This War of Mine ist gleichermaßen bedrückend wie gut. Es ist erbarmungslos und voller Konflikte, denn genau so ist auch der Krieg und wird in dieser Überlebenssimulation verdeutlicht. Wer sehr sensibel ist oder Traumata in dieser Richtung hat, sollte einen Bogen um das Spiel machen. Es beschönigt nicht das Leben als unbeteiligter Zivilist in einer kriegsgebeutelten Stadt, sondern zeigt sehr klar die Realität in Krisengebieten. Die Geschehnisse sind fiktiv, aber angelehnt an den Bosnienkrieg. Im klassischen Spielmodus mit 2D-Side-Scroller Ansicht startet man mit einer zufälligen Gruppe Überlebender in einem zum Teil zerbombten Haus.
Spielaufbau
In meiner zufälligen Gruppe sind drei Zivilisten. Eine Journalistin, ein TV-Koch und ein Fußballstar. Doch was sie einmal waren, spielt keine Rolle mehr. Wie der Fußballer sagt: »Wer braucht schon einen Fußballer, wenn er Angst um sein Leben haben muss?«
Die Gruppe kannte sich teils vor dem Krieg oder war sich mal begegnet. Nun sind sie in einer Stadt, die vom Militär abgeriegelt wurde, um Rebellen einzukesseln und deren Widerstand niederzuknüppeln. Das Militär spricht zwar davon, dass Zivilisten unverletzt bleiben, allerdings wurde das schon so oft versprochen und nicht gehalten, dass niemand mehr auf diese Versprechen vertraut. Der gezeichnete Grafikstil in grau mit grau, welcher nur rot und orange aufleuchtet, wenn es brennt, wirkt schon in den ersten Spielminuten beklemmend.
Mitten im Geschehen
Als erstes lasse ich die drei Trümmer und Schränke in diesem Haus, das nun unsere Basis ist, durchsuchen. Wir haben nur einen Stuhl und kein einziges Bett. Mit den gefundenen Materialien baue ich erstmal einen Regenfänger und Filter für Wasser, denn das braucht man immer zum Überleben. Genau wie eine Schaufel, um sich besser durch die Trümmerhaufen arbeiten zu können und nicht zu riskieren, dass sich jemand verletzt. Schließlich habe ich keine Medizin und kein Verbandszeug. Eigentlich habe ich fast nichts, außer was die drei Menschen in meiner Gruppe am Leib tragen.
Nachts muss ich mich entscheiden: Wer hält Wache in der Basis, damit wir nicht von anderen Überlebenden geplündert werden, wer kann schlafen und wer zieht los, um zu plündern?
Ich entscheide mich und wähle auf einer Stadtteilkarte ein Haus, bei dem laut meiner Gruppe, schon lange keiner mehr jemanden gesehen hat. Andere zu überfallen, kommt mir falsch vor. Mein Plünderer guckt durchs Schlüsselloch, sieht alles leer ist, und bricht dann die Tür auf. Das Haus ist wohl wirklich verlassen, denn niemand reagiert auf den Lärm. Ich packe alles an Essen und Baumaterial in die Tasche, was Platz hat, und eile zurück.
In der Basis können erstmal alle etwas essen. Heute muss niemand Hunger haben. Ich muss noch ein Bett bauen und die beiden, die die ganze Nacht wach waren, können nacheinander den Tag verschlafen. So vergehen die ersten Tage und ich versuche, gleichzeitig die Löcher in der Basis mit Brettern zuzunageln, improvisierte Betten zu bauen, eine Kochstelle und einen Ofen und sogar ein Radio. Nachts hält einer Wache und ein anderer geht Plündern.
In einem Radiosender sagt das Militär, irgendwo sei ein sicherer Korridor, um die Stadt zu verlassen, aber ein anderes Gebiet gemieden werden soll, weil auf jeden geschossen wird. Bei einem anderen Sender sagen Rebellen, dass man den Stadtteil nicht betreten soll.
Ein dritter Sender gibt die Wettervorhersage durch und ein vierter spielt Musik. Etwas Normalität.
Dann versucht uns nachts eine Gruppe auszurauben. Unsere Wache hatte ein Messer und konnte sie abwehren, aber wurde verletzt. Er hütet die nächsten Tage wohl das Bett.
Das verlassene Haus hat nichts mehr, was ich mitnehmen könnte, aber ich muss irgendwo etwas finden, denn ich hab kein Essen mehr und zu wenig Materialien um eine Falle für Tiere zu bauen oder ein Beet anzulegen.
Ab und zu kommt tagsüber jemand an die Tür zum Handeln. Einmal bittet jemand um Hilfe, weil sein Bruder angeschossen wurde. Zögerlich schicke ich einen meiner Zivilisten mit. Ich habe Angst, dass es eine Falle ist, aber wenn er wirklich Hilfe braucht, habe ich mich für das Richtige entschieden.
Die Nacht kommt und es sind nur zwei meiner Zivilisten da. Einer ist verletzt und kann wenig tun. Er wird die Nacht schlafen, der andere Wache halten. Zum Plündern kann ich also gerade keinen schicken. Außerdem müsste ich andere Zivilisten überfallen – das will ich eigentlich nicht.
