie umdreht oder übertreibt, um den Spielerinnen und Spielern ein amüsantes Erlebnis zu bieten. Sogar die Namen der Charaktere tragen zum Spaß bei – zum Beispiel heißt ein gefräßiger Tyrann "Nom", weil er euch gerne verspeisen möchte (Om-nom!). Zudem gibt es zahlreiche Anspielungen auf beliebte Popkultur-Franchises wie Game of Thrones, Indiana Jones oder Pokémon, über die sich Fans freuen dürfen.
Ebenfalls unterhaltsam sind kleine Minispiele, wie beispielsweise das Schnipsen von Würfeln, um eine Mission zu erfüllen. Durch diese Möglichkeiten und dem Fantasy-Flavor wird die Konfrontation mit Gegnern bei Too Many Bones überzeugend ergänzt. Der Einstieg ins Spiel ist recht komplex, da es etliche Gegnertypen mit individuellen Spezialfähigkeiten, sowie Dutzende von Würfeln gibt. Ein Teil des Spielerlebnisses ist es daher, den eigenen Gearlock zu meistern und die eigenen Stärken geschickt gegen die Fieslinge und vor allem den Tyrannen im Endkampf auszuspielen. Das Spiel verfügt über drei Schwierigkeitsniveaus, wobei bereits in den ersten Partien das einfachste Niveau ("Abenteurer") eine Herausforderung darstellen sollte. Wer übrigens einmal keine weiteren Abenteurer*innen beziehungsweise Gearlocs um sich scharen kann, für den steht selbstverständlich auch ein Solo-Modus zur Verfügung, der eigene Herausforderungen bietet.
Bereit für ein Abenteuer?
Fazit:
Too Many Bones bleibt auch im Jahre 2024 ein beeindruckendes Spiel. Es bietet ein gut durchdachtes Gameplay, welches durch die Vielfalt der Gegner und einer Spieldauer pro Partie zwischen einer und drei Stunden ausreichend Wiederspielwert garantiert. Dazu kommen die zugänglichen Regeln, die abwechslungsreichen Interaktionen, die gut organisierte Spielebox sowie die hochwertigen Materialien.
Obwohl sich seit seiner (englischen) Erstveröffentlichung im Jahre 2017 sehr viel auf dem Brettspielmarkt verändert hat, wird Too Many Bones seinem ihm vorauseilenden Ruf gerecht. Es sind vor allem die sehr anschaulichen Würfel und das liebevolle Design der Spieleentwickler, die dieses Brettspiel selbst heute noch aus der Menge herausstechen lassen.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.
Dieser Artikel ist erschienen bei: Zauberwelten-Online.de
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