Die Welt
Schon der Untertitel verrät, was Thema von Sword & Sorcery ist: unsterbliche Seelen. Wir schlüpfen in die Rollen von Helden, die in die Welt zurückgeholt wurden, um einen Bann zu brechen, der unsere Seelen gebunden hat. Das Thema der gebannten Seelen taucht im Spiel jedoch nur am Rande auf. Unsere Helden haben Seelenränge, sie sammeln Seelensplitter statt Erfahrungspunkte und ein Seelenstein gibt unsere Stufe an. Auch sterben wir nicht, sondern verfallen in unsere Seelenform, die uns andere – immaterielle – Handlungsmöglichkeiten an die Hand gibt, bevor wir auf Kosten unseres Seelenranges an einem Altar wiederbelebt werden können. Davon abgesehen, bleibt das Thema jedoch im Hintergrund.
Wir verkörpern letztlich klassische Helden, die sich mit Gremlins, Schurken, Orks und anderem Gekröpf herumschlagen müssen. Zur Auswahl stehen uns dabei als Klassen Zwerg, Krieger, Waldläufer, Schurkin oder Magierin, wobei wir je zwischen zwei Ausprägungen – meist rechtschaffen und chaotisch – entscheiden dürfen, sodass uns insgesamt 10 Helden zur Verfügung stehen.
Einmal in unserem Körper angelangt, spielt sich Sword & Sorcery also wie ein klassisches (amerikanisches) Fantasy-Setting, das eine etwas andere Terminologie verwendet. Klassisch ist dabei allerdings auch das Rollenverständnis: Magierin und Schurkin verzichten passenderweise auf massive Rüstungen, verschwinden dabei aber fast hinter ihrer massiven Oberweite und scheinen zur Anwendung ihrer Fähigkeiten halbnackt herumlaufen zu müssen. Das geht deutlich zeitgemäßer und allemal realistischer.
Die Kampagne
Auch die Kampagne bleibt in gewohntem Terrain. Wir geraten in eine düstere Machtkonstellation hinein, die sich erwartungsgemäß durch zu bekämpfende Gegner und zu erkundende Höhlensysteme äußert. Dabei sind die Abenteuer durchaus abwechslungsreich. Das wird trotz weniger Gegnertypen durch zufällige Sonderfähigkeiten von Elitegegnern und einen leicht variierenden Aufbau der Abenteuer erreicht.
Besonders spannend sind die Abenteuer jedoch beim ersten Mal, da sie über besondere Abenteuer-Ereignisse verfügen, die im „Buch der Geheimnisse“ vermerkt sind. Neben Stimmungstext werden uns hier passende Gegnertypen vor die Füße gelegt und wir können stellenweise sogar Alternativentscheidungen treffen. Dadurch entfalten sich die Abenteuer Stück für Stück, wodurch das Erkunden über bloße Zufallskarten hinausgeht. Wir werden tatsächlich in die Handlung gezogen, wobei diese jedoch weitgehend linear ausfällt und letztlich rudimentäre „wenn-dann“ Abschnitte versammelt.
Der Kampf
Herzstück von Sword & Sorcery ist wie bei jedem Dungeoncrawler der Kampf. Bei aller Handlung geht es letztlich darum, unzählige Gremlins, Schergen, Orks und Endgegner zu besiegen. Erklärtes Ziel des Spiels ist es sogar, das Gefühl eines Online-Rollenspiels nachzubilden. Um das zu erreichen, wurde ein möglichst dynamisches Kampfsystem gewählt. Wie bei fast jedem Genrevertreter kommen dazu Sonderwürfel zum Einsatz. Hier sogar schicke Zehnseiter in zwei Farben. Die zeigen statt Zahlen eine Vielfalt an Symbolen an. Neben Treffern und Schilden sowie einem ,kritischen Ereignis‘ kommen hier noch Blitze und Pentagramme hinzu, wobei meist mehrere Symbole auf einer Seite vertreten sind. Blaue Würfel weisen dabei eine defensivere Verteilung auf als ihre angriffsorientierten roten Gegenstücke.