Am nächsten Morgen kommt meine Zivilistin zurück. Der Mann hatte die Wahrheit gesagt und sie konnten seinen Bruder retten. Ein wenig Menschlichkeit hält in unserem tristen Alltag Einzug.
Aber ich werde nicht daran vorbeikommen, andere zu überfallen, wenn ich möchte, dass meine Leute nicht verhungern. Wann verschwindet diese Grenze, was Recht ist und was nicht? Zivilisten sind Unschuldige und dennoch müssen wir uns gegenseitig überfallen, um zu überleben. Im Krieg gibt es keine Sieger.
Dieser Einblick zeigt hoffentlich gleichermaßen, was dieses Spiel gut und bedrückend macht.
Bedrückende Abwechslung
This War of Mine beschreibt eindrucksvoll, wie sich Zivilisten im Krieg verhalten müssen, ohne den Versuch die Realität schönzureden. Gerade auch in der jetzigen Zeit, ist es wichtig, sich so etwas vor Augen zu führen.
Normalerweise spiele ich gerne friedvoll und lieber so, dass ich alles selbst anbaue und herstelle, um niemandem etwas zu klauen. Aber hier bin ich hier gezwungen anders zu handeln, wenn ich überleben möchte.
Dazu kommt noch, dass das Spiel einen immer mehr fordert und mit jedem vergangenen Tag schwerer wird. Außerdem gibt nicht nur verschiedene Enden, sondern auch unterschiedliche, zufällige Konstellationen an Zivilisten mit Vor- und Nachteilen, die einen Wiederspielwert erzeugen.
Zusätzlich enthält This War of Mine die DLC Stories, in denen der Fokus auf einzelne Figuren gelegt und deren Geschichte spielbar erzählt wird.
Forget Celebrations – das neueste DLC
Die frühere Journalistin Katia schrieb über den Krieg in einem anderen Teil der Welt, aber nichts davon bereitete auf den Krieg in ihrer Heimatstadt vor. Sie hofft auf Hilfe ihres Verlegers, damit die Geschichten, die sie im Krieg dokumentiert hat, es auch nach draußen schaffen.
Hilfe erhält sie von zwei Zivilisten, Pavel und Marin, beide kannte sie schon vor dem Krieg.
Man spielt im DLC so, wie auch im normalen Spiel nur mit anderer Basis. Hier ist das Ziel nicht nur zu überleben, sondern die Recherche von Katias Buch finden, die durch die Geschehnisse des Krieges verteilt wurden. Durch jedes Dokument erfährt man mehr über den Krieg, die Hintergründe, Grausamkeiten, Lügen und über die Menschen, die dem Konflikt ausgesetzt sind. Man erfährt von Katias Onkel bei der Armee, der die Tötung von Zivilisten erlassen hat, von der Flasche Rum, die ein Freund Katia gab, weil er nüchtern aus dem Land fliehen wollte. Sein Vater bekam diese vor 17 Jahren geschenkt und wollte sie mit den Nachbarn trinken, sobald Frieden im Land herrscht, aber er starb vor drei Tagen.
So findet man Hinweise auf Buchmaterial, findet welches, tauscht Informationen, manchmal hat man Glück und jemand hat von Katia gehört. Und dazwischen versucht man zu überleben und erkundet die Orte, die es extra für das DLC gibt.
Besonders an diesem DLC ist, dass alle Einnahmen an Charity Organisationen wie War Child, Amnesty International, Liberty Ukraine und Indie Games Poland Foundation gespendet werden.
Ist es ein Spiel, das ich für ein gutes Gefühl und zur Ablenkung und Kopf ausmachen spiele? Absolut nicht, nein.
This war of Mine wähle ich bewusst aus, um mich spielerisch und moralisch herauszufordern, oder wenn ich sonst ein Drama im Fernsehen schauen oder ein trauriges Buch lesen würde.
Es ist nicht das Spiel für jeden Tag, aber es ist ein Spiel, das jeden Tag wichtig ist.
11 Bit Studios
11Bit Studios, die hinter This War of Mine stecken, sind sonst vor allem bekannt für Frostpunk. Das dystopische Aufbau-Strategiespiel, in dem man moralischen Dilemmata, dem ewigen Eis und der Bürde trotz allem eine funktionierende Stadt zu bauen gegenübersteht. Im Herbst 2024 ist hiervon der zweite Teil erschienen.
Die eher schweren Settings und moralischen Fragen scheinen dem Studio nicht nur zu liegen, sondern seine Stärke zu sein. So soll auch das neueste Spiel, das dieses Jahr erscheinen wird – The Alters –,ein paar ethische Problematiken aufwerfen. Man spielt den einzigen Überlebenden einer Raumschiffcrew auf einem feindlichen Planeten und muss sich eine Crew zusammenstellen, um nach Hause zu kommen. Aus wem besteht die Crew, wenn man der einzige Überlebende ist? Genau, aus Alterego-Klonen seiner selbst, die man strategisch einsetzen muss. Wir sind also gespannt, was das Studio noch so bringt.
Text: Fiona Sereina Köther-Styner
Bilder: 11Bit Studios

 |
|
Dieser Artikel erschien erstmals in der Zauberwelten Frühjahr 2025. Mit dem Code ZW2503100! könnt ihr euch diese Ausgabe kostenlos als PDF downloaden. |
Dieser Artikel ist erschienen bei:
Zauberwelten-Online.de