Zauberwelten: Mara und der Feuerbringer, worum geht es in der Trilogie und wer ist Mara?
Tommy Krappweis: Es geht es um das 14-jährige Mädchen Mara, das erfährt, dass sie dazu bestimmt ist, die Welt zu retten. Da Mara aber eigentlich nicht als klassische Heldin angelegt ist, wie man sie aus einschlägigen Werken kennt – der Protagonist erfährt, dass er der große Held ist, der die Welt retten soll, bekommt ein Zauberschwert und alles läuft seinen gewohnten Gang – und sich auch eigentlich noch nie großartig mit den Thematiken Mythen oder Weltrettung auseinandergesetzt hat, hat sie auf diesen Job, salopp gesagt, überhaupt keinen Bock. Sie hält sich für die absolut falsche Person und kann nicht nachvollziehen, wieso ausgerechnet sie dazu bestimmt sein soll, eine derartige Aufgabe zu übernehmen.
ZW: Das klingt nach Startschwierigkeiten für Mara. Wieso hast Du Dich bewusst für eine Art Antiheldin entschieden?
Tommy: Nun, sagen wir so, ich wollte für mich eine Situation erschaffen, die ein bisschen mehr Realismus und Realitätsnähe schafft. Denn, sind wir ehrlich, kein normaler Mensch, der erfährt, dass er zur Rettung der Welt bestimmt ist, würde wissen, wie er das anzustellen hat, oder überhaupt Lust dazu haben, sein Leben komplett für eine derartige Mission auf den Kopf zu stellen. Das generiert auf der anderen Seite natürlich eine ganz eigene Art von Humor, denn gemacht werden muss es schließlich dennoch irgendwie.
ZW: Das stimmt allerdings. Wie geht es weiter mit Mara?
Tommy: Mara lebt im 21. Jahrhundert, also im Hier und Jetzt. Bis die uns bekannte nordische Mythologie über sie hereinbricht. Dabei spielt der Halbgott Loki, der durch Marvels Avengers & Co. aktuell recht bekannt sein dürfte, eine große Rolle, denn dieser findet sich ganz klassisch, entsprechend der altnordischen Sagenliteratur der Edda, gefangen in einer Höhle wieder, gefesselt mit den Gedärmen seines eigenen Sohnes und von einer Schlange bewacht, deren Speichel ihm zunehmend das Gesicht verätzt. Natürlich ist Loki davon alles andere als begeistert und versucht, sich zu befreien, um sich an den anderen Göttern zu rächen. Hier kommt die kleine Mara ins Spiel, denn ihre Aufgabe soll es sein, dafür zu sorgen, dass dieser Halbgott weiterhin dort unten schmort. Was an sich völlig unrealistisch ist, denn wie soll ein 14-jähriges, halbstarkes Mädchen einen Halbgott in Schach halten? Die Aussage Sorge dafür, dass er gefesselt bleibt! ist dabei alles andere als hilfreich. Wirf den Ring ins Feuer, das wäre eine klare Ansage, aber unter diesen Gegebenheiten sieht sich Mara der Problematik entgegengestellt. Sie hat keine Ahnung, was sie überhaupt tun soll. Aus dieser Situation heraus ergeben sich dann nach und nach die Handlung und der Spaß des Buches.
ZW: Das klingt vielversprechend, aber auch ein bisschen so, als wäre der Roman als etwas Größeres angelegt worden. Stimmt das?
Tommy: Jein. Mara und der Feuerbringer wurde ursprünglich tatsächlich als Fernsehserie angelegt, allerdings habe ich während des Schreibens schon gemerkt, dass es wohl nicht auf ein TV-Format hinauslaufen wird, sondern auf ein Buch. Auf drei Bücher, besser gesagt. Nicht nur, weil ich nicht die gängigen Klischees bedienen wollte, die vor allem die Fernsehmacher hierzulande eben erwarten, sondern weil ich besonderen Wert darauf gelegt habe, alle Fakten über die nordisch-germanische Mythologie korrekt und penibel zu recherchieren und im Buch entsprechend darzulegen. Allein dafür wäre im Fernsehen niemals ausreichend Zeit gewesen. In diesem Rahmen habe ich zum Glück professionelle Hilfe von Professor Rudolf Simek von der Universität Bonn erhalten. Er ist der Verfasser des Lexikons der nordisch-germanischen Mythologie, der mich sowohl beim Schreiben, als auch ganz besonders bei der Korrektur grandios unterstützt hat. Von ihm stammen auch die Namens- und Sachregister am Ende jedes Bandes, in denen sehr verständlich erläutert wird, was es mit Germanen, Göttern und Konsorten auf sich hat.
ZW: Das Buch wurde trotzdem verfilmt. Wie kam es dazu?
Tommy: (lacht) Ja, das stimmt und zwar mit RTL als Koproduzent – da war ich zunächst ein wenig skeptisch, denn bislang hatte ich an anderen Formaten für RTL gearbeitet. Allerdings wurde ich schon während der ersten Gespräche von jeglichen Vorurteilen, die man vielleicht im Vorhinein von RTL als Produzent hätte haben können, befreit. Der Sender wollte tatsächlich den Film produzieren, den ich vorhatte zu drehen: einen Film für alle Altersgruppen, in dem sowohl der Anspruch wissenschaftlicher Genauigkeit als auch Maras Widerborstigkeit erhalten bleiben – ich war mehr als begeistert. Außerdem konnten wir mit starken Partnern und der Filmförderung NRW und Bayern im Rücken viele namhafte deutsche Künstler für die Verfilmung begeistern, darunter Christoph Maria Herbst als Halbgott Loki, Jan Josef Liefers als Professor Weissinger, Heino Ferch als Dr. Thurisaz und Esther Schweins als Maras Mutter. Das ist toll und steht für die hohe Qualität, mit der dieser Film produziert worden ist. Eine ganz großartige Geschichte!
ZW: Wir haben Gerüchte gehört, dass neben den Stars auch Larper in diesem Projekt mitgewirkt haben. Stimmt das und wie schafft man es als Otto-Normal-Larper in einen Kinofilm dieser Größenordnung?
Tommy: Die Gerüchte stimmen, und ich persönlich finde es großartig, dass es dazu gekommen ist. Ich habe, bevor es zu der Idee Kinofilm gekommen ist, regelmäßig auf Conventions und Mittelaltermärkten gelesen, und überall hatten die Leute einen Mordsspaß an der Geschichte. Zufälligerweise gibt es im Buch eine Szene auf einem großen Mittelaltermarkt, auf dem der Lindwurm aus der Nibelungengeschichte auftaucht. Es wäre kaum möglich gewesen, die Szene, so wie wir sie uns vorgestellt hatten, in der verfügbaren Zeit mit herkömmlichen Statisten zu drehen. Von den Kostümen mal ganz abgesehen. Da kam mir die Idee Wieso nicht mit diesen Leuten zusammenarbeiten, die mit so viel Spaß, Engagement und Leidenschaft bei der Sache sind? Also habe ich einen Facebook-Aufruf gestartet. Die Resonanz war überwältigend.
ZW: Wurden Deine Erwartungen erfüllt?
Tommy: Sie wurden übertroffen! Das gilt für das gesamte Team. Niemand von den gestandenen, langjährigen Kinoprofis hatte vorher so etwas erlebt: Die knapp einhundert Larper, Fantasyfans, Mara-Fans und Reenactors waren so unfassbar großartig, dass sie innerhalb von drei Tagen selbstständig wussten, was sie zu tun hatten, obwohl wir wie wild zwischen einzelnen Szenen hin und her gesprungen sind, da der Film nicht chronologisch gedreht wird. Einige stürzten sich nach kurzem Training mit unserem Stuntteam in einen Wagen voller Äpfel oder fielen über Tische und Bänke – bei so viel Elan konnten wir unser Glück gar nicht fassen! Unser Visual Effects Supervisor John Nugent, der unter anderem für Der Herr der Ringe am Balrog und an der Integration von Gollum gearbeitet hat, musste bei all dem Material, was man uns bot, wirklich nur sehr wenig retuschieren. Das ist einfach unglaublich, denn normalerweise hat man bei solchen Drehs einen Ausschuss von 50 Prozent.
ZW: Was fasziniert Dich besonders an Live-Rollenspiel und Reenactment und warum die bewusste Entscheidung gegen normale Statisten?
Tommy: Ich bin schon immer ein Freund der Phantastik gewesen, das hat in jungen Jahren mit Jim Knopf angefangen und nie aufgehört. Der Elan und Eifer, mit dem Live-Rollenspieler und Reenactors bei der Sache sind, fasziniert und begeistert mich immer wieder neu. Es ist einfach fantastisch, was für eine Riesenportion Engagement und Disziplin diese Leute mitbringen und wie schnell mit Klischees, die man vielleicht gegenüber der Community haben könnte, aufgeräumt wird, wenn man sich intensiv mit der Szene befasst. Es ist eine wunderschöne und familiäre Art und Weise, wie da mit Herzblut an die Arbeit gegangen wird. Das kann dir kein Statist bieten, der am Ende des Tages sein Geld in die Hand gedrückt bekommt und ganz normal nach Hause geht. Das ist eine Millionen mal besser! Das sieht man dann auch in der Endausführung. Ich glaube, das genau so zu erleben, kann man nur, wenn man einmal Teil davon wird und sich wirklich auf die Community einlässt, anstatt immer nur von oben herab auf das Hobby zu blicken. Denn das wird der Sache einfach nicht gerecht. Von daher – dieses Projekt ist ein großer Triumph für und eine persönliche Wertschätzung an die fantastische Community!
ZW: Manche behaupten, man könne Live-Rollenspieler nicht mit Reenactorn zusammen bringen. Was glaubst Du?
Tommy: Ich kann auf jeden Fall sagen, dass sich beide Szenen perfekt mit der jeweils anderen verstanden und in das Projekt integriert haben. Ob mit Latexschwert oder ohne, authentisch oder nicht – für diese Sache sind alle zusammen an einen Tisch gekommen, und jegliche Vorurteile oder Streitereien wurden beigelegt. Eigentlich kamen sie gar nicht erst auf. Am Ende des Tages war es gleichgültig, aus welcher Szene man kam, weil es eigentlich eine Sache ist, eine Leidenschaft, die alle gleichermaßen begeistert. Daraus ist ein ganz besonderer Spirit entstanden, den man vor allem im Film, aber auch darüber hinaus spüren kann, wenn man sich bewusst und mit offenen Augen in der Szene bewegt. Das ist großartig und ich verstehe komplett, warum so viele Menschen ihre Freizeit dafür opfern und das lieben, was sie tun.
ZW: Warst Du schon einmal auf einer Live-Rollenspiel-Veranstaltung oder könntest Du Dir vorstellen, an so etwas teilzunehmen?
Tommy: Bisher bin ich leider noch nicht in den Genuss gekommen, an einer Larp-Veranstaltung, wie sie sich in den letzten zwei bis drei Jahren entwickelt hat, teilzunehmen. Aber ich muss gestehen, dass ich drei Jahre meines Lebens als Stuntmen in einer extrem authentischen Westernstadt gearbeitet habe und somit quasi Western-Larp betrieben habe. In der Stadt haben wir zweimal am Tag die Bank überfallen und die Besucher mit kleinen Showeinlagen unterhalten. Auch zwischen den Shows blieben wir im Charakter, das war vielleicht ein Spaß! Außerdem hatte ich vor einigen Jahren den Auftrag, eine Art Themenpark zu konzipieren, in dem man als Besucher ins mittelalterliche Leben eintauchen konnte. Leider ist es nie zur Realisierung des Projekts gekommen, da es am Ende viel zu teuer geworden wäre. Aber wenn ich die Möglichkeit hätte, dann könnte ich mir vorstellen, als eine Art Schreiber oder Konzeptionist an Live-Rollenspielen teilzunehmen und Events für die Spieler zu veranstalten. Ich bin weniger der Darsteller und mehr der Macher.
ZW: Hast Du Tipps für angehende Macher?
Tommy: Wenn man etwas leidenschaftlich und mit Herzblut tut, sollte man es einfach anpacken und machen. Egal, was andere sagen. Manchmal entstehen daraus am Ende nämlich ganz großartige Ideen, Kontakte und Dinge, die man vorher nie zu träumen gewagt hätte. Mein Tipp ist eigentlich ganz simpel: Einfach machen!
Die Serie Mara und der Feuerbringer, auf der die Verfilmung beruht, ist im Franz Schneider Verlag erschienen. Vom ersten Band gibt es zudem eine Hörbuchfassung, gelesen von Christoph Maria Herbst (der im Film Loki spielt).