Waffen, Kampfzauber und Rüstungen geben nun eine Kombination von Würfeln an, die im Kampf geworfen werden. Im simpelsten Fall werden Treffer mit Schilden verglichen, die meisten Gegenstände verfügen aber darüber hinaus über Sondereffekte, die durch Blitzsymbole oder Pentagramme aktiviert werden. Das führt im besten Fall zu interessanten Entscheidungsoptionen, wenn man sich zwischen verschiedenen Bonuseffekten entscheiden muss. Meist sind eben nicht genug Blitze oder Pentagramme da, um alle Bonuseffekte gleichzeitig zu aktivieren.
Das System ist schnell begriffen und fühlt sich abwechslungsreich an. Dadurch, dass bei jedem Schlag kurz entschieden werden muss, welche Sondereffekte ausgelöst werden sollen, kommt keine Monotonie auf. Unsere Helden würfeln eben nicht über mehrere Runden gegen den gleichen Wert. Auch kann das System so eine Vielzahl unterschiedlicher Ausrüstungsgegenstände umsetzen und auch den Gegnern Zusatzoptionen verschaffen. Ein beidhändiger Gegner setzt beispielsweise bei genug ,Energie’ einen zweiten Schlag hinterher.
Dass man bei jedem Schlag kurz auf Ausrüstung und Gegnerwerte gucken muss, wird durch die hohe Dynamik problemlos wettgemacht. Auch werden allzu simple Berechnungen verdeckt. Einige Waffen sind dadurch nicht einfach besser als andere, sondern lösen mit anderen – nicht immer offensichtlichen – Wahrscheinlichkeiten unterschiedliche Effekte aus. Will man den Kriegshammer, der unzuverlässig viel Schaden verursacht und den Gegner vielleicht sogar umwirft? Oder bevorzugt man weniger Schaden, der dafür verlässlich ist?
Die Gegner
Eine der Besonderheiten des Spiels besteht in einer Art künstlicher Intelligenz für die Gegner, wie sie auch in Galaxy Defenders ähnlich zur Anwendung kam. Statt einen Satz abstrakter Verhaltensweisen für alle Gegnertypen zu liefern, wird jedem Gegnertyp ein sogenanntes Gegnerpergament zugewiesen. Das enthält neben den Angriffswerten und ausführlicheren Sonderregeln auch Verhaltensanweisungen, die von der Entfernung zum nächsten Gegner abhängen. Häufig bedeutet dies kaum etwas anderes als in anderen Spielen. Fernkämpfer schießen oder ziehen sich zurück, Nahkämpfer nähern sich dem nächsten Ziel. Dennoch erlaubt es Kombinationen aus Nah- und Fernkämpfern, die situationsabhängig über ihr Verhalten entscheiden.
Davon macht Sword & Sorcery einigen Gebrauch, indem viele der Gegner als Hybridkämpfer ausgelegt sind. Verstärkt wird dieser Effekt zudem durch einen Aktivierungsstapel. Nach der Aktion eines jeden Helden bestimmt eine Aktivierungskarte, welche Gegner aktiv werden oder ob die Helden für einen kurzen Moment verschont werden. So werden beispielsweise nur die schwächsten Gegner aktiviert oder nur der Stärkste. Sword & Sorcery erzeugt so Szenen, in denen die Figuren dynamisch handeln und sich teilweise sogar auf die Situation einstellen. Dennoch bleiben wirklich dynamische Kampfsituationen die Ausnahme, sodass kein gänzlich anderes Spielgefühl aufkommt.
Die Ausstattung
Dungeoncrawler sind nicht für einen Abend ausgelegt. Das Verbessern der Helden und eine fortlaufende Handlung gehören fest zum Konzept. Auch ist der Regelaufwand zu hoch, um ein solches Schwergewicht nur an einem Abend anzuspielen. Im besten Fall spielt man auch Sword & Sorcery mehr oder minder regelmäßig mit einer festen Gruppe. Dafür bietet das Spiel sieben zusammenhängende Abenteuer an, die zur Not auch unabhängig voneinander gespielt werden können. Da die Abenteuer abendfüllend sind, kommt man auf eine gehörige Spielzeit, zumal weitere Kampagnen auf Englisch existieren und auf Deutsch vorangekündigt sind.
Spiele wie Sword & Sorcery leben neben dem Umfang immer auch von ihrer opulenten Ausstattung. Hier muss sich das Spiel nicht vor der Genrekonkurrenz verstecken. Die umfangreichen Bodenplatten sind gut illustriert und bestehen aus fester, beidseitig verwendeter Pappe und besitzen eine stabile Steckmechanik. Auch die zahllosen Spielmarker sind allesamt aus hochwertigem Material und gut gestaltet. Besonders gelungen ist der sogenannte „Seelenstein“, der die Werte der jeweiligen Seelenstufen abbildet und komfortabel verstellt werden kann.
Herzstück sind natürlich die über 30 hochwertigen Helden- und Gegnerfiguren. Diese verfügen über einen hohen Detailgrad und dynamische Posen. Auch unterscheiden sich selbst Modelle des gleichen Typs durch kleine Abweichungen. Praktischerweise kommen die Figuren in satten, aber nicht zu starken Farben daher, die unterschiedliche Gegnerstufen symbolisieren und bereits zusammengesetzt kommen. Leider wurde jedoch offenkundig am Material gespart. Das ist etwas zu weich ausgefallen, was sich gerade durch die dynamischen Posen und imposanten Stangenwaffen negativ auswirkt. Die Waffe brechen zwar nicht, sind aber merklich gebogen. So wird ein kampfbereites Schwert optisch zu einem wackeligen Säbel und auch unsere Schurkin ist deutlich nach vorne geneigt, als wäre sie dauerhaft im Fallen begriffen.
Ein ähnliches Problem besteht auch bei den Würfeln. Die sind optisch sehr gut gelungen. Die Symbole sind detailliert, Blitzsymbole sind gelb hervorgehoben und die Würfel selber schick marmoriert. Auch hier leidet die Idee unter der Verarbeitung, da manche Symbole versehentlich voll „ausgemalt“ sind und andere etwas zu schwach durchkommen.
Ein letztes oft angemerktes Problem ist die Schachtelgestaltung. Das Material passt nur mit Mühe und Not in die vorgesehenen Bereiche und die Bodenplatten liegen gleich ganz unsortiert in der Box. Das Problem haben viele Spiele, hier ist es aber noch einmal ärgerlicher, da auch während des Spiels neue Spielelemente eingeführt werden und man einige Spielstapel nur selten benötigt. Eine gute Platznutzung hätte das Material deutlich klarer sortiert und auch den Auf- und Abbau enorm vereinfachen können.
Eine etwas schlechte Organisation trifft letztlich auch auf die Regeln zu. Die sind durchaus klar formuliert und sogar in farblich unterschiedene Segmente aufgeteilt. Die klare Trennung zwischen Regeln, Abenteuerbuch und dem platzsparenden „Buch der Geheimnisse“ ist gut gedacht. Das Potential wird jedoch nicht genutzt, da ein Index für die Regeln fehlt und das „Buch der Geheimnisse“ das Abenteuerbuch während der Spielrunde nicht ersetzen kann. Faktisch muss man immer wieder ins großformatige Abenteuerbuch schauen, um zu wissen, wo man im „Buch der Geheimnisse“ nachlesen soll. Das hätte durch eine kurze Infobox vermieden werden können. So trägt es leider zu einer gewissen Unübersichtlichkeit bei, die das Spiel sperriger macht als nötig.
Das Produkt wurde kostenlos für die Besprechung zur Verfügung gestellt